Spitzelaffäre bei der Bahn:Surfen auf dünnstem Eis

Lesezeit: 2 min

Die Anwendung der Software, welche die Deutsche Bahn zur Bespitzelung eingesetzt hat, verletzt nach Ansicht von Arbeitsrechtlern das Persönlichkeitsrecht.

Daniela Kuhr

Das ist schon ein interessantes Softwareprogramm, das die Bahn da installiert haben soll: Angeblich sendete es automatisch einen Warnhinweis an Kontrolleure im Haus, sobald Mitarbeiter aus dem Konzern eine E-Mail an bestimmte Adressen mit bestimmten Schlagwörtern versandten. Teilweise sollen die E-Mails dabei sogar gelöscht worden sein. Ist solch eine Software überhaupt zulässig?

"Vorneweg ist festzuhalten: Ohne Zustimmung des Betriebsrats geht gar nichts", sagt Frank Achilles, Arbeitsrechtsexperte bei der Kanzlei Heisse Kursawe Eversheds in München. "Laut Betriebsverfassungsgesetz hat der Betriebsrat bei allen technischen Einrichtungen, die der Arbeitgeber einführen oder anwenden will, um das Verhalten oder die Leistung von Mitarbeitern zu überwachen, ein Mitbestimmungsrecht." Sollte der Betriebsrat der Maßnahme also nicht zugestimmt haben, wäre sie von vornherein unzulässig.

"Pauschal-Alarm"

Doch selbst wenn die Zustimmung vorläge, hätte die Bahn nach Ansicht von Achilles unerlaubt gehandelt. "Solch ein Pauschal-Alarm ist ein klarer Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer." Natürlich hätten die Angestellten eines Unternehmens gewisse Loyalitätspflichten gegenüber ihrem Arbeitgeber.

"Und dazu gehört selbstverständlich auch, dass Interna nicht preisgegeben werden." Doch der bloße Kontakt zu einem Journalisten sei noch kein Beweis für einen Geheimnisverrat. "Ich kann mir viele harmlose Gründe vorstellen, warum jemand mit Journalisten spricht", sagt Achilles. Keinesfalls dürfe der Arbeitgeber seine Angestellten unter Generalverdacht stellen.

Etwas anderes gelte allenfalls, wenn der Arbeitgeber konkrete Hinweise darauf hat, dass ein bestimmter Arbeitnehmer E-Mails und Internet exzessiv missbräuchlich nutze. Dann dürfe der Arbeitgeber ihn gezielt und heimlich überwachen. "Doch auch hier gilt: Existiert ein Betriebsrat, muss dieser zustimmen", sagt Achilles.

Angeblich soll noch eine weitere Software bei einigen Unternehmen verbreitet sein: Bei ihr erhält der Chef jeweils dann eine Warn-Mail, wenn die Mitarbeiter bestimmte Internetseiten aufrufen, wie beispielsweise die von Ebay oder Amazon.

Klare Regelungen erforderlich

Auf diese Weise wollen die Vorgesetzten herausfinden, wer am Arbeitsplatz privat im Internet surft. "Ich rate in diesem Fall jedem Arbeitgeber dringend, ganz klar zu regeln, ob die private Nutzung des Internets erlaubt ist oder nicht", sagt Achilles. "Wer andernfalls solche Kontrollen vornimmt, begibt sich auf sehr dünnes Eis, was den Datenschutz anbelangt."

Allgemein gebe es einen Trend zur heimlichen Überwachung von Beschäftigten, stellte der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix am Freitag nach einer Konferenz der Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern in Berlin fest. Diesem Trend müsse die Bundesregierung endlich einen Riegel vorschieben.

Es müsse klar geregelt werden, welche Daten Unternehmen und öffentliche Stellen über ihre Mitarbeiter erheben und wofür sie genutzt werden dürfen. Unbeschränkte Zugriffe von Kontrollinstanzen wie der Innenrevision auf Personaldaten dürfe es nicht mehr geben.

Aus Anlass diverser Skandale hatte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) Mitte Februar angekündigt, dass ein Expertengremium mit den Arbeiten zu einem eigenen Arbeitnehmerdatenschutz umgehend beginnen werde. Damit solle Rechtsklarheit geschaffen werden. Natürlich müssten die Arbeitgeber in bestimmten Fällen "die Möglichkeit haben zu kontrollieren", sagte Schäuble damals. "Es ist nur immer eine Frage der Verhältnismäßigkeit."

© SZ vom 28.03.2009/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: