Staatsanwaltschaft ermittelt:Greifswalder Netzwerk

Wilhelm Schelsky, Beschuldigter in der Siemens-Affäre und langjähriger Bundesvorsitzender der Betriebsräteorganisation AUB, hat offenbar mehr CDU-Politiker im Wahlkampf gesponsert als bisher bekannt.

K. Ott und U. Ritzer

Den Mann, der ihm so großzügig geholfen haben soll, 2001 Oberbürgermeister von Greifswald zu werden, will Arthur König damals noch gar nicht gekannt haben. Auch von einer Wahlkampfspende Wilhelm Schelskys zu seinen Gunsten wisse er "überhaupt nichts", sagt der CDU-Politiker. 1500 Plakate und 40.000 Handzettel mit dem Konterfei des Christdemokraten und der Aufschrift "Dr. Arthur König Oberbürgermeisterwahl" sollen nach den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth von Schelsky finanziert worden sein. Es geht um eine Summe von 8000 Euro. Von jenem Mann, der in Zusammenhang mit den Siemens-Affären seit anderthalb Jahren in Untersuchungshaft sitzt, in Kürze auf der Anklagebank des Nürnberger Landgerichtes Platz nehmen soll und der jahrzehntelang Bundesvorsitzender der Betriebsräteorganisation AUB gewesen war.

Staatsanwaltschaft ermittelt: Wilhelm Schelsky, langjähriger AUB-Bundesvorsitzender

Wilhelm Schelsky, langjähriger AUB-Bundesvorsitzender

(Foto: Foto: oH)

Arthur König ist offenbar kein Einzelfall. Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth soll Schelsky in weit größerem Umfang als bislang bekannt CDU-Politiker in Mecklenburg-Vorpommern gesponsert haben. Das Geld soll aus jenen 50 Millionen Euro stammen, die Siemens ihm überlassen hat, um die AUB als arbeitgeberfreundliches Gegengewicht zur IG Metall aufzubauen. Schelsky lebte eigentlich in Franken. In den Jahren vor seiner Festnahme im Februar 2007 hatte er sich aber in Greifswald nahe der Ostsee ein dichtes geschäftliches, privates und verbandspolitisches Netzwerk geknüpft.

Größter Nutznießer von Schelskys Großzügigkeit war nach Erkenntnissen der Nürnberger Ermittler der Greifswalder Bundestagsabgeordnete Ulrich Adam. Er ist zugleich stellvertretender CDU-Landesvorsitzender und gilt als Vertrauter von Bundeskanzlerin Angela Merkel, deren Wahlkreis an seinen grenzt. Als im April bekannt geworden war, dass Schelsky Adams Wahlkämpfe mit Sachspenden kräftig mitfinanziert hat, trat der CDU-Mann die Flucht nach vorn an.

Nicht versteuert, nicht gemeldet

Adam gestand die Zuwendungen und räumte ein, sie weder versteuert, noch ordnungsgemäß dem Bundestagspräsidenten gemeldet zu haben. Seitdem lässt er sein Amt als stellvertretender Vorsitzender der CDU in Mecklenburg-Vorpommern ruhen. Während Nürnberger Justizkreise Schelskys Wahlkampfhilfe zunächst auf 110.000 Euro taxierten, beharrt Adam bis heute darauf, es seien lediglich 60.000 Euro gewesen. So soll er es Bundestagspräsident Norbert Lammert in einem fünfseitigen Brief geschrieben haben. Nun sieht es allerdings so aus, als wäre es mehr als doppelt so viel gewesen. Auf 131.000 Euro addiert die Staatsanwaltschaft in ihren Ermittlungsakten die Zuwendungen für Adam, die Schelsky über die Konten seiner Unternehmensberatungsfirma mit den Nummern 4613 ("Druckkosten") und 4611 ("Werbungskosten") bezahlt habe.

Allein Adams Bundestagswahlkampf 2002 soll seinem Freund und Gönner Schelsky 106.000 Euro wert gewesen sein. Mehr als die Hälfte dieser Summe hätten Faltkarten, Wahlprospekte und andere Drucksachen mit dem Konterfei des CDU-Politikers gekostet, steht in den Akten.

Kugelschreiber und Feuerzeuge

Der Rest soll für Kleinkram draufgegangen sein, wie ihn Wahlkämpfer gerne mit ihrem Namenszug und dem Logo ihrer Partei unters Volk werfen: Jeweils 15000 Kugelschreiber und Einkaufswagen-Chips, 16.000 Feuerzeuge und 10.500 "Super-Mini-Klack-Dosen". Auch beim vorgezogenen Bundestagswahlkampf 2005 ließ sich Schelsky offenbar nicht lumpen. Diesmal soll er Adam Kugelschreiber und Einkaufswagenchips, Bonbons und Kandidatenfotos sowie 100.000 Flugblätter spendiert haben.

Lesen Sie weiter, warum das Verfahren in Hof geführt wird.

Greifswalder Netzwerk

Warum Adam trotz dieser detaillierten Ermittlungsergebnisse nach wie vor lediglich Sachspenden im Gegenwert von 60.000 Euro einräumt, ist ein Rätsel, das er öffentlich nicht auflösen will. Er gebe derzeit keine Stellungnahme ab, ließ er ausrichten. Schließlich laufe gegen ihn ein Verfahren.

Tatsächlich ermittelt die Staatsanwaltschaft in Hof gegen den Abgeordneten wegen Steuerhinterziehung, wie ihr Leiter Gerhard Schmitt auf Anfrage bestätigte. Die Behörde untersucht, ob der Abgeordnete Adam für Schelskys Zuwendungen Schenkungssteuer hätte bezahlen müssen. In Hof wird das Verfahren geführt, weil hier das für Gönner Schelsky zuständige Finanzamt ansässig ist. Ob für die Ermittlungen Adams Immunität als Abgeordneter aufgehoben wurde oder noch wird, mochte ein Sprecher der Bundestagsverwaltung nicht sagen. "Wir geben dazu keine Erklärungen ab", hieß es. Ähnlich zugeknöpft ist man auch, was etwaige Konsequenzen für Adam angeht. Mitte Juni hatte es geheißen, das Bundestagspräsidium werde kein Verfahren gegen Adam einleiten, weil Schelskys Sachspenden in früheren Legislaturperioden gelegen hätten. Es gelte ein "Rückwirkungsverbot", das nachträgliche Sanktionen ausschließe.

Angesichts der aktuellen Zahlen aus Nürnberg sagte ein Parlamentssprecher nun allerdings, das Verfahren in Sachen Adam sei "noch nicht abgeschlossen". Gut möglich, dass nicht nur dessen persönliche Wahlkampffinanzierung, sondern auch die Spendenpraxis im CDU-Landesverband Mecklenburg-Vorpommern untersucht werden muss. Ende April hatte die Schweriner Parteizentrale bekanntgegeben, dass Wilhelm Schelsky der CDU des nordostdeutschen Bundeslandes insgesamt 39000 Euro habe zukommen lassen. Diese seien ordnungsgemäß in den Rechenschaftsberichten der Partei für die Jahre 2005 und 2006 erfasst und veröffentlicht worden. "Darüber hinaus gab es keine Spenden von Herrn Schelsky an den CDU-Landesverband", sagte dessen Landesgeschäftsführer Klaus-Dieter Götz.

Das vor wenigen Wochen wiedergewählte Greifswalder Stadtoberhaupt König sagte, "nie eine persönliche Schenkung von Herrn Schelsky erhalten" zu haben. Sein Wahlkampf des Jahres 2001 sei "über ein CDU-Parteikonto finanziert worden, auf das ich keinen Zugriff hatte." Wenn das stimmt und die Nürnberger Ermittler nicht irren, drängt sich die Frage auf, ob und wo die 8000 Euro von Schelsky für Arthur Königs Plakate und Faltblätter dann verbucht wurden.

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