Sozialtarife:Billigstrom lässt auf sich warten

Umweltminister Gabriel hat mit seiner Aufforderung an Energieunternehmen, flächendeckend Sozialtarife einzuführen, eine große Diskussion losgetreten. Mehr als reden wollen die meisten Konzerne aber erst einmal nicht.

Wolfgang Jaschensky und Sarina Märschel

Die Einführung eines flächendeckenden Sozialtarifs könnte noch einige Zeit auf sich warten lassen - wenn er überhaupt kommt. Man müsse gemeinsam mit dem Staat und Sozialpartnern überlegen, ob mit diesem Instrument Probleme sinnvoll gelöst werden könnten: "Für einen Sozialtarif zu sprechen, wäre verfrüht", sagte die Konzernsprecherin des Energieunternehmens Vattenfall zu sueddeutsche.de: "Da zu erwarten, dass wir innerhalb von drei Wochen einer Lösung näher kommen, halte ich für illusorisch."

Sozialtarife: Verbraucherschützer Krawinkel über Energiearmut in Deutschland: ""Da müssten Vorkehrungen getroffen werden, damit die einkommensschwächsten Mitbürger ihre Energie noch bezahlen können."

Verbraucherschützer Krawinkel über Energiearmut in Deutschland: ""Da müssten Vorkehrungen getroffen werden, damit die einkommensschwächsten Mitbürger ihre Energie noch bezahlen können."

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Der Konzern dementierte Meldungen, nach denen Vattenfall die Einführung eines Sozialtarifs plane: "Wir denken nicht konkret über ein solches Produkt nach, wir sind aber dafür, dass darüber diskutiert wird. Wir haben Gesprächsbereitschaft signalisiert", sagte die Sprecherin von Vattenfall Europe weiter.

Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte die Versorger dazu aufgefordert, flächendeckend und dauerhaft einen Sozialtarif anzubieten. In einem so reichen Land wie Deutschland dürfe es keine Energie- oder Brennstoffarmut geben, sagte der SPD-Politiker im Bundestag.

"Keinen Schnellschuss wagen"

Damit hat Gabriel nach Ansicht von Holger Krawinkel, Fachbereichsleiter Bau, Energie und Umwelt beim Bundesverband der Verbraucherzentralen, ein wichtiges Problem angesprochen. Der Verbraucherschützer rechnet damit, dass sich das Problem Energiearmut in Deutschland noch verschärfen wird: "Da müssten Vorkehrungen getroffen werden, damit die einkommensschwächsten Mitbürger ihre Energie noch bezahlen können."

Der Verbraucherschützer rechnet aber ebenfalls nicht mit einer schnellen Lösung. Noch sei das Thema Sozialtarife in der Branche umstritten. "Aber der Vorstoß von Umweltminister Gabriel hat die Diskussion beschleunigt", sagte Krawinkel. Gleichzeitig warnte er vor einer kurzfristigen Lösung: "Da würde ich jetzt keinen Schnellschuss wagen, man muss genau schauen: Welche Gruppe ist bedürftig? Da muss jetzt ausgiebig diskutiert werden."

Bislang ist noch nicht einmal klar, ob die Energieversorger überhaupt eine flächendeckende Lösung anstreben. "So konkrete Vorstellungen haben wir noch nicht", sagte die Vattenfall-Sprecherin. Bislang gehen die Energiekonzerne unterschiedlich mit Kunden um, die ihre Strom- oder Gasrechnungen nicht bezahlen können.

Eon bietet seit Anfang Januar einen Sozialtarif an. Wer aufgrund seiner Bedürftigkeit von den Rundfunkgebühren befreit ist, muss keine Grundgebühr zahlen. Das sind je nach Region 60 bis 125 Euro. Bei den meisten anderen Energiekonzernen wird nach flexiblen Einzelfall-Lösungen gesucht - Kunden, die nicht liquide sind, können ihre Rechnungen beispielsweise in Raten abstottern. Das ist aber vom Einzelfall abhängig.

"Sozialpolitik ist Aufgabe staatlicher Instanzen"

Bei EnBW soll das auch in Zukunft so bleiben: "Wir planen keinen pauschalen Sozialtarif. Stattdessen suchen wir nach individuellen Lösungen. In begründeten Einzelfällen räumen wir unseren Kunden Ratenzahlungen ein", sagte ein Konzernsprecher. Die Begründung: "Als Unternehmen sind wir allen unseren Kunden verpflichtet. Sozialpolitik ist eigentlich die Aufgabe staatlicher Instanzen."

RWE hat sich wie Vattenfall noch nicht zu einer eindeutigen Haltung durchgerungen: "Wir sind im Moment dabei, die Möglichkeit eines Sozialtarifs eingehend zu prüfen. Grundsätzlich ist es allerdings das Ziel von RWE, alle Kunden gleich zu behandeln", sagte ein Sprecher.

Nicht so einig wie beim Zeithorizont sind Verbraucherschützer und Energiekonzerne bei der Finanzierungsfrage. Verbraucherschützer Holger Krawinkel fordert, dass die Konzerne die entstehenden Mehrkosten übernehmen: "Ich gehe davon aus, dass das hier die soziale Verantwortung der gutverdienenden Energieunternehmen darstellt. Das muss drin sein, bei diesen exorbitant hohen Gewinnen in den vergangenen Jahren." Vattenfall ist da entschieden anderer Ansicht: "Auf keinen Fall" liege die Verantwortung allein bei den Energieunternehmen, "da sehen wir viele Partner. Da müsste erst einmal diskutiert werden, wer da welche Anteile und welche Verantwortung übernimmt", sagte die Vattenfall-Sprecherin.

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