Städtebau:So will die Regierung das Bauen leichter machen

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Blick über Hamburg: Die Pläne der Bundesregierung würden die deutschen Städte verändern. (Foto: dpa)
  • Die Bundesregierung hat ein neues Gesetz verabschiedet, das Städteplanern mehr Freiheiten gibt.
  • In Zukunft soll es zum Beispiel einfacher werden, Wohnungen in der Nähe von lärmenden Firmen zu bauen.
  • In vielen Großstädten sind die Mietpreise stark gestiegen und das Bauland ist knapp. Die neuen Flächen sollen dieses Problem lindern.

Von Michael Bauchmüller und Benedikt Müller, Berlin/München

Die Bundesregierung räumt die Städte frei. Am Mittwoch hat das Bundeskabinett ein Gesetz "zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt" verabschiedet. Es soll den Stadtplanern erlauben, auch bisherige Tabuzonen bebauen zu lassen, etwa Mischgebiete mit vielen Gewerbebetrieben. "Viele Städte sind am Limit", sagt Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD). Deswegen will die Regierung das Limit nun verschieben - mit dem neuen "urbanen Gebiet".

Wie soll ein urbanes Gebiet aussehen?

Bisher kennt die Baunutzungsverordnung zehn verschiedene Gebietstypen. Da gibt es die reinen Wohngebiete und die Mischgebiete, die Dorfgebiete und die Kerngebiete. Zwar ist es in Mischgebieten heute schon erlaubt, dass Wohnhäuser, Büros und Läden nebeneinanderliegen - allerdings dürfen die Gewerbebetriebe "das Wohnen nicht wesentlich stören". Diese Einschränkung verhindert bisweilen, dass neue Wohnhäuser neben Gewerbegebieten entstehen, obwohl dort genug Platz wäre.

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Im urbanen Gebiet soll die Lärmobergrenze nun drei Dezibel höher als im Mischgebiet sein. Die Umgebung der Häuser darf also lauter sein. Außerdem dürfen die Grundstücke in einem urbanen Gebiet dichter und höher bebaut werden als in klassischen Wohngebieten. Anders als im Mischgebiet muss das Verhältnis aus Wohnen und Arbeiten nicht gleich sein. Wohnungen dürfen im urbanen Gebiet auch dort entstehen, wo überwiegend Gewerbe angesiedelt ist.

Wie entsteht so ein Gebiet?

Es ist Aufgabe der Kommunen, Baugebiete einzustufen. Mit dem neuen Gesetz können die Städte zusätzliches Bauland ausweisen, wo der Wohnungsbau bislang nicht erlaubt wäre. Zudem können die Kommunen beispielsweise Gebiete mit leer stehenden Bürohäusern in urbane Gebiete umwidmen. Das macht es leichter, alte Gewerbeimmobilien in Wohnhäuser umzubauen. Beides soll vor allem Großstädten nutzen, in denen die Mietpreise stark gestiegen sind und Bauland knapp ist. Neue Flächen sollen das Problem lindern.

Was bedeutet das für die Bewohner?

Das urbane Gebiet klingt schön und modern, muss es aber nicht sein. Das Bauministerium selbst wirbt mit einem kurzen Weg zwischen Wohnung und Arbeitsplatz, den die gewerblich geprägte Nachbarschaft mit sich bringe. Für jene, die zufällig im urbanen Gebiet eine Arbeit finden, mag das zutreffen. Faktisch aber würden neue Wohnungen auch in Gegenden entstehen, die bisher als Wohngebiete wenig attraktiv waren. Allerdings könnten Großstädte auch ihre bisherigen Kerngebiete im Zentrum umwidmen. Diese sollten bislang vor allem Läden, Kneipen, Ämter oder Theater beherbergen - mit der Folge, dass nach Ladenschluss dort die Bürgersteige hochgeklappt werden. Mit mehr neuen Wohnungen könnte es dort lebhafter werden.

Dem Bauministerium jedenfalls schwebt das Leitbild der "funktionsgemischten nachhaltigen europäischen Stadt" vor, wie es die Bauminister der EU einst im Jahr 2007 ersannen. Das Kabinett lockerte deshalb am Mittwoch auch die Vorgaben für Sportanlagen: Abends und in der Mittagsruhezeit von Sonn- und Feiertagen darf es dort nun um fünf Dezibel lauter zugehen als bislang. Das soll auch verhindern, dass in Städten neue Konflikte entstehen, etwa in der Umgebung von Sportplätzen. "Die dichter werdende Stadt soll nicht auf Kosten des Sports wachsen", sagt Hendricks.

Und was soll das Ganze?

Bauwirtschaft und Bundesregierung argumentieren, der Staat müsse neue Anreize für den Wohnungsbau setzen, um der wachsenden Nachfrage in vielen Städten zu begegnen. Je nach Lesart müssten jährlich zwischen 350 000 und 400 000 neue Wohnungen entstehen. Rechtliche Vorgaben gelten da als ein Hemmnis.

Das Gesetzespaket vom Mittwoch nimmt sich allerdings auch anderer Probleme an, etwa der sogenannten Rollladen-Siedlungen. Das sind Häuser in touristisch attraktiven Regionen etwa an der Nordsee, in denen sich die Rollläden nur im Sommer heben, weil ihre Bewohner den Rest des Jahres an ihrem Hauptwohnsitz verbringen. Gemeinden sollen künftig per Satzung Auflagen für solche Gebäude machen können.

Städte und Immobilienwirtschaft begrüßen den Vorstoß aus Berlin. Der Verband Zentraler Immobilien-Ausschuss (ZIA) hofft, dass der Wohnungsbau nun die Potenziale vieler Innenstädte besser ausschöpfen kann. "Das urbane Gebiet ist dafür elementar", sagt ZIA-Präsident Andreas Mattner. Die Mischung aus Wohnen, Arbeiten und kulturellen Einrichtungen biete neue Möglichkeiten für die Stadtentwicklung "aus dem Inneren heraus".

Lob kommt auch vom Deutschen Städtetag. "So können wir in Zukunft leichter Voraussetzungen beispielsweise für dringend benötigte neue Wohnungen schaffen", sagt Städtetagspräsidentin Eva Lohse, die auch Bürgermeisterin von Ludwigshafen ist. Ein Baustein allerdings fehle noch: Die Städte würden gerne per Bauleitplanung Lärmschutzfenster auferlegen können - "als geeignetes Mittel gegen Gewerbelärm".

© SZ vom 01.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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