Stahlindustrie:Schrott auf Weltreise

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Die Transportwirtschaft stellt sich nur langsam auf den anhaltenden Boom der Stahlindustrie ein. Mit neuen Güterwaggons hoft die Bahn, der wachsenden Nachfrage Herr werden zu können.

Hans-Willy Bein

Stahl gibt es in einer Vielzahl von Klassen und Güten. Auch der Rohstoff Schrott wird in Sorten gehandelt und selbst bei den Altmetallhändlern gibt es eine Hierarchie. "In dieser Branche herrscht eine klare Hackordnung", sagt Christian Rubach. Er ist Vorstand beim Kölner Rohstoffkonzern Interseroh, der zu den führenden deutschen Schrotthandelsunternehmen gehört. Mehr als 600 Betriebe sammeln in Deutschland Schrott und Altmetalle, aber nur etwa 30 versorgen Stahlwerke und Gießereien direkt. Am besten stehen dabei die Firmen da, die einen Standort am Wasser haben. Denn dem globalen Stahlgeschäft ist der Handel mit Altmetallen gefolgt. "Das Schrottgeschäft hat sich globalisiert'', sagt Rubach. Das hohe Preisniveau ermögliche Frachten rund um den Globus.

Boomsektor Stahl: Das Wachstum wird sich auch in den kommenden Jahren fortsetzen. (Foto: Foto: dpa)

Rasches Wachstum

540 Millionen Tonnen Schrott brauchen die Stahlkocher nach Schätzungen derzeit weltweit für ihre Produktion von 1,34 Milliarden Tonnen Stahl im Jahr 2007. Deutsche Stahlhütten bekommen gut die Hälfte des Schrotts per Bahn, 25 bis 30 Prozent per Lkw und den Rest per Binnenschiff. Anders ist die Relation im internationalen Geschäft. Und da hat sich der weltweite Handel nach Angaben des Weltstahlverbands IISI zuletzt auf annähernd 100 Millionen Tonnen verdoppelt. Tendenz weiter steigend. Deutsche Recyclingunternehmen müssten sich so organisieren, dass sie "auf Knopfdruck den deutschen, den europäischen oder den Weltmarkt beliefern können", rät Interseroh-Vorstand Rubach. Deutschland selbst ist ein Beispiel für die internationale Vernetzung. Stahlindustrie und Gießereien benötigen annähernd 20 Millionen Tonnen Altmetall. Davon werden etwa sechs Millionen Tonnen importiert. Gleichzeitig exportiert Deutschland aber mehr als acht Millionen Tonnen.

Europas größter Schrottplatz ist der Duisburger Hafen, wo es eine eigene "Schrottinsel" mit einer Betriebsfläche von 133.000 Quadratmetern gibt. Hier werden pro Monat 100.000 Tonnen sortierte Schrotte und Altmetalle umgeschlagen. Duisburg ist weltweit der Stahlstandort Nummer eins. Entsprechend groß ist mit einem Anteil von 20 Prozent auch Stahl am Umschlag des weltweit größten Binnenhafens. 5,8 Millionen Tonnen waren dies im vergangenen Jahr, ein Plus von neun Prozent. Etwa die Hälfte der in Deutschland pro Jahr beförderten 80 Millionen Tonnen Stahl wird indessen über die Bahn transportiert. Damit ist die Stahlindustrie der größte Kunde der Bahn. 90 Prozent befördert die Bahn-Tochter Railon, zehn Prozent läuft über deren Wettbewerber.

Engpässe überwunden

"Stahlmarkt und Logistik sonnen sich im Konjunkturhoch", sagt Dieter Lindenblatt. Der Chef der Verkehrswirtschaft des größten deutschen Stahlkonzerns ThyssenKrupp Steel glaubt aber, dass sich die Transportwirtschaft fast einen "Sonnenbrand" geholt hätte. Zu spät erst habe etwa die Bahn sich auf die wachsenden Bedürfnisse ihres größten Kunden eingestellt. Zum Glück habe Railon inzwischen erkannt, dass die Schienenlogistik an die Grenze gestoßen sei. Bis Ende des kommenden Jahres wolle das Unternehmen 2400 zusätzliche Waggons in den Verkehr nehmen. Vom Jahr 2010 an sei der Bau von weiteren 1600 Wagen pro Jahr geplant. Die Stahlindustrie hatte die Kapazitätslücke auf zuletzt 3200 Spezialwaggons geschätzt und die Sorge geäußert, dass der Wagenmangel zu schweren Störungen in der Logistik und sogar zu ernsten Problemen bei der Rohstoffversorgung und auch bei der Belieferung der Stahlkunden führen könne.

Im internationalen Schiffsverkehr habe sich die Lage nach den Engpässen im vergangenen Jahr inzwischen etwas entspannt, sagt Lindenblatt. Die Frachtkosten für die Spezialschiffe, die von 12.000 Dollar auf 90.000 Dollar am Tag hochgeschnellt seien, hätten sich inzwischen auf 60.000 bis 70.000 Dollar eingependelt. Immer noch sei es aber teuer, kurzfristig Schiffsraum zu buchen. Thyssen-Krupp zimmert bereits heute an der "Architektur" für den Transport von Stahlblöcken aus der derzeit in Brasilien gebauten neuen Stahlhütte. Das Werk, das im Frühjahr 2009 in Betrieb gehen soll, wird auf die Produktion von zunächst fünf Millionen Tonnen Stahlblöcke ausgelegt. Davon sollen drei Millionen Tonnen in den USA und zwei Millionen in Deutschland zu Stahlprodukten weiterverarbeitet werden. Zum Transport der Stahlblöcke werden fünf bis zehn Spezialschiffe kontinuierlich Häfen in den USA und Europa anlaufen.

© SZ vom 3.4.2008/jkf/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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