Spanisches Geldinstitut Caja Mediterraneo:"Das ist die schlimmste Bank von allen"

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Faule Hypothekenkredite an Kleinsparer, riskante Vorzugsscheine an Analphabeten: Über 100 Jahre war die Caja Mediterraneo eine traditionelle Sparkasse in Spanien - dann kamen der Boom und die Gier. Tausende Kunden wurden abgezockt.

Sebastian Schoepp, Madrid

José Maria Sanguino ist Rentner. Sein Leben lang hat er für die spanische Telefónica gearbeitet und 40.000 Euro gespart, die er für seinen Ruhestand anlegen wollte. Also ging er zu seiner Hausbank, der "Banco de toda la vida", der Bank fürs Leben, wie man auf Spanisch sagt. Alles, was er wollte, war eine sichere und langfristige Geldanlage. Die Caja Mediterraneo (CAM) verkaufte ihm einen spekulativen Aktienfonds. "Niemand sagte mir, dass das hochriskante Papiere sind", erzählt Sanguino heute.

CAM steht wie Banesto, Caja Sur oder Bankia für den Größenwahn spanischer Banken. Sie war mal die viertgrößte Sparkasse Spaniens, bis sie 2011 wie ein Kartenhaus zusammenkrachte. (Foto: AFP)

2011 brach CAM nach spekulativen Immobiliengeschäften zusammen und wurde für einen Euro von Banco Sabadell übernommen. Sanguinos Papiere wurden - wie die Tausender anderer Kunden auch - zu schlechten Konditionen in Anteile an Banco Sabadell umgewandelt. Jetzt hat der 65-Jährige kein Geld mehr, sondern Papiere, die keiner haben will, sagt der Mitarbeiter von Adicae, der den Rentner in seiner Not berät.

Adicae ist der spanische Verband der Kunden von Versicherungen, Banken und Sparkassen. Seit Beginn der Krise hat sich die Mitgliederzahl auf 120.000 mehr als verdoppelt. Das kleine bescheidene Büro in der Calle Embajadores hinter dem Bahnhof Atocha in Madrid reicht längst nicht mehr aus für den Andrang. Auf dem Weg dorthin steht ein älterer Herr und fummelt an einem Parkautomaten herum. Er bittet um Hilfe.

"Ich weiß einfach nicht, wie diese Dinger funktionieren", sagt er. Kurz darauf steht er in der Schlange geschädigter Bankkunden im Adicae-Büro. Wie soll ein Mann, der nicht mal einen Parkautomaten bedienen kann, komplizierte Anlageformen verstehen?

Hypothekenkredite für Habenichtse

Bei Adicae bündeln sich die Geschichten über unseriöse Praktiken spanischer Banken. "Vor allem ältere Leute sind betroffen", sagt Fernando Herrero, Generalsekretär des Verbandes. Die Banken seien nicht nur sehr freigiebig mit Hypothekenkrediten an Habenichtse und Immigranten gewesen, berichtet Herrero. Sie haben auch mit Hochrisikopapieren gehandelt, die sie Ahnungslosen aufschwatzten. "Kleinsparer wurden zu Spekulanten gemacht."

Die Zeitung El País berichtete von einem Fall, in dem einem Analphabeten riskante Vorzugsscheine angedreht wurden. Den Vertrag unterzeichnete er mit seinem Fingerabdruck. Auf eine Million Betroffene schätzt Adicae die Zahl der Bankkunden, die nicht mehr an ihre Spargroschen können. Eine Million Spanier könnten zudem ihre Hypothekenkredite nicht mehr bedienen.

Die CAM, bei der Rentner Sanguino sein Konto hatte, ist eines der Institute, mit der Adicae am meisten zu tun hat. CAM steht wie Banesto, Caja Sur oder Bankia für den Größenwahn spanischer Banken. Laut dem früheren Zentralbankchef Miguel Angel Fernández Ordóñez war CAM "die schlimmste von allen". Sie war mal die viertgrößte Sparkasse Spaniens, bis sie 2011 wie ein Kartenhaus zusammenkrachte, nachdem sie 2,7 Milliarden Euro verloren hatte. Im Jahr zuvor hatte sie noch 244 Millionen Euro Gewinn gemacht.

CAM stand einmal für Tradition. Sie ging auf ein kleines Geldhaus zurück, das vor 137 Jahren in Alicante gegründet wurde. Es war die typische Sparkasse, die soziale Aufgaben sponserte und die Spargroschen einfacher Leute verwaltete. Doch dann kamen der Boom und die Gier. CAM beteiligte sich an pharaonischen Prestigeprojekten in der Region Valencia, dem Griechenland Spaniens. "Die Immobilienblase hat uns in den Abgrund gestürzt", sagte ein ehemaliger Mitarbeiter der Zeitung El País - und das Fehlen interner Kontrollen.

Der Name CAM taucht auf in einer Reihe von korruptionsumwitterten Skandalprojekten, wie etwa Terra Mítica, ein völlig überdimensionierter Vergnügungspark in Benidorm; oder in Valencia bei der "Wissen- und Kunststadt" des Stararchitekten Santiago Calatrava, die heute zu den Symbolen der sinnentleerten Riesenkonstruktionen zählt, mit denen sich fast jede Provinzstadt schmücken wollte.

Zwischen 2003 und 2005 verdoppelte CAM ihre Aktivitäten im Immobiliensektor. Drei Tage vor dem Kollaps gewährte sie der Landesregierung Valencias 200 Millionen Euro Kredit. Ihren Aufsichtsräten spendierte sie zwischen 2004 und 2010 zinslose Kredite in Höhe von 161 Millionen Euro. Die einstmals kleine Kasse unterhielt in Spanien 1100 Filialen und wollte im Ausland glänzen - also erwarb sie eine mexikanische Bank.

Als die Immobilienblase platzte und die Arbeitslosigkeit stieg, platzte auch CAM. 2011 hatte sie 20 Prozent faule Kredite im Portfolio. Der spanische Einlagengarantiefonds schoss 5,4 Milliarden Euro für die Sanierung zu, doch da war es schon zu spät. Nach dem Zusammenbruch steckten hohe Funktionäre Millionen an Abfindungen ein, einige landeten wegen Betrugsvorwürfen vor Gericht.

Hochriskante Papiere für 54.000 Kunden

Das Schlimme: Als sich abzeichnete, dass viele Hypothekenkredite faul waren, begann CAM hochriskante Papiere auszugeben, um Geld in die Kassen zu bekommen. 54.000 frühere Kunden haben sich solche Produkte aufschwatzen lassen. Sanguino, der Rentner, ist einer von ihnen. Nun hofft er, dass Adicae ihm helfen kann. Doch viele Möglichkeiten gibt es nicht.

Der Verband kann nur versuchen, etwas bessere Konditionen auszuhandeln; er kann die Praktiken anklagen - und etwas dafür tun, dass die Banken in Zukunft seriöser arbeiteten. Leider aber bildeten Politiker und Banken Seilschaften, sagt Herrero. Vor der Gefahr einer Blase hatte Adicae gewarnt, aber in Zeiten des Booms wollte niemand zuhören.

Das Wichtigste sei, jetzt den mitdenkenden Konsumenten heranzubilden, sagt Herrero. Also den Kunden, der nicht mehr alles glaubt, was ihm die Bank sagt. In Spanien laufen viele Geschäfte über Familie und Freunde. Wer bei einer Bank arbeitete, übte sanften Druck auf seine Umgebung aus, Kredite aufzunehmen und vermeintlich aussichtsreiche Papiere zu kaufen - gar nicht so sehr aus Gewinnsucht, sondern zum Teil aus Naivität, sagt Herrero.

"Auch die einfachen Angestellten durchblickten das System nicht." Nun machen die Geschädigten nicht das System verantwortlich, sondern den, der ihnen das Produkt verkauft hat. "So gehen nicht nur Vermögen verloren", sagt Herrero, "es zerbrechen Familien und Freundschaften."

© SZ vom 28.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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