Sportartikelmesse Ispo:Jogi soll es richten

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Die Branche ist schlecht ins Jahr gestartet. Nun hofft sie auf Schnee und die Fußball-EM. Und darauf, dass das deutsche Team weit kommt.

Von Uwe Ritzer

MünchenWinter, die, meteorologisch betrachtet, immer später beginnen, wenn überhaupt. Schulen, die keine Skikurse mehr abhalten. Familien, die sich angesichts teilweise horrender Preise für Unterkünfte und Skipässe gut überlegen, ob sie sich den Urlaub im Schnee noch leisten können und wollen. Und dann auch noch steigende Preise für eine vernünftige Ausrüstung. Um Skifahren als Breitensport stand es schon einmal besser.

"Wir tun trotzdem alles, um Wintersport im Fokus zu halten", sagt Kim Roether, Chef des größten Sporthandelsverbundes Intersport. "Die Herausforderung ist: Wie kriegen wir junge Leute wieder auf die Skier", sagt Roethers Vorstandskollege Jochen Schnell. Momentan gelingt das noch einigermaßen. Vorausgesetzt, das Wetter spielt mit. Der milde Dezember war schuld daran, dass Skier, Skistiefel und die dazugehörige Bekleidung wie Blei bei den Händlern lagern. Mit der Januarkälte und dem Schnee in vielen Skigebieten explodierte dann aber das Geschäft. Es gibt Händler, die machten an einem einzigen der vergangenen Samstage mit Winterware und Skiausrüstung mehr Umsatz als in den anderthalb Monaten zuvor. Unterm Strich ist sogar ein Plus zum Geschäft im Vorjahr gut möglich.

Bei Branchenführer Intersport, zu dem hierzulande rund 1500 Geschäfte gehören, ist Wintersport mit einem Anteil von 15 Prozent an den 2,87 Milliarden Euro Umsatz im vergangenen Jahr immerhin die drittwichtigste Kategorie nach Outdoor und Ganzjahressportarten. Auch für die Nummer zwei am Markt, dem Handelsverbund Sport 2000 mit gut 1200 Geschäften, ist das Geschäft mit Wintersportartikeln enorm wichtig. Weswegen Sport 2000 jenen Händlern mit kurzfristigen Sonderkonditionen hilft, die unter dem schwachen Start in die Schneesaison leiden. "Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen", begründete dies Geschäftsführer Andreas Rudolf zum Auftakt der internationalen Sportartikelmesse Ispo am Sonntag in München.

"Für uns ist es eine Riesenchance, dass Menschen immer älter werden."

Das unberechenbare und dementsprechend schwierige Wintersportgeschäft ist dennoch kein Grund für den Fachhandel zu durchgreifender Klage. Im Gegenteil. Obwohl 2015 ein Jahr ohne große sportliche Höhepunkte war, welche die Massen bewegen und zu Käufen animieren konnte, melden sowohl Intersport als auch Sport 2000 Umsatzzuwächse von einem beziehungsweise 1,1 Prozent. Bei Intersport feiert man sogar das beste Jahr ohne sportliches Großereignis seit 2005.

Beide Handelsorganisationen blicken sehr optimistisch in das neue Jahr, obwohl der Markt für Sportartikel hierzulande eigentlich gesättigt sein müsste. Denn vor allem die Fußball-Europameisterschaft soll die Geschäfte ankurbeln. "Wir erwarten stabiles Wachstum", sagt Intersport-Chef Roether. "Zwei Prozent mehr Umsatz, plus einen extra Schnaps obendrauf." Sport 2000 rechnet mit drei Prozent mehr. Entscheidend wird sein, wie weit die deutsche Mannschaft bei der Fußball-EM kommen wird. Denn danach gestaltet sich der Abverkauf der Fantrikots. Aktive Kicker sind derweil gespannt, mit welchen Fußballschuh-Innovationen vor allem die beiden größten Hersteller Nike und Adidas zum EM-Turnier aufwarten. Statistisch sind etwa 9,5 von zehn hierzulande verkauften Paar Fußballschuhen von Nike oder Adidas.

Doch das Geschäft mit dem Sport läuft auch über Fußball hinaus und nichts deutet darauf hin, dass sich daran so schnell etwas ändern wird. Die Hersteller rechnen 2016 mit einem Zuwachs ihrer Geschäfte im zweistelligen Prozentbereich. Vorreiter sind die beiden dem Rest der Branche weit vorausliegenden Marktführer Nike und Adidas, die von Rekord zu Rekord eilen. "Sport bleibt ein Wachstumstreiber in der Weltwirtschaft", sagt Frank A. Dassler, Präsident des Weltverbandes der Sportartikelindustrie. Vorausgesetzt, Terroranschläge, etwa bei der Fußball-EM in Frankreich, bleiben aus.

Sport in Zusammenhang mit Fitness und Gesundheitsvorsorge gilt als ein Megatrend, vor allem in den wohlhabenden Staaten. Produkte für Fitnesstraining, Ausdauersport und für Outdoor-Aktivitäten finden nach wie vor steigenden Absatz. "Für uns ist es eine Riesenchance, dass die Menschen immer älter werden", sagt Intersport-Chef Roether. Die Geschäfte der Hersteller und Händler würden sich umso besser entwickeln, je mehr man es schaffe, "das Thema Gesundheit mit reinzupacken."

Optimismus also allenthalben in der Branche, und doch gibt es hinter den Kulissen Ärger. Mit wachsendem Unmut nimmt der Fachhandel zur Kenntnis, dass ihm vor allem die Markenhersteller mit immer mehr eigenen Shops Konkurrenz machen. Dazu muss man wissen, dass der Sportartikelhandel auch im Internetzeitalter sehr stationär geprägt ist. Nach Einschätzung von Internet-Chef Roether werden "auch in Zukunft 70 bis 80 Prozent der Umsätze" dort erwirtschaftet. Der Ausweitung von Marken-Stores will der Intersport-Händlerverbund daher nicht tatenlos zusehen.

"Wir sind da mit den Herstellern im Gespräch und versuchen gemeinsam eine mittelfristige Strategie zu entwickeln", sagt Vorstand Schnell. Sein Kollege Roether lässt schon mal die Muskeln spielen. Immerhin, sagt er, verhandele Intersport mit der Stärke von sechs Ländern heraus "auf Augenhöhe" mit den Nikes, Adidas und Pumas dieser Welt. Denn durch Übernahmen der vergangenen Jahre gehören zu Intersport Deutschland auch mehr als 400 Geschäfte in Österreich, Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Polen.

Blick in eine Intersport-Filiale in Bamberg. (Foto: David Eibner/dpa)
© SZ vom 25.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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