Spezialsteuer für Internet-Konzerne:Die Apple-Steuer ist zum Scheitern verurteilt

FILE PHOTO: Customers and sales persons are seen at an Apple maintenance service store at a mobile phone market in Shanghai

Vom Produktionsland China direkt nach Köln - angeblich von einer Firma in den Niederlanden verschickt, zu bezahlen in Irland. Der Weg der Apple-Produkte nach Europa ist oft unergründlich.

(Foto: REUTERS)

Europas Staaten sehen fast nichts von den Milliarden, die US-Internetkonzerne wie Apple, Google oder Facebook hier verdienen. Eine Spezialsteuer wird daran aber auch nichts ändern.

Kommentar von Ulrich Schäfer

Wer bei Apple etwas im Internet bestellt, zum Beispiel ein iPad, der begibt sich unfreiwillig auf eine Weltreise. Denn der US-Konzern erweckt auf seiner Website den Eindruck, man kaufe in Deutschland ein. Doch wenig später erhält man dann das Paket mit den neuen iPad; als Absender ist eine Apple-Firma in den Niederlanden aufgeführt. Tatsächlich aber war das Paket - wie man anhand der Sendungsnummer des Paketdienstes nachverfolgen kann - niemals in den Niederlanden; sondern es wurde vom Werk in China per Flugzeug direkt nach Köln geflogen; und weiter nach München. Und schließlich, ach ja, kommt dann per Mail auch noch die Rechnung: von Apple Distribution International, zu Hause in Irland.

Man ahnt, warum Apple solch ein Verwirrspiel betreibt: Der Konzern will seine Steuerlast drücken, und er nutzt dazu die großen Steueroasen der Europäischen Union. Bei dieser besonderen Spielart der Globalisierung werden Produkte globaler gemacht, als sie es eigentlich sind. Man verschiebt Geschäfte virtuell über die Erde, vom Hochsteuerland A über die Steueroase B in die Steueroase C. Noch leichter fällt dieses Hütchenspiel, bei dem bei Bedarf auch Panama, die Kaimans oder die Britischen Jungferninseln genutzt werden, wenn nicht Waren gehandelt werden, sondern Daten, wenn Software verkauft wird oder Internet-Werbung.

Die große Kreativität bei der Steuervermeidung

Firmen wie Apple und Amazon, Facebook und Google verstehen sich perfekt auf diese Tricks. Sie sind nicht nur besonders innovativ darin, digitale Produkte zu entwickeln; sondern sie und ihre Berater in den Steuerkanzleien und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sind auch besonders kreativ darin, Steuern zu vermeiden.

Ob das legal ist oder nicht - darüber scheiden sich die Geister. Apple wurde vor einem Jahr von der EU-Kommission zu einer Strafe von 13 Milliarden Dollar verdonnert, weil das Unternehmen jahrelang ein Steuerschlupfloch in Irland nutzte; der US-Konzern hält die dafür gewählte Firmenkonstruktion bis heute für legal; die Beamten in Brüssel dagegen sehen darin einen von der irischen Regierung gebilligten Verstoß gegen EU-Recht.

Das Verhalten der Internetkonzerne ist in jedem Fall verwerflich. Sie nutzen die Infrastruktur von Ländern wie Deutschland und verdienen dort Milliarden, aber sie tun alles, um Zahlungen an den hiesigen Fiskus zu vermeiden. Manche, wie Amazon, ändern aufgrund des öffentlichen Drucks ihre Strategie; der Konzern verbucht, wenn man bei ihm einkauft, die Gewinne nicht mehr direkt in Luxemburg, sondern bei einer deutschen Tochter der dortigen Amazon-Firma.

Was ist überhaupt ein Internetkonzern?

Und doch ändert sich durch solche Zugeständnisse am Kernproblem nichts: Europas Staaten sehen von den Milliarden, die die US-Internetkonzerne hier verdienen, fast nichts - die Gewinne verschwinden in einem Netz aus Briefkastenfirmen und Steueroasen. Dem wollen die Finanzminister von Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien nun mit einem kühnen Vorschlag zu Leibe rücken: Sie fordern, dass Apple und Co. künftig nicht mehr ihren Gewinn versteuern (denn der wird ja kleingerechnet), sondern den Umsatz (und zwar dort, wo er tatsächlich erzielt wird). Die Rede ist von einem Steuersatz zwischen zwei und fünf Prozent.

Dem deutschen Finanzminister könnte dies viele Milliarden Euro einbringen - theoretisch jedenfalls. Tatsächlich aber ist die Apple-Steuer zum Scheitern verurteilt. Denn schon die Frage, was ein Internetkonzern ist, lässt sich nicht befriedigend beantworten: Ist Google ein Internetkonzern, solange er keine Autos baut? Und ist Amazon nicht inzwischen eher ein Logistikunternehmen mit angeschlossenem Hollywood-Studio? Und was ist mit BMW: Könnte aus dem Autobauer auch ein Internetkonzern werden, wenn er seine Wagen mit immer mehr digitaler Technik vollstopft? Diese Abgrenzungsprobleme werden sich nie lösen lassen - zumal auch Industriekonzerne und Banken ihre Steuerlast minimieren, indem auch sie Briefkastenfirmen in den Niederlanden, Irland, Luxemburg oder Panama gründen. Müssten nicht auch sie der neuen Steuer unterliegen?

Das Ansinnen, globale Konzerne besser zu besteuern, ist berechtigt; denn deren Steuerflucht untergräbt Sozialstaat und Demokratie. Aber dazu reicht es nicht, eine am Ende untaugliche Spezialsteuer für Internetkonzerne zu schaffen; sondern es müssen Firmenkonstrukte, wie sie auch andere Konzerne nutzen, generell unterbunden werden. Dazu ist es nötig, alle Steueroasen zu schließen. Die Europäer sollten damit dort anfangen, wo sie am meisten ausrichten können (und wo sie bisher viel zu oft weggeschaut haben): in Europa selbst; also in Irland, Luxemburg oder den Niederlanden.

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