Stahlkonzern Thyssen-Krupp:Verkauf der Werke in Brasilien nicht abgeschlossen

Thyssen-Krupp kommt beim Verkauf seiner zwei Verlust-Werke in Übersee nicht voran. Der zähe Verlauf der Verhandlungen stellt den Konzern vor eine existenzielle Belastungsprobe - und die Zeit wird knapp.

Von Kirsten Bialdiga

Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger kann den Verkauf der verlustträchtigen Stahlwerke in Amerika noch nicht abschließen. Hauptursache ist eine Panne im Hochofen des brasilianischen Werkes im vergangenen Mai. Der Kaufinteressant erwarte, dass der Hochofen vollständig hochläuft, teilte Thyssen-Krupp am Dienstagabend bei Vorlage der Quartalszahlen mit. Zudem würden die Verhandlungen durch die vor Jahren vereinbarten komplizierten Vertragskonstruktionen erschwert.

"Auch wir hätten gerne schneller einen Abschluss erzielt", sagte Hiesinger. Gleichwohl befinde sich Thyssen-Krupp in weit fortgeschrittenen Verhandlungen mit einem führenden Bieter. Ein baldiger Abschluss werde weiterhin angestrebt. Daneben sei Thyssen-Krupp mit anderen Interessenten im Gespräch. Ein herabgefallener, tonnenschwerer Eisenbrocken hatte einen der Hochöfen in Brasilien zum Stillstand gebracht.

Eine Kapitalerhöhung ist weiterhin eine Option

Der zähe Verlauf der Verhandlungen stellt den Konzern vor eine existenzielle Belastungsprobe. Sollte Thyssen-Krupp auf den Krisenhütten sitzen bleiben, drohen erneut Abschreibungen, die spätestens bis Ende September, wenn das Geschäftsjahr endet, eine Kapitalerhöhung erforderlich machen könnten.

Die internen Vorbereitungen dafür sind bereits in vollem Gange. Beide amerikanischen Werke zusammen standen zuletzt bei Thyssen-Krupp noch mit 3,4 Milliarden Euro in den Büchern. Eine Kapitalerhöhung setze nicht unbedingt einen Verkauf der Stahlwerke voraus, sagte Hiesinger in einer Telefonkonferenz. Falls etwa die Reaktionen von Kunden dies erforderten, werde der Konzern entsprechend handeln.

Missmanagement und technische Pannen hatten die Kosten der Stahlwerke in Brasilien und im US-Bundesstaat Alabama auf mehr als zwölf Milliarden Euro steigen lassen, was den Ruhrkonzern mit seinen mehr als 150 000 Beschäftigten in eine bedrohliche Schieflage bringt. Das Projekt könnte als größte Investitionsruine eines Dax-Konzerns in die Geschichte eingehen. So waren per Ende März Abschreibungen von 683 Millionen Euro auf die Werke in Übersee fällig. Die Eigenkapitalquote liegt jetzt nur noch bei acht Prozent.

In den ersten neun Monaten des Jahres verbuchte Thyssen-Krupp einen Verlust von 1,2 Milliarden Euro. Das Verhältnis von Schulden zum Eigenkapital erhöhte sich auf 186 Prozent. Da der Konzern über flüssige Mittel und freie Kreditlinien von 7,2 Milliarden Euro zum Quartalsende am 30. Juni verfügte, ist die Finanzierung bis auf Weiteres gesichert. Dabei lief das tägliche Geschäft in den ersten neun Monaten ganz gut. Alle Sparten außer Steel Americas erzielten einen Vorsteuergewinn, der konzernweit bei 803 Millionen Euro (bereinigtes Ebit) lag. Für das Jahr bestätigte Hiesinger die Erwartung eines Vorsteuergewinns von rund einer Milliarde Euro, ohne Steel Americas.

Schon im Mai 2012 hatte Hiesinger die Krisen-Werke zum Verkauf gestellt. Ziel war es, den Deal bis Ende September abzuschließen. Doch die Verhandlungen mit dem brasilianischen Partner Vale und dem Kaufinteressenten CSN kamen nicht voran. Jetzt sagte Hiesinger: "Wir werden unsere Entscheidungen nicht von Stichtagen abhängig machen."

"Dass Thyssen-Krupp ein wichtiger Konzern ist, darüber sind wir uns einig"

Angesichts der Krise bei Thyssen-Krupp äußerte sich auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). "Ich muss nur auf die Zahl der Arbeitsplätze schauen. Dass Thyssen-Krupp für Nordrhein-Westfalen, aber auch für die Bundesrepublik Deutschland, ein wichtiger Konzern ist, darüber sind wir uns einig", sagte sie in einer Talkshow des Fernsehsenders ntv auf die Frage, ob sie versuchen würde, eine Zerschlagung des Konzerns zu verhindern. Es mache Sinn, diese Arbeitsplätze auch in Deutschland zu erhalten, fügte sie hinzu. "Und wir haben ein hohes Interesse daran, dass dieser Konzern auch so bestehen bleibt." Alles in allem sei Thyssen-Krupp ein guter, gesunder Konzern.

Bei der Rettung des Unternehmens kann Ministerpräsidentin Kraft eine Schlüsselrolle spielen. Die SPD-Politikerin sitzt im Kuratorium der Krupp-Stiftung, die mit ihrer Sperrminorität von 25,3 Prozent zurzeit noch einen möglichen feindlichen Übernahmeversuch abblocken könnte. Deren Anteil würde aber nach einer Kapitalerhöhung voraussichtlich unter 25 Prozent sinken. Eines von mehreren zurzeit diskutierten Modellen sieht daher vor, dass die RAG-Stiftung, die eigentlich für Altlasten aus dem Bergbau aufkommen soll, Anteile erwirbt und diese mit der Krupp-Stiftung zusammenlegt. Auf diese Weise bliebe die Sperrminorität erhalten.

Kraft verfügt zudem über einen Sitz in der RAG-Stiftung. Offiziell hat sie sich in der Frage bisher nicht festgelegt, ob die RAG-Stiftung Thyssen-Krupp zur Seite springen sollte. Im Umfeld der Düsseldorfer Landesregierung heißt es, alle Optionen müssten überlegt werden. Innerhalb der RAG-Stiftung gibt es laut Insidern unterschiedliche Auffassungen darüber, ob die Hilfe für Thyssen-Krupp mit dem Auftrag der Stiftung überhaupt zu vereinbaren wäre.

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