Starke Binnennachfrage:Der Konsum - eine Stütze für die Konjunktur

Die deutsche Binnenkonjunktur ist in der Krise stabil geblieben. Jetzt appellieren die USA: Wenn Amerika spart, muss Deutschland noch mehr konsumieren.

F. Holtermann

Die deutsche Binnenkonjunktur ist auch in der Krise erstaunlich stabil geblieben. Dies könnte, zusammen mit anziehenden Aufträgen in der Industrie, den aufkeimenden Aufschwung retten. Der amerikanische Finanzminister Timothy Geithner fordert die Bundesregierung daher auf, den hiesigen Konsum stärker anzukurbeln.

Konsum, dpa

Deutschland ist immer noch Exportweltmeister - die Nachfrage nach deutschen Produkten geht aber zurück.

(Foto: Foto: dpa)

Die heimische Binnenkonjunktur ist weiterhin schwach, aber angesichts eines einbrechenden Exports die Hauptstütze der Volkswirtschaft. Zu diesem Ergebnis kommt das Statistische Bundesamt in seinem neuen Jahrbuch, das am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. Während der private Konsum bei den wichtigstens Handelspartnern einbrach - in Großbritannien gar um 3,6 Prozent innerhalb eines Jahres -, blieb er in Deutschland stabil und gab einen Wachstumsimpuls von plus 0,6 Prozentpunkten.

Weiterhin gute Kauflaune

Offenbar lassen sich die Bundesbürger also auch von Krise und steigenden Arbeitslosenzahlen die Kauflaune nicht verderben. Lediglich der Nachbar Frankreich bietet ein ähnliches Bild.

Die Nachfrage aus dem Ausland hingegen geht zurück. "Zwar ist Deutschland immer noch Exportweltmeister und hat weiterhin einen exorbitant hohen Außenhandelsüberschuss", sagte der Präsident des Statistischen Bundesamts, Roderich Egeler. "Vergangenes Jahr betrug dieser 176 Milliarden Euro, der zweithöchste jemals gemessene Wert nach 2007." Wirtschaftsmotor sei der Außenhandel in der Krise jedoch nicht mehr: Vielmehr habe er 2008 mit minus 0,3 Prozentpunkten dazu beigetragen, dass sich das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts auf 1,3 Prozent fast halbiert habe.

Neue Debatten über Ausrichtung der Wirtschaft

So viel Abhängigkeit von den Exporten sorgt für neue Debatten über die Ausrichtung der deutschen Wirtschaft. Unter anderem kritisierte US-Finanzminister Timothy Geithner die Exportorientierung. Das geänderte Konsumverhalten der Amerikaner werde die Nachfrage nach ausländischen Gütern dämpfen, sagte der Minister in einem Interview der Wochenzeitung Die Zeit.

China denke bereits darüber nach, wie es die Anhängigkeit der Wirtschaft vom Export und von den Investitionen verringern könne. "Wenn die USA mehr sparen, verändert das die Gegebenheiten für die ganze Welt", sagte Geithner. Auch Europäer und Japaner müssten ihr Verhalten ändern und die Binnennachfrage ankurbeln.

Verdoppelung der Erwerbslosenquote

Im Vorfeld des Weltfinanzgipfels von Pittsburgh hatte insbesondere Deutschland zurückhaltend auf die Kritik der USA an den Handelsungleichgewichten reagiert. Während hierzulande Überschüsse bestünden, habe die US-Wirtschaft ein chronisches Außenhandelsdefizit, erklärte Amtschef Egeler. Dort sei die Binnennachfrage stärker ausgeprägt, die USA seien daher im Vergleich zu Deutschland weniger abhängig vom Weltmarkt.

Den Statistikern zufolge stehen sie dennoch nicht gut da: Der wichtige private Kosum ist innerhalb eines Jahres um zwei Prozent eingebrochen; die Erwerblosenquote, welche 2007 noch bei unter fünf Prozent lag, hat sich bis Juni 2009 fast verdoppelt.

In Deutschland steigt die Arbeitslosigkeit den Berechnungen zufolge langsamer. "Mitte 2009 lag sie noch unter ihrem Stand von Anfang 2007", so das Statistische Bundesamt. Grund dieser positiven Entwicklung seien unter anderem die um 2,1 Prozent gestiegenen Staatsausgaben. So habe Deutschland das nach China und den USA drittgrößte Konjunkturpaket verabschiedet. Die Auswirkungen seien messbar.

Allein die Ausgaben für Kraftfahrzeuge stiegen demnach im ersten Halbjahr 2009 gegenüber dem Vorjahr um 23 Prozent, was auf die Abwrackprämie zurückzuführen sei.

Aufschwung vonnöten

Auf Dauer kann der Staat solche Instrumente aber nicht finanzieren. Damit auf das Ende der Konjunkturprogramme im kommenden Jahr kein starker Anstieg der Arbeitslosigkeit folgt, sei ein spürbarer Aufschwung vonnöten, heißt es beim Bundeswirtschaftsministerium. Grund zur Hoffnung geben die Auftragseingänge in der Industrie. Sie hat ihre Erholung im August mit dem sechsten Auftragsplus in Folge fortgesetzt. Die Bestellungen lagen um 1,4 Prozent höher als im Vormonat, wie das Ministerium am Mittwoch mitteilte.

Ausschlaggebend war demnach die steigende Nachfrage aus dem Ausland. Der deutsche Export könnte also wieder an Fahrt gewinnen - und erneut den Part übernehmen, den er bisher erfüllte. Damit wäre allerdings auch die Diskussion über die Bedeutung der Binnennachfrage hinfällig.

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