Sparkurs bei der Baumarktkette Praktiker:"Rabatte sind wie süße Drogen"

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Praktiker hat eine halbe Milliarde Verlust gemacht. Die Misere ist hausgemacht, denn ständige Rabattaktionen hatten das Unternehmen an den Rand einer Pleite gebracht. Ein harter Stellenabbau, der Umzug nach Hamburg und der Verzicht auf Billigpreise sollen die Baumarktkette nun retten. Aber Firmenchef Thomas Fox hat auch Ideen, um wieder mehr Kunden in die Filialen zu locken.

Kristina Läsker

Große Umbrüche geschehen selten von jetzt auf gleich. Viel mehr müssen sich die kleinen Dinge nach und nach ändern, bis sich das große Ganze wendet. Wie bei der Baumarktkette Praktiker. Es war im vergangenen Sommer, als Thomas Fox einen der 235 deutschen Praktiker-Märkte besuchte. Kurz bevor Fox im Oktober als externer Sanierer an die Spitze geholt wurde, um die Pleite abzuwenden. Fox also spazierte durch die Filiale und fragte nach einem Artikel.

Ein Kunde belädt sein Auto vor einer Praktikerfiliale - Billigpreise sollen bei dem von der Pleite bedrohten Baumarkt abgeschafft werden. (Foto: dpa)

Verwundert sah er zu, wie der Mitarbeiter einen Computer ansteuerte, den Artikel eingab und ihm den Standort nannte. Solche Systeme gibt es eigentlich bei Praktiker nicht. Das Programm habe er selbst geschrieben, erzählte der Mitarbeiter verlegen. Weil viele Kollegen nicht wüssten, wo die Artikel lägen. "Verraten Sie mich bloß nicht weiter."

Doch Fox tat genau das. Er findet die Idee so prima, dass er sie in allen Baumärkten einführen will. Als eine von vielen kleinen Ideen, um die Wende einzuleiten. Dem Mitarbeiter hat er sogar eine Prämie von 500 Euro gezahlt - und gerne erzählt er auch dessen Geschichte. Wie zum Beispiel am Donnerstag, als er die Bilanz 2011 in Hamburg vorstellte. Schließlich ist sie eine von wenigen guten Geschichten über die Nummer zwei der Baumarkt-Branche.

Praktiker steckt noch immer tief in der Krise, auch wenn Fox bereits die Parole ausgibt, dass die "Abwärtsspirale gestoppt" sei. 2011 hat die Firma unterm Strich einen Verlust von 555 Millionen Euro erlitten. Der Umsatz fiel um knapp acht Prozent auf 3,2 Milliarden Euro. Es war das schlechteste Jahr seit dem Börsengang 2005 - und kurzfristig dürfte es kaum besser werden. "Wir werden 2012 einen Verlust schreiben", sagt Finanzvorstand Markus Schürholz.

Die Zukunft steht und fällt mit der Finanzierung von 300 Millionen Euro. So viel braucht Praktiker nach Meinung der neuen Chefs, um in den nächsten drei Jahren wieder fit zu werden. Es ist ein hartes Ringen mit Bankern, Investoren und Aktionären über Kredite, Anleihen und Kapitalerhöhungen.

Hausgemachte Misere

Was bitter ist: Die Misere ist hausgemacht. Die jahrelange Billigstrategie mit ständigen Rabattaktionen (Slogan: "20 Prozent auf alles - außer Tiernahrung") haben die Margen aufgefressen. "Rabatte sind wie süße Drogen", schimpft Firmenchef Fox. Sie machten lethargisch und einfallslos.

Ein Sparkurs soll nun die Wende bringen. Praktiker will 1400 der 10.800 Stellen in Deutschland abbauen und bis zu 30 Filialen schließen. Weitere sind bedroht, wenn die Vermieter nicht die Mieten senken. Durch den Abbau entstehen dieses Jahr Sonderkosten von mindestens 100 Millionen Euro. Frühestens in zwei Jahren sollen wieder Gewinne anfallen. Wenn die Wende überhaupt gelingt.

Überprüft werden auch die Märkte im Ausland; Praktiker betreibt 108 Filialen in Osteuropa und Griechenland. Einen Verkauf des kompletten Auslandsgeschäfts schloss Fox aus. Doch von einzelnen Ländern könne man sich "bei guter Opportunität" durchaus trennen.

Um Geld zu sparen, verlegt Praktiker seinen Sitz zudem aus der saarländischen Stadt Kirkel nach Hamburg. Hier hat die Tochterfirma Max Bahr ihren Sitz. Für viele Mitarbeiter im Saarland kommt der Umzug einem Jobverlust gleich: Von den 700 Beschäftigten in der Zentrale wollen nur etwa 150 in den Norden umziehen. Das ist der Leitung recht: Sie will in Hamburg etliche Abteilungen - wie etwa den Einkauf - der Baumarktketten zusammenlegen. Allerdings sollen die Marken getrennt bleiben. "Wir streben nicht irgendeinen Prakti-Bahr an."

Max Bahr soll in 78 Märkten mehr Service bieten. Kunden dürfen vieles ausprobieren, außerdem gibt es Vorführ-Berater und Hilfe beim Einpacken ins Auto. Praktiker dagegen soll als preisgünstiger, einfacher Baumarkt wahrgenommen werden, ohne schmuddelig zu wirken. Die Zeit der üppigen Rabatte ist vorbei. "Wir erheben nicht den Anspruch, der Billigste in jedem Produkt zu sein", sagt Fox. Doch was soll die Kunden in die Märkte locken, wenn nicht der Preis?

Fox überlegt nicht lang. Die Kunden sollen sich - auch ohne viel Beratung - besser zurecht finden. Etwa durch die neuen Computersysteme, die alles finden. Wie das gehen soll, zeigt Praktiker in vier umgebauten Märkten. Das Sortiment ist eingeschränkt: Von einem Produkt gibt es nur eine kleine Auswahl: meist einen Billigartikel sowie eine Eigenmarke zum mittleren Preis und ein Markenprodukt.

Die Zeiten seien vorbei, in denen es allzu viele billige Waren gegeben habe, sagt Fox. "Das hat zu einer Vermüllung unserer Filialen geführt."

© SZ vom 30.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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