Spenden:Gezielt geben

Direkte Geldspenden werden zunehmend beliebter, weil die Menschen großen Organisationen misstrauen. Aber darüber, ob schlichte Überweisungen an Hilfsbedürftige sinnvoller sind, streiten Ökonomen.

Von Lea Hampel

Oft sind es Kinderaugen, die den Betrachter von Plakaten internationaler Hilfsorganisationen anschauen. "Wenn du Geld gibst, kann ich in die Schule gehen", so die Botschaft. Bis heute geht das Werbekonzept auf: Mehr als die Hälfte der Deutschen spendet. Rund 5,9 Milliarden Euro kommen im Jahr laut dem Deutschen Zentrum für Altersfragen zusammen.

Und doch: Große Organisationen haben Schwierigkeiten, Geldgeber zu finden. "Das Bedürfnis, direkter zu spenden, hat zugenommen", sagt Holger Krimmer vom Projekt "Zivilgesellschaft in Zahlen" des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft. Fälle wie in Nepal, wo ein Großteil der 4,4 Milliarden Dollar Spenden auch ein Jahr nach dem Erdbeben noch nicht in den Wiederaufbau gesteckt wurden, verursachen bei vielen Spendern den Eindruck, dass Organisationen und Regierungen ineffizient mit Spenden umgehen. Doch noch ein Faktor führt zu anderem Spendenverhalten: Das Bedürfnis, individuell sichtbar Dinge zu bewirken, glaubt Burkhard Wilke vom Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI), nimmt zu. Und Emotionen und Einzelgeschichten verkaufen sich da traditionell besser: "Es entsteht eine Art Spendenpopulismus", sagt Wilke.

Die Tendenz in der Entwicklungshilfe geht seit Jahren hin zu mehr direkter Unterstützung. War es lange üblich, zu unterrichten und Lebensmittel zu verteilen, fand die Idee der Hilfe zur Selbsthilfe zunehmend Anhänger. In Deutschland ist beispielsweise die Plattform betterplace.org sehr erfolgreich, wo Spender Einzelprojekte unterstützen können. Direkt Geld zu geben ist der nächste Schritt - ein viel beachteter.

Das prominenteste Beispiel kommt aus den USA: Dort haben Studenten aus Harvard und vom MIT, die sich mit möglichst effizienten Varianten von Entwicklungshilfe befasst hatten, die Organisation "Give Directly" (direktes Geben) gegründet. Vorab wurde untersucht, wo in Kenia die größte Armut herrscht. Anschließend bekamen Menschen in der entsprechenden Region direkt aufs Handy Geld. Ob sie davon ihr Dach reparierten oder Essen kauften, war ihnen freigestellt. Mit dem Modell orientierten sich die Initiatoren an einem Geldvergabesystem, das die mexikanische Regierung seit einigen Jahren betreibt.

Die Idee leuchtet ein: Sie reduziert Verwaltungskosten und Personalaufwand und verhindert, dass Geld in lokaler Bürokratie versickert. Gleichzeitig steht dahinter die Annahme, dass bedürftige Menschen selbst am besten wissen, was sie brauchen. Mit diesen Grundsätzen hat Give Directly überzeugt: Rund 75 Millionen US-Dollar gingen bereits an die Organisation, allein 2,5 Millionen gab Google. Jede Menge Unterstützung aus dem Silicon Valley wird die Zahlen noch steigern. Die Frage ist nur: Ist das sinnvoller als klassische Entwicklungshilfe?

Darüber gibt es derzeit eine Debatte unter Ökonomen. Erste Studien, auch zu den Give-Directly-Projekten, zeigen: Die Menschen haben eben nicht, dem Klischee entsprechend, in Alkohol und Zigaretten investiert - sondern das Geld für Bildung, Essen und Elektrizität ausgegeben; vor allem Frauen haben profitiert. Die Untersuchungen zeigen aber auch: Geld, das mit Bedingungen verknüpft wird - etwa, dass der Empfänger seine Kinder in die Schule schickt - hilft besonders langfristig. Da, wo die Probleme über Geldmangel hinausgehen und beispielsweise zu wenig Bewusstsein für gute Bildung herrscht, ist es daher sinnvoll, die Zahlungen an Bedingungen zu knüpfen.

Ob direkte Spenden langfristig Bildungs- und Ernährungsprogramme ersetzen können, da ist DZI-Geschäftsführer Wilke skeptisch: Zum einen werde überschätzt, wie viel Geld in klassischen Organisationen für Verwaltung verwendet wird. Zum anderen werde unterschätzt, welche Bedeutung lange Erfahrung von Nicht-Regierungs-Organisationen hat. Eine Form von Verwaltung gebe es immer, auch bei Direktspenden, sagt Wilke. "Wo es um Hilfe geht, geht es um Bedarf - und da bedarf es einer Wertung."

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