Stahl:Kampf der Giganten

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Die Stahlgeschäfte florieren weltweit, die Macht um die Rohstoffe wird neu verteilt und die europäische Klimaschutzpolitik fordert ihren Tribut. Die deutschen Stahlkonzerne kommen unter Druck.

Hans-Willy Bein

Die ersten Oktober-Tage sind im Terminkalender der Chefs aller wichtigen Stahlkonzerne blockiert. In diesem Zeitraum veranstaltet der Weltstahlverband IISI traditionell die Weltstahlkonferenz. Im vergangenen Jahr war der deutsche Stahlverband Gastgeber. ''Steel in Motion'' - Stahlmärkte in Bewegung: Unter dieses Motto hatten die Veranstalter das internationale Branchentreffen in Berlin gestellt. Auch in diesem Jahr tritt der deutsche Stahlverband unter diesem Leitspruch auf Fachkonferenzen an, allerdings versehen mit dem Zusatz ''Zuversicht trotz erhöhter Risiken''.

EU Klimaschutzpolitik: bislang kostenlose CO2-Zertifikate, sollen in Zukunft versteigert werden. (Foto: Foto: DDP)

Die weltweite Nachfrage bleibt ungebremst

''Die Dynamik der internationalen Märkte bleibt hoch, aber seit dem Jahreswechsel ziehen Wolken am Stahlhorizont auf'', sagt Dieter Ameling, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl in Düsseldorf. Er verweist auf die Eintrübung der ''gesamtwirtschaftlichen Großwetterlage'', den massiven Ausbau der Rohstahlproduktion in China, stark steigende Rohstoffpreise und die scharfe Klimaschutzpolitik in Brüssel. In den nächsten Monaten können diese Risiken der Stahlkonjunktur aber offenbar nichts anhaben.

So erwartet Stahlpräsident Ameling, dass die Rohstahlproduktion in diesem Jahr in Deutschland mit mehr als 48 Millionen Tonnen auf dem Rekordniveau des vergangenen Jahres bleibt. Weltweit floriert das Stahlgeschäft ohnehin. 2007 erreichte die Weltproduktion mit 1,34 Millionen Tonnen zum fünften Mal in Folge ein Plus von mehr als sieben Prozent. Pricewaterhouse Coopers (PwC) rechnet auch für die nächsten Jahre nicht mit einem Ende des Booms. Allerdings wird sich das Wachstum nach Einschätzung des Beratungsunternehmens mittelfristig auf 4,6 Prozent pro Jahr abschwächen. Bis 2020 dürfte die Stahlverwendung auf 2,2 Millionen Tonnen weltweit anschwellen, schätzt PwC-Stahlexperte Pierre Mangers.

Deutsche Stahlkonzerne planen Preiserhöhungen

Auch der deutsche Branchenführer Thyssen-Krupp erwartet für die nächsten Monate keine nennenswerte Beeinträchtigung der glänzenden Geschäfte. Vielmehr habe der Importdruck aus China zuletzt spürbar nachgelassen, sagte Jost Massenberg, Stahlvorstand von Thyssen-Krupp. Der Salzgitter-Konzern, die Nummer zwei der Branche, ist für dieses Jahr ebenso ''zuversichtlich'' eingestellt.

Thyssen-Krupp, Salzgitter und auch der weltweite Branchenprimus Arcelor Mittal schätzen die Nachfrage so robust ein, dass sie die deutlich höheren Rohstoff- und Energiekosten an ihre Abnehmer abwälzen können. Bereits zum April haben die Konzerne satte Preiserhöhungen angekündigt, die bei Thyssen-Krupp je nach Produkt zehn bis 15 Prozent oder bis zu 100 Euro die Tonne ausmachen. Für Juli plant der Konzern bereits eine weitere Anhebung. ''Stahl wird ein immer wertvollerer Werkstoff, hierauf muss sich der Markt einstellen'', sagte Thyssen-Krupp-Vorstand Massenberg in der vergangenen Woche auf einer Stahlkonferenz in Düsseldorf.

Wenige Rohstoffkonzerne beherrschen den weltweiten Markt

Sorgen bereitet der gesamten Stahlindustrie der Zusammenschluss zu immer mächtigeren Rohstoffkonzernen. So plant der australische Branchenprimus BHP Billiton die Übernahme des größten Konkurrenten Rio Tinto. Kommt es dazu, würden zusammen mit der brasilianischen CVRD 70 Prozent des Eisenerz-Weltmarktes von zwei Anbietergruppen kontrolliert. Grund genug für die Stahlindustrie, bei der EU den Antrag zu stellen, mit Hilfe der Fusionskontrollverordnung gegen die Pläne vorzugehen.

Bereits jetzt nutzen die Rohstoffkonzerne ihre mächtige Position. Allein in diesem Jahr wurden die Preise für Eisenerz, neben dem Brennstoff Koks wichtigster Stoff für die Stahlproduktion, um 66 Prozent angehoben. Dazu kommen höhere Bezugskosten für die Kohle. Da diese Rohstoffe in Dollar notiert werden, wird die Teuerung durch den starken Euro etwas gemildert.

China heizt die Nachfrage an und kassiert Anti-Dumping-Klagen

Motor für den weltweiten Stahlboom ist nach wie vor das schnelle Wirtschaftswachstum Chinas. Doch diese Dynamik schockt inzwischen die westliche Stahlwelt. Im Jahr 1997 bereits löste China mit damals 101 Millionen Tonnen Japan als größten Stahlerzeuger ab. Um die Jahrtausendwende produzierte das Land noch 152 Millionen Tonnen Stahl, im vergangenen Jahr waren es schon knapp 489 Millionen.

Führte China vor drei Jahren noch Stahl ein, drängen inzwischen immer mehr Produzenten des Landes in den Export. Schon Ende Oktober zog der europäische Stahlverband Eurofer die Reißleine und reichte Anti-Dumping-Klagen gegen China, Südkorea und Taiwan für bestimmte Bleche ein. Nach Darstellung des Verbandes sind die China-Lieferungen in die EU in den vergangenen vier Jahren um 3300 Prozent hochgeschnellt. China, Taiwan und Südkorea wird vorgeworfen, mit den Exportpreisen die Herstellpreise oder die Preise auf dem Heimatmarkt um bis zu 40 Prozent zu unterschreiten.

Allein die Anti-Dumpig-Drohungen hätten die Chinesen bewogen, ihre Exporte zu drosseln, glaubt Stahlpräsident Ameling. Er rechnet damit, dass der Exportüberschuss des Landes von mehr als 50 Millionen Tonnen 2007 in diesem Jahr auf weniger als 40 Millionen sinken wird.

In Zukunft sollen die CO2-Zertifikate versteigert werden

Harsch geht die Stahlindustrie mit der Klimaschutzpolitik der EU ins Gericht. Der Standort Deutschland sei ''massiv gefährdet'', beklagt die Branche. Die Pläne der EU-Kommission zum Emissionshandel würden Belastungen verursachen, die im internationalen Wettbewerb durch Rationalisierungen und Einsparungen nicht wettzumachen seien, wettert Massenberg. Er bezifferte die Mehrbelastung allein für Thyssen-Krupp für das Jahr 2020 auf etwa eine Milliarde Euro. Stahlpräsident Ameling gab die Zusatzkosten für alle deutschen Hüttenwerke mit 2,3 Milliarden Euro an.

Die größte Gefahr sieht Ameling im geplanten Einstieg in die Versteigerung der CO2-Zertifikate, die bislang kostenlos zugeteilt wurden. Inzwischen scheint das Rennen in Brüssel indessen wieder offen zu sein. Industriekommissar Günter Verheugen plädiert für Ausnahmen für die von einer Verschärfung des Emissionshandels am stärksten betroffenen Branchen. Die energieintensiven Industrien müssten auch künftig in dem Umfang CO2-Zertifikate zugeteilt bekommen, in dem sie ihren Ausstoß an Kohlendioxid nach dem neuesten Stand der Technik nicht mehr reduzieren könnten, fordert der Kommissar.

© SZ vom 12.03.2008/sme - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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