Staatsfinanzen:Auf griechischer Mission

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Ein harter Job für die ehemalige US-Diplomatin: Natalie Jaresko wacht nun über die Finanzen der Ukraine. (Foto: Andrew Kravchenko/dpa)

Finanzministerin Natalie Jaresko versucht, die Ukraine vor dem Bankrott zu retten. Einfach ist das nicht: Im Haushalt fehlen 40 Milliarden Dollar - fast ein Drittel einer jährlichen Wirtschaftsleistung.

Von Florian Hassel, Kiew

Ein Ringen um Milliarden und verschleppte Reformen, eine Wirtschaft im freien Fall und ein unnachgiebiger Finanzminister - wer diese Stichworte hört, dem fällt zuerst Griechenlands Kassenwart Yanis Varoufakis und sein Ringen mit Europas Regierungen ein.

Ein anderes, wohl mindestens ebenso wichtiges Ringen aber interessiert paradoxerweise nur Spezialisten: das der Ukraine um ihr wirtschaftliches Überleben in Zeiten des Krieges.

Auch die Ukraine hat einen Finanzminister mit eigenem Profil: Natalie Jaresko, ehemalige US-Diplomatin, Leiterin der Wirtschaftsabteilung der US-Botschaft in Kiew und später Chefin eines Investmentfonds in Kiew - bevor Präsident Petro Poroschenko sie Ende 2014 zur neuen Finanzministerin machte. Jareskos erste Aufgabe: sich mit dem Internationaler Währungsfonds (IWF) auf neue Kredite zu einigen und die vom Krieg gegen Russland und seine Platzhalter in der Ostukraine erschütterte Ukraine vor dem Bankrott zu retten. Allein bis 2018 (so der IWF) klaffte im ukrainischen Haushalt ein Loch von 40 Milliarden Dollar - fast ein Drittel seiner jährlichen Wirtschaftsleistung.

Das Kreditpaket kam: Im Februar sagten der IWF und mehrere Regierungen Kiew Kredite von knapp 25 Milliarden Dollar für die nächsten vier Jahre zu. Für den reibungslosen Ablauf des Programmes und die für den 15. Juni geplante Freigabe der nächsten, für Kiew wichtigen Rate von 1,7 Milliarden Dollar machte der IWF freilich neben umfangreichen Reformen auch zur Bedingung, dass die Ukraine sich mit privaten Gläubigern auf eine Umschuldung oder Kürzung der Auslandsschulden einigt. Hier geht es um weitere insgesamt 23 Milliarden Dollar. Seit März verhandelt Jaresko mit einer Gruppe internationaler Anlagefonds, die allein ukrainische Anleihen im Wert von neun Milliarden Dollar halten - bisher ergebnislos.

Die Gruppe, geführt von der US-Gesellschaft Franklin Templeton, möchte gern einen Haircut vermeiden - also eine Kürzung des Wertes der Anleihen, so wie ihn Anleger zuvor etwa in Griechenland akzeptieren mussten. Die Anlegergesellschaften bieten bisher nur an, Zins- und Rückzahlungen von Anleihen für vier Jahre auszusetzen und auch danach Anleihen zusammenzufassen und Laufzeiten zu verlängern. Dies würde der Ukraine in den nächsten vier Jahren zwar Ausgaben von 15,8 Milliarden Dollar sparen, aber nicht die Schulden als solche verringern. Finanzministerin Jaresko dagegen besteht nicht nur auf einem Haircut.

Jaresko passt auch nicht, dass die Fondsgesellschaften verlangen, bereits 2019 und 2020 wieder mit insgesamt acht Milliarden Dollar aus den Reserven der Nationalbank bedienen zu werden. Dies widerspreche ukrainischem Gesetzen, erklärte das Finanzministerium nach einer weiteren ergebnislosen Verhandlungsrunde per Telekonferenz. Zudem sind die Devisenreserven der Ukraine ohnehin stark geschrumpft - auf zuletzt 9,6 Milliarden Dollar. Jetzt verhandelt Jaresko seit Montag dieser Woche in Washington mit Gläubigern und IWF über eine Einigung in letzter Minute.

Selbst wenn dies gelingt - ein anderer, noch unnachgiebigerer Verhandlungspartner steht bereit. Im Dezember muss Kiew eine Anleihe von drei Milliarden Dollar an Russland zurückzahlen - Geld, das der Kreml Kiew noch zu Zeiten des von Moskau gestützen Präsidenten Wiktor Janukowitsch bewilligte. Für den Fall, dass Kiew die Anleihe nicht rechtzeitig zurückzahlt, kündigte Premierminister Dmitrij Medwedew bereits an, "eine so harte Position wie möglich" einzunehmen.

Die schwere Krise hätte, so sollte man meinen, die Ukraine beflügeln sollen, zahlreiche verschleppte Reformen mit Hochdruck endlich voranzutreiben. Doch spürbare Erfolge sind bisher ebenso rar wie in Griechenland, wo schmerzhafte Reformen ebenfalls verschleppt werden. Immer noch ist Korruption im Verwaltungsapparat der Ukraine notorisch, gibt es kaum Fortschritte bei der Privatisierung Hunderter verlustbringender Staatsunternehmen, ist das Steuersystem hoch kompliziert und uneffektiv. Die Mängelliste führt der US-Ukraine Business Council nun in einem neuen Bericht auf.

© SZ vom 10.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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