Spirituelle Unternehmer:Im Baba-Business

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Indische Gurus haben nicht nur viele Millionen Anhänger, ihre Macht ist spirituell und materiell: Als Unternehmer verdienen sie mit Guru-Nudeln, Kosmetik und Bio-Produkten viel Geld.

Von Arne Perras, Singapur

In Indien nennen sie es das "Baba Business". Und die Seite Indiatimes.com bringt die Vorzüge für Einsteiger so auf den Punkt: "Geringe Start-up-Kosten, minimales Investment. Und man muss sich morgens nicht mal rasieren!"

Die Geschäfte indischer Gurus boomen, in erster Linie kümmern sie sich um das Seelenheil, versprechen, dass sie Stress abbauen können und helfen bei der Suche nach der inneren Balance. Im Gegenzug dürfen sie mit mehr oder weniger großzügige Schenkungen rechnen, die nicht zwingend in irgendwelchen Büchern erscheinen. Deshalb ist es auch schwer, die Vermögensverhältnisse im spirituellen Unternehmertum abzuschätzen.

Das "Baba Business" hat eine lange Geschichte und viele Facetten, Millionen Kunden schwören auf den spirituellen Beistand, andere Inder wiederum halten viele Gurus für Scharlatane. Sicher ist, dass manche doch sehr reich geworden sind. Das trifft auch auf jenen besonders umstrittenen Vertreter zu, der die ganze Woche lang die indischen Schlagzeilen beherrschte: Ram Rahim Singh, Führer der Sekte Dera Sacha Sauda ("Ort der Wahrheit"). Wegen zweifacher Vergewaltigung wurde der 50-Jährige zu zwanzig Jahren Haft verurteilt. Seine Anhänger, die zu Hunderttausenden zum Prozess angereist waren, brachte das mächtig in Rage, sie randalierten, zündeten Autos und Häuser an, Sicherheitskräfte schritten ein, im Chaos starben Dutzende Menschen. Der Schock über den Sturz des Gurus sitzt noch immer tief. Er behauptet von sich, er habe 60 Millionen Anhänger weltweit hinter sich geschart.

Ram Rahim, Sektenführer, verurteilt wegen Vergewaltigung, vor einem Plakat für einen Film - in dem er die Hauptrolle spielt. (Foto: Alamy/mauritius images)

Schlechte Schlagzeilen fürs "Baba Business"? Frage an Arvind Singhal, Marketingberater in Gurgaon und Kenner der indischen Konsumbranche. "Ach, wenn ein Guru nun ins Gefängnis wandert, dannkommen bald zwanzig neue nach", sagt Singhal. "Ich glaube nicht, dass das ihrem Zulauf schaden wird." Singhal beschäftigt sich mit Gurus, weil sie inzwischen nicht nur spirituelle Arbeit leisten, sondern längst versuchen, sich als Unternehmer zu etablieren. Eine große Branche, in die sie hineinstoßen, ist der Markt mit ayurvedischen und organischen Produkten, der in Indien einen geschätzten Umfang von 490 Milliarden Dollar hat.

Ram Rahim, der jetzt im Gefängnis sitzt, hatte mit dem Handel im vergangenen Jahr begonnen: Über die Firma MSG All Trading International, die seiner Sekte gehört, brachte er Produkte auf den Markt, die als "swadeshi" (einheimisch) und "biologisch" angepriesen werden. Auf Bildern sah man den strahlenden Guru, Daumen hoch, vor einem gefüllten Regal mit Pickles, Nudeln, Honig und Reis. Das Kürzel MSG kenne alle, seitdem der Guru als "Messenger of God" auftritt. Zwei Filme hat er unter diesem Titel schon produziert, in denen er natürlich selbst die Hauptrolle spielt, er trägt darin bunte, mit Perlen besetzte Hemden und braust auf lässigen Feuerstühlen herum, er kämpft gegen die Schurken dieser Welt und - natürlich - siegt er.

Das Bedürfnis nach einem chemiefreien Leben ist Trend - in Indien wie in Europa

Und wie erfolgreich sind Gurus eigentlich als Vertreiber von Konsumgütern? Singhal sagt, dass es nun schon zahlreiche Versuche dieser Art gebe, dass bisher aber eigentlich nur einer durchgestartet sei: Das ist Baba Ramdev, ein Yoga-Guru, der zunächst mit einer eigenen Fernsehshow populär geworden war. Dort lehrte er Millionen, wie man richtig atmet, wie man seinen Körper verknotet, um sich wohl zu fühlen, und welche Kräuter ganz besonders gut für die Gesundheit sind.

Dann gründete er mit einem Partner das Unternehmen Patanjali, das sich in kürzester Zeit zu einem Platzhirsch auf dem Markt biologischer und ayurvedischer Produkte entwickelt hat. Mit seiner Zahncreme, zum Beispiel, stößt er rasch in einen Markt vor, der bislang von multinationalen Konzernen dominiert ist, innerhalb eines Jahres konnte er seinen Marktanteil von zwei auf sechs Prozent erhöhen, das bekommen die Riesen Colgate Palmolive, Unilever oder Glaxo Smith Kline zu spüren.

Marketing-Experte Singhal sagt, Ramdev sei ein etwas anderer Guru, einer der nicht so stark auf die spirituelle Ebene abhebe, sondern ganz die Gesundheit in den Vordergrund rücke. Völlig trennen könne man beide Bereiche zwar nicht, aber Ramdev profitiere doch schon sehr von einem breiten Bedürfnis nach gesunden, natürlichen, nicht von Chemie belasteten Lebensmitteln. "Das ist in Indien wie auch im Rest der Welt ein starker Trend".

Ramdevs Gesicht mit seinem rauschenden schwarzen Bart strahlt von Mumbai bis Chennai von den Plakaten, das von ihm gegründete Unternehmen Patanjali ist aus der schillernden Werbelandschaft Indiens nicht mehr wegzudenken, die Firma produziert und vertreibt vor allem Ayurveda-Produkte, Seifen, Shampoos oder auch Guru-Nudeln, die dem Multi Nestle heftige Konkurrenz machen. Im vergangenen Jahr (Abschluss März 2017) macht das Unternehmen 1,6 Milliarden Dollar Umsatz, fürs kommende Jahr rechnet Ramdev damit, dass er den Umsatz verdoppeln kann. Der Gewinn ist nicht bekannt, Singal schätzt ihn auf 100 bis 150 Millionen Dollar. Bemerkenswert ist allerdings, dass Gründer Ramdev gar keine Anteile an dem Unternehmen hält, obgleich sein Gesicht die Marke prägt. "Er ist einer, der recht asketisch lebt und offenbar nicht viel Geld zum Leben braucht," sagt Singhal. "Ich glaube, Ramdev geht es um etwas anderes: Er genießt den Einfluss und die Macht, die er erworben hat."

Baba Ramdev ist nun ein viel gefragter Mann. Er ist Anhänger des Premierministers Narendra Modi, der ebenfalls auf die Soft Power von indischem Yoga setzt und die einheimische Wirtschaft fördern will. "Etwas fragwürdig ist nur, dass er in der Werbung manchmal auch sehr nationalistische Töne anschlägt", sagt Singhal. Indiens Reichtum müsse man im Land halten, fordert der Guru und sagt: "Das bringt die multinationalen Konzerne ins Schwitzen." Die Vorstellung allerdings, dass multinationale Konzerne ein Land nur aussaugen, findet Singhal völlig falsch. "Diese Firmen schaffen hier Arbeitsplätze und sie investieren in Indien, wir brauchen das." Ramdev dagegen nutze solche fragwürdigen nationalistischen Reflexe, wenn es denn seinen Guru-Produkten nutzt.

© SZ vom 02.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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