Spitzelaffäre der Telekom:Ein Dorn im Auge

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In der Spitzelaffäre der Telekom wurde niemand so konsequent ins Visier genommen wie ein "Capital"-Redakteur. Auch der anschließende Rechtsstreit dauerte ungewöhnlich lange.

H. Leyendecker und K. Ott

Ein gutes halbes Jahr, nachdem René Obermann Vorstandschef der Deutschen Telekom geworden war, sprach ihn im August 2007 ein Mitarbeiter aus der Sparte T-Mobile an.

Kameras bei der Zentrale der Deutschen Telekom in Bonn. Das Gebäude wird streng überwacht. Ähnlich erging es auch einigen kritischen Journalisten. (Foto: Foto: dpa)

Er informierte den Chefmanager über einen heiklen Vorgang. Die Sicherheitsabteilung des Konzerns habe die Verbindungsdaten des Capital-Redakteurs Reinhard Kowalewsky ausgewertet, um festzustellen, mit welchem Aufsichtsrat der Wirtschaftsjournalist wann und wie lange telefoniert hatte. Der Mann von Capital hatte den Vorstand mit Geschichten über vertrauliche geschäftliche Vorgänge genervt.

Am nächsten Tag schon schaltete Obermann den Chefjustiziar und den Leiter Wirtschaftsrecht ein und bat die beiden, sofort Ermittlungen aufzunehmen. Der Sicherheitsbereich wurde kurz darauf komplett umstrukturiert, Kompetenzen wurden neu aufgeteilt und Mitarbeiter versetzt. Auch erarbeitete der Telefonkonzern einen neuen Verhaltenskodex.

Telekom ging von Einzelfall aus

Nur Kowalewsky wurde über die Ausspähung nicht informiert. Die Telekom sei zunächst von einem Einzelfall ausgegangen, erklärte Obermann später. Die Späher hatten herausgefunden, dass der Redakteur mit dem damaligen Aufsichtsrat Wilhelm Wegner telefoniert hatte.

Erst als im Mai 2008 nach einer Strafanzeige des Konzerns publik geworden war, dass es offenkundig solche illegalen Aktionen in Serie gegeben hatte und die Spitzelaffäre die Medien bewegte, entschuldigte sich Obermann bei Kowalewsky sowie bei Wegner.

Es sollte noch Monate dauern, bis die Telekom ein kleines Anliegen des Journalisten erfüllte und vor kurzem zusagte, die Verbindungsdaten seiner Telefonanschlüsse nicht ohne seine Einwilligung zu nutzen, zu verarbeiten oder weiterzugeben. Mit einer Einschränkung: "sofern dies nicht aufgrund gesetzlicher Grundlagen zulässig ist". Schließlich sind die Daten notwendig, um die Gespräche abrechnen zu können.

Dass der Telefonkonzern so lange gebraucht hat, um der Aufforderung des 49 Jahre alten Capital-Redakteurs nachzukommen, hat wohl mehrere Gründe, die von mangelndem Fingerspitzengefühl bei der Telekom bis zu juristischen Feinheiten reichen und im Nachhinein ziemlich grotesk wirken.

Bei Bsirske ging alles schneller

Die Erklärung, Kowaleskys Daten nur legal zu nutzen, versteht sich eigentlich von selbst, gibt es doch das Post- und Fernmeldegeheimnis. In einem anderen Fall, bei dem ebenso von den Spähern erfassten Verdi-Vorsitzenden Frank Bsirske, ging das viel schneller. Der Gewerkschaftschef erhielt die von ihm geforderte Unterlassungserklärung binnen einer Woche.

Die Verbindungsdaten von Bsirske, dessen Organisation oft und heftig mit der Telekom über Tarifverträge und wegen Stellenstreichungen streitet, sollen ein einziges Mal von der Sicherheitsabteilung des Konzerns unzulässig erfasst und ausgewertet worden sein.

Ganz anders als bei Kowalewsky, dem Telekom-Experten von Capital, über dessen Geschichten sich die alte Konzernspitze offenbar wiederholt geärgert hatte.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, warum Kowalewsky der Rechtsstreit mit der Telekom irgendwan einmal zu bunt wurde.

Die Staatsanwaltschaft Bonn und das Bundeskriminalamt messen noch immer die Ausmaße der Affäre aus, doch eines steht schon fest: Keiner wurde so lange und so konsequent ins Visier genommen wie Kowalewsky.

Insgesamt waren knapp 60 Personen, darunter vor allem Gewerkschafter und Journalisten, bespitzelt worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Ex-Vorstandschef Kai-Uwe Ricke, den früheren Aufsichtsratsvorsitzenden Klaus Zumwinkel, und weitere Beschuldigte. Ein ehemaliger Telekom-Manager sitzt in Untersuchungshaft.

Gut zehn Wochen nachdem die Spitzeleien öffentlich bekannt geworden waren, hatte Kowalewsky Ende Juli 2008 Klage beim Landgericht Bonn gegen die Telekom erhoben.

Telekom-Anwälte stellten sich stur

Mit Unterstützung seines Verlags Gruner+Jahr, der offenbar gerne noch härter gegen den Telefonkonzern vorgegangen wäre als der Wirtschaftsredakteur, dem es nur um die Unterlassungserklärung ging.

Doch die Frankfurter Anwälte der Telekom stellten sich stur und reichten noch im November bei Gericht einen Schriftsatz ein, der teilweise ein Ausdruck von Ignoranz war. Die "ernsthafte Gefahr einer Wiederholung" bestehe nicht, schrieben die Juristen. So werde aufgrund der intensiven Berichterstattung in der Presse künftig niemand mehr annehmen können, solche Ausforschungen seien in irgendeiner Form zulässig.

Außerdem werde mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft, wer gegen das Fernmeldegeheimnis verstoße, was ebenfalls gegen eine Wiederholung spreche. Die Strafnorm hatte frühere Konzernmitarbeiter freilich nicht von den Spitzeleien abgehalten.

Andererseits trug die Telekom bei Gericht auch vor, die von Gruner+Jahr geforderte Erklärung gehe zu weit. Werde es dem Konzern verboten, die Verbindungsdaten von Kowalewsky zu erheben, dann werde der Redakteur "keine Telefonate mehr führen können".

Schadenersatz im Fall der Zuwiderhandlung

Kowalewsky wurde das alles irgendwann zu bunt. Er rief den für Datenschutz zuständigen neuen Telekom-Vorstand Manfred Balz an, und der brachte schnell die gütliche Einigung auf den Weg. In der verpflichtet sich die Telekom auch, im Falle einer Zuwiderhandlung Schadenersatz zu zahlen, den Kowalewsky bestimmen und ein Gericht überprüfen kann.

Irgendwann einmal, wenn diese Affäre ganz aufgeklärt ist, wird der Capital-Redakteur wohl ohnehin Geld erhalten, Schmerzensgeld. 10.000 Euro oder vielleicht auch 15.000. Kowalewsky will das Geld dann spenden, an "Reporter ohne Grenzen" zum Beispiel.

© SZ vom 23.01.2009/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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