Staaten wanken:Die nächste Welle

Die Weltwirtschaftskrise ist noch längst nicht vorbei: Für den Euro-Raum wäre eine Welle von Staats-Pleiten ein bedrohliches Szenario, denn es ginge nicht nur um ein paar Milliarden Euro.

Ulrich Schäfer

Wer glaubt, die Welt sei dabei, die Weltwirtschaftskrise allmählich zu überwinden, wird in diesen Tagen immer wieder eines Besseren belehrt. Vor zwei Wochen meldete das Emirat Dubai, dass ein Teil seiner Staatsunternehmen vor der Pleite stünde. Die Scheichs hatten sich mit gigantischen Bauprojekten übernommen, die alle auf Pump finanziert wurden. Und nun wankt Griechenland, und damit ein Land, das der Europäischen Währungsunion angehört. Von explodierenden Schulden ist die Rede, von nervösen Geldgebern und gar vom drohenden Staatsbankrott. Selbst Josef Ackermann, der als Chef der Deutschen Bank seit Wochen den Eindruck vermittelt, das Gröbste in der Krise liege hinter uns, redet nun wieder von "Zeitbomben".

Welle, dpa

"Das ist die perfekte Welle" für Wassersportler - doch die Weltwirtschaftskrise ist noch nicht ausgestanden.

(Foto: Foto: dpa)

Griechenland ist eine solche Zeitbombe, und dass sie nun zur Gefahr wird, und zwar für ganz Europa, hat einerseits mit der Weltwirtschaftskrise zu tun, andererseits auch nicht. Denn die Griechen haben es seit jeher nicht so genau genommen mit ihren staatlichen Schulden. Sie haben sich mit falschen Zahlen den Zugang zur Euro-Zone erschlichen, und sie haben auch jetzt die anderen EU-Staaten mit viel zu rosigen Defizitzahlen in die Irre geführt. Das Minus liege bei mehr als zwölf Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung, räumte die neue Regierung nun ein. Die alte Regierung, die bis vor wenigen Wochen im Amt war, hatte noch von sechs Prozent gesprochen - und selbst das wäre doppelt so viel, wie der europäische Stabilitätspakt erlaubt.

Griechenlands Schulden waren also schon immer ein gewaltiges Problem, genauso wie Dubais Bauwut auf Pump. Ein fortwährender Aufschwung hätte dies weiterhin überdeckt, in der Krise aber werden die Verfehlungen gnadenlos aufgedeckt. Die Anleger ziehen ihr Geld ab, weil sie befürchten, dass die Kreditpyramiden zusammenbrechen. Erst taumelten deswegen die Banken, nun wanken die Staaten. Eine Ratingagentur hat Griechenland bereits kräftig herabgestuft.

Griechenland ist damit noch nicht pleite, doch die Gefahr eines Staatsbankrotts ist nicht abwegig - allen Beteuerungen der Regierung zum Trotz. 25 Milliarden Euro muss Athen sich im nächsten Jahr an den Finanzmärkten leihen. Was ist, wenn die Regierung für diese Anleihen keine Käufer mehr findet? Was ist, wenn sie anschließend die Zinsen und Tilgungen ihrer übrigen Anleihen nicht mehr bedienen kann? Dann tritt jener Pleitefall ein, den der Vorsitzende der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, bislang kategorisch ausschließt. Schnell könnten die Anleger dann auch an der Solidität anderer Euro-Länder zweifeln: an Irland, Spanien oder Portugal, deren Schulden ebenfalls rasant gestiegen sind. Dann wäre die nächste Welle der Krise da, Staaten könnte es ähnlich ergehen wie den Banken: Sie verlieren jedes Vertrauen - und werden abgestraft.

Um dies zu verhindern, bleibt den EU-Staaten nichts anderes übrig, als Griechenland zu stützen. Direkte Finanzhilfen, oder gar eine Übernahme der Schulden, verbietet der EU-Vertrag. Aber die Finanzminister haben bereits vor Monaten einen geheimen Krisenplan vereinbart, um notleidenden Euro-Länder zur Seite zu springen. Wie im Fall von Lettland und Ungarn, die beide nicht dem Euro-Raum angehören, werden die EU-Finanzminister im Zweifel auch den Internationalen Währungsfonds rufen.

Der griechischen Regierung droht dann eine Art Zwangsverwaltung. Sie müsste harte Sparauflagen akzeptieren. Aber dies wäre allemal besser als eine Entwicklung, wie sie vor zehn Jahren die Schwellenländer erlebt haben. Damals kippte erst Mexiko, dann halb Asien und schließlich Russland. Für den Euro-Raum wäre eine Welle von Staats-Pleiten ein bedrohliches Szenario. Dann ginge es nicht mehr nur um ein paar Milliarden Euro. Dann ginge es auch darum, ob die Währungsunion derart gewaltige Verwerfungen aushält - und ob der Euro selber dies überlebt.

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