Bahntickets:Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Ticket-Portal

Bahntickets: Bei ungültigen Tickets kann die Bahn den Fahrpreis in Rechnung stellen.

Bei ungültigen Tickets kann die Bahn den Fahrpreis in Rechnung stellen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Das Online-Portal "Bahnheld.com" verkauft vermeintlich günstige Fahrscheine - angeblich für einen guten Zweck.
  • Verbraucher sollten aufpassen. Die Bahn kann ihnen den Fahrpreis nachträglich in Rechnung stellen.

Von Benedikt Müller

Es sind verlockende Angebote, die das Portal "Bahnheld.com" den Reisenden macht: Wer beispielsweise diesen Freitagabend mit dem Zug von München nach Berlin fahren will, kann bei Bahnheld noch für 51 Euro eine ICE-Fahrkarte kaufen. Die Deutsche Bahn bietet für denselben Abend keinen Sparpreis mehr unter 85 Euro an. Auf anderen Strecken dasselbe Bild: Solange man mindestens 24 Stunden vorher bucht, gewährt Bahnheld bis zu 50 Prozent Rabatt auf jegliche Bahn-Tarife.

Doch was wie ein Geheimtipp klingt, ist offenbar betrügerisch. Gegen die Betreiber der Plattform laufen Ermittlungen wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen bandenmäßigen Computerbetrugs. Das hat die Generalstaatsanwaltschaft Berlin der Süddeutschen Zeitung bestätigt. Die Ermittler vermuten, dass die Betreiber Fahrkarten "unter missbräuchlicher Verwendung von Kreditkarten-Daten erlangen" und weiterverkaufen würden, sagt ein Sprecher. Bahnheld weist die Vorwürfe zurück. "Es handelt sich hierbei um nicht bewiesene Vermutungen", teilt der Geschäftsführer per Mail mit, der laut Impressum Bernard Thill heißt. "Man stützt sich auf stupide Behauptungen."

Alles für den guten Zweck - angeblich

Nach eigenen Angaben löst die Plattform Freifahrt-Gutscheine ein, die Bahn-Kunden etwa nach Zugausfällen erhalten hätten, aber nicht selbst nutzen wollten. Stattdessen spendeten sie die Gratisfahrten an Bahnheld. Deshalb könne das Portal die Tickets so günstig verkaufen - angeblich für einen guten Zweck. "Die Erlöse von Bahnheld werden komplett an Spendenorganisationen gespendet", verspricht die Webseite. Dort prangen die Markenzeichen der angeblichen Spendenziele: SOS-Kinderdörfer, Unicef und WWF.

Tatsächlich arbeiten aber weder die Spendenorganisationen noch die Deutsche Bahn mit Bahnheld zusammen. Unicef habe bislang keine einzige Spende von der Plattform erhalten und prüfe rechtliche Schritte wegen der Verletzung seiner Markenrechte, sagt ein Sprecher. Der WWF hat bereits einen Anwalt eingeschaltet. Bahnheld gibt auf SZ-Anfrage zu, das Portal habe noch keine Spende getätigt, weil zunächst Werbe- und Personalkosten beglichen werden müssten. Der vermeintliche Herr Thill verspricht aber: "Die Erlöse werden gegen Ende unserer Aktion die Spendenorganisation erreichen."

Die rechtlichen Schritte der Staatsanwaltschaft und der Organisationen laufen bislang ins Leere. "Es konnten noch keine Verantwortlichen ausfindig gemacht werden", heißt es bei den Berliner Ermittlern. Hinter Bahnheld steckt die Firma Next Solutions Online, die laut dem Impressum in einer Luxemburger Gemeinde ihren Sitz hat. Doch im Handelsregister ist das Unternehmen nicht zu finden, genauso wenig Geschäftsführer Thill. Dieser kommuniziert mit der Außenwelt nur per Mail oder in den sozialen Netzwerken, wo die Plattform fleißig für sich wirbt.

Bei der Bahn entstehen Schäden in Millionenhöhe

Legal Sparen

Dass es auch legale Wege gibt, günstig mit der Bahn zu reisen, will der Konzern zurzeit mit mehreren Sonderangeboten beweisen. Noch bis Mitte Dezember verkauft die Bahn eine begrenzte Anzahl von IC-, EC- und ICE-Fahrten zwischen Großstädten für 19 Euro. Wer nicht an einem Fernverkehrsbahnhof wohnt, muss die erste Etappe mit Regionalzügen dann aber zusätzlich bezahlen.

Wer eher spontan mit dem Zug verreisen will, findet bei der Deutschen Bahn selbst meist keine Schnäppchen mehr. Das Unternehmen arbeitet allerdings mit über 40 Plattformen im Internet zusammen, beispielsweise mit Vergleichsportalen für Fernbus- Reisen. Dort lanciert die Bahn kurzfristige Spezial-Preise für Fahrten in den nächsten Tagen, die bei Bahn.de oder an den Fahrkarten-Automaten nicht zu finden sind. Mit diesen Angeboten will das Unternehmen eine junge Zielgruppe ansprechen, die ihre Reisen in erster Linie auf Vergleichsportalen plant und bucht. Die Bahn reagiert damit auf die Konkurrenz durch Fernbus-Anbieter. Reisende sollten aber nur auf Plattformen buchen, bei denen sie den ganzen Prozess von der Auswahl eines Zuges bis zum Erhalt der Fahrkarte selbst durchlaufen, rät die Bahn. Benedikt Müller

Bereits vor einem Jahr waren mehrere Betrugsfälle mit vermeintlichen Bahn-Schnäppchen bekannt geworden. Beispielsweise hatten drei Computerfreaks Fahrkarten auf Portalen wie Mitfahrzentrale oder Bla-Bla-Car unter falschem Namen angeboten. Hatte sich ein Käufer gefunden, buchten die Täter die gewünschte Fahrkarte mit den persönlichen Daten des Reisenden, aber mit gestohlenen Kreditkarten-Daten. Entsprechende Datensätze hatte das Trio illegal im Internet gekauft. Es richtete mehr als 130 000 Euro Schaden an, der Anführer musste wegen gewerbsmäßigen Betrugs ins Gefängnis.

Derartige Betrugsfälle verursachen bei der Deutschen Bahn jährlich einen Schaden in Millionenhöhe. Denn wer auf einem illegalen Portal bucht, überweist den Reisepreis nicht an die Bahn, sondern an die Betreiber der Plattform. Wenn diese mit fremden Kreditkarten bezahlen, kommt das Geld bei der Bahn entweder gar nicht an, oder das Unternehmen muss den Betrag an den geprellten Karteninhaber zurückzahlen. Bis der Bahn das auffällt, ist der Reisende aber zumeist längst an seinem Ziel angekommen und hat gar nicht gemerkt, dass er praktisch schwarzgefahren ist.

Ende 2014 hat die Bahn ihre Beförderungsbedingungen geändert, nun kann sie dem Reisenden in solchen Fällen den Fahrpreis nachträglich in Rechnung stellen. Wer bei illegalen Plattformen bucht, läuft also Gefahr, doppelt zahlen zu müssen: erst das betrügerische Schnäppchen, dann den vollen Preis an die Bahn.

Gegen manche Reisende wurde wegen Hehlerei ermittelt

Bei den Betrugsfällen vor einem Jahr hatte der Konzern den Schwindel teils rechtzeitig bemerkt und einzelne Fahrkarten gesperrt. Die Reisenden wurden aufgehalten, gegen manche wegen Hehlerei ermittelt. Auch die Täter von damals gaben an, sie könnten die Fahrkarten so günstig verkaufen, weil sie wegen hoher Verspätungen noch Gutscheine besäßen.

Diese Erklärung sei unrealistisch, warnt ein Bahn-Sprecher. Reisende, denen nach einer Verspätung eine Entschädigung zustehe, ließen sich diese "in den allermeisten Fällen" bar auszahlen. Deshalb seien nur sehr wenige übertragbare Gutscheine im Umlauf. Bahnheld behauptet per Mail, dass nur wenige Gutscheine verfügbar seien, "was das Ende unserer Aktion in nahe Zukunft rücken lässt".

Bahn und Bundespolizei warnen davor, Fahrkarten bei nicht autorisierten Stellen zu kaufen. "Bei uns steht immer der Preis, den man bezahlt hat, auf dem Ticket", sagt Kai Brandes, verantwortlich für die Zahlungsverfahren im Vertrieb der Bahn. In diesen Betrugsfällen sei das nicht so. Es sei gefährlich, seine persönlichen Daten inoffiziellen Verkäufern anzuvertrauen. So verlockend die vermeintlichen Schnäppchen auch sein mögen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: