Spätfolgen des Terroranschlags:Angst an Bord

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Die Anschläge vom 11. September trieben Luftfahrt und Tourismusbranche in die Krise - noch immer haben sie sich nicht vollständig von der Katastrophe erholt.

Sibylle Haas

Der Terror vom 11. September 2001 hat Luftfahrt- und Tourismusfirmen weltweit in ihre bislang tiefste Krise gestürzt. Flugzeuge, die zu fliegenden Bomben wurden, hatte es zuvor noch nie gegeben.

Bei einem simulierten Hijacking probt ein Sky Marshal der US-Flugaufsicht FAA den Notfall. (Foto: Foto: Reuters)

Die Menschen waren schockiert und reagierten prompt mit Verweigerung. Die Nachfrage nach Reisen ging drastisch zurück, weil Geschäftsleute und potenzielle Touristen Angst vor dem Fliegen hatten. Vor allem im Nordatlantikverkehr blieben die Flugzeuge teilweise leer.

Noch immer hat sich die Weltluftfahrt nicht von dem Desaster erholt. Weitere Terrorattacken, der Krieg im Irak, die Lungenkrankheit SARS (durch die die Nachfrage nach Asienflügen einbrach) und zuletzt der hohe Ölpreis haben die Lage der Firmen weiter verschärft.

Nach mehreren Krisenjahren wird die globale Luftfahrtbranche auch in diesem Jahr wieder Verluste machen. Der Weltluftfahrtverband Iata prognostiziert das Minus auf fast zwei Milliarden Dollar.

Der Terror hat Spuren hinterlassen

Fünf Jahre nach den Anschlägen in Amerika steht fest: Der Terror hat deutliche Spuren hinterlassen. Unbeschwertheit und Freizügigkeit beim Reisen sind vorbei. Scharfe Vorgaben und Sicherheitskontrollen an Flughäfen machen jedem klar, dass Mobilität kompliziert geworden ist.

Passagiere müssen lange Wartezeiten in Kauf nehmen, die durch striktere Kontrolle entstehen. Seit den vereitelten Terroranschlägen auf dem Flughafen London-Heathrow Mitte August wird das Handgepäck jetzt noch intensiver untersucht als bisher. Auf Flügen in die Vereinigten Staaten darf - seit London - nur ganz wenig Gepäck mit an Bord; Flüssigkeiten sind ganz verboten, denn sie könnten Sprengstoff enthalten.

Verschärfte Sicherheitsvorkehrungen

Auch für Mitarbeiter an Flughäfen und bei Fluggesellschaften hat sich seit 2001 viel geändert. Alle, die im Sicherheitsbereich von Flughäfen arbeiten, werden eingehender als früher auf ihre Zuverlässigkeit hin überprüft. Cockpit-Türen in Flugzeugen müssen zudem so verstärkt sein, dass eine Granate sie nicht durchschlagen kann. Auch dürfen Piloten die Türen nicht mehr offen lassen, weil Terroristen das Cockpit stürmen und die Kontrolle übernehmen könnten.

In der Luftfahrtbranche setzte nach 2001 ein Bereinigungsprozess ein, der in diesem Ausmaß neu war. Nicht nur in Amerika, auch in Europa mussten viele Firmen aufgeben: Die Schweizer Swissair und die belgische Sabena sind in Europa die prominentesten Beispiele dafür.

Andere, darunter die italienische Alitalia und die griechische Olympic, bettelten wiederholt um Staatshilfen. Und die Deutsche Lufthansa rutschte 2001 erstmals seit 1993 ins Minus.

In Amerika hat die Krise viele kleine, aber auch die Marktgroßen erwischt: United Airlines, US Airways, Northwest und Delta beantragten Insolvenz. Die Fälle sind aber alle auch Beispiele für Vorgänge, die es ohne den 11. September ebenso - wenn auch zeitverzögert - gegeben hätte.

Die Weltkonjunktur war ohnehin schon angeschlagen

Der Terror hat die Wirtschaftsentwicklung belastet, aber nicht verursacht. Die Attacken kamen zu einem Zeitpunkt, in der die Weltkonjunktur ohnehin nicht gut war, und Unternehmen, die Pleite gingen, waren schon längere Zeit vorher angeschlagen.

Luftfahrt-Manager in der alten und in der neuen Welt haben die Krise deshalb auch als Chance genutzt. Im Hauruck-Verfahren wurden Entscheidungen umgesetzt, für die man sonst Jahre gebraucht hätte: Verbindungen, die schon vor der Krise unrentabel waren, wurden gestrichen; für Investitionen in Prestigeobjekte gab es kein Geld mehr; Mitarbeiter machten Zugeständnisse; Stellen wurden gekürzt. In Amerika verloren Hunderttausende ihre Jobs.

Drastische Auswirkungen für den Tourismus

Neben der Luftfahrt traf der 11. September auch die Tourismuswirtschaft - zum ersten Mal so drastisch. Der Tourismus galt bis dahin als Boombranche, der keine Krise etwas anhaben konnte. Doch es kam anders. Nach den Anschlägen in Amerika löste die Angst vor neuen Flugattacken einen massiven Rückgang der Buchungen aus.

Bis heute haben die deutschen Reiseveranstalter das kumulierte Buchungsminus von 15 Prozent nicht wieder aufgeholt. Nur mit Glück könnten sie das in diesem Jahr schaffen, denn die Buchungslage ist weiterhin flau.

Schon lange können sich viele keinen Urlaub mehr leisten

Die Wirtschaftslage erlaubt schon seit längerer Zeit keinen teuren Urlaub mehr - einige müssen ganz auf die Reise verzichten. Zu groß ist die Angst der Menschen, den Arbeitsplatz zu verlieren, und groß ist auch die Verunsicherung über das, was die Politik den Bürgern an Belastungen noch zumuten wird.

Wenn die Deutschen früher ihr Geld zusammenhalten mussten, dann sparten sie überall, nur nicht beim Urlaub. Das ist vorbei. Reisen ist zu einem normalen Konsumgut geworden - auch das ist eine Folge des Terrors des 11. September.

© SZ vom 7.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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