Soziales:Rentner finanzieren Mütterrente mit

Ein Saeugling haelt sich an der Hand seiner Mutter fest Berlin 17 10 2017 MODEL RELEASE vorhanden

Insgesamt profitiert ein Viertel aller Mütter, die vor 1992 Kinder bekommen haben, von der neuen Mütterrente.

(Foto: Thomas Trutschel/imago)
  • Von 2019 an bekommen viele Mütter mehr Erziehungsjahre für die Rente gutgeschrieben. Die Maßnahme mit dem Namen Mütterrente II kostet 3,5 Milliarden Euro.
  • Die Kosten tragen neben den Beitragszahlern auch die Rentner, die für die Mütterrente auf Rentensteigerungen verzichten müssen, zeigt eine Studie des DIW.
  • Nach Einschätzung der Wissenschaftler hilft die Mütterrente vor allem einkommensschwachen Rentnerinnen. Doch auch Wohlhabende profitieren.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Es ist ein zentrales Versprechen der Koalition: Von 2019 an sollen Mütter mit drei oder mehr vor 1992 geborenen Kindern drei statt nur zwei Erziehungsjahre für die Rente gutgeschrieben bekommen - in Form eines weiteren Entgeltpunkts, der ihre Rente erhöht. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat nun ausgerechnet, wer davon besonders profitiert - und wer die Kosten von rund 3,5 Milliarden Euro im Jahr (ohne Beiträge der Rentenversicherung zur Krankenversicherung der Rentner) tragen muss.

Ein besonders interessantes Ergebnis der Studie, die an diesem Mittwoch vorgestellt wird und der Süddeutschen Zeitung vorab vorlag: Zu 40 Prozent zahlen die Rentnerhaushalte selbst für die Mütterrente II - in Form von Verzicht. Die Ausgaben bremsen nämlich die üblichen Rentensteigerungen; das ergibt sich aus der Rentenformel, mit der das jährliche Rentenplus ermittelt wird.

Weitere 48 Prozent der Kosten tragen die heutigen Beitragszahler, also die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Denn die Mütterrente II bedeutet rechnerisch eine Erhöhung des Rentenbeitragssatzes um 0,15 Prozentpunkte. Die restlichen zwölf Prozent finanzieren die Steuerzahler, weil durch die höheren Beiträge zur Finanzierung der Mütterrente automatisch der Bundeszuschuss zur Rentenversicherung steigt - es fließt also mehr Steuergeld in die Rentenkasse.

In ihrer Wirkung funktioniert die Mütterrente II im Sinne ihrer Erfinder. Der DIW-Studie nach steigert sie nämlich das Nettoeinkommen besonders einkommensschwacher Rentnerhaushalte überdurchschnittlich stark: In allen Rentnerhaushalten, die von der Mütterrente profitieren, steigt das Einkommen im Schnitt nur um 3,8 Prozent. Bei den untersten 20 Prozent der Einkommensskala sind es dagegen fast sechs Prozent; noch stärker ist der Effekt bei Witwen mit Hinterbliebenenrente und allein lebenden Frauen über 75: In der untersten Einkommensgruppe bringt ersteren die Mütterrente II 6,5 Prozent mehr Einkommen, letzteren fast 8,5 Prozent. Im Gesamtdurchschnitt sind es dagegen nur 4,2 beziehungsweise knapp 5,2 Prozent.

Die Mütterrente II wirkt "durchaus armutsvermeidend", heißt es in der Studie

Insgesamt profitiert ein Viertel aller Mütter, die vor 1992 Kinder bekommen haben, vom dritten Entgeltpunkt. In den einkommensschwächsten 20 Prozent der Rentnerhaushalte sind es mit einem Drittel dagegen deutlich mehr; in den reichsten 20 Prozent wiederum mit 16 Prozent weniger. Der Grund: Ärmere Mütter haben häufiger drei oder mehr Kinder bekommen. Oder andersherum: Wer früher viele Kinder hatte, konnte meist nicht oder nur geringfügig arbeiten - und bekommt deshalb heute nur eine kleine Rente.

Der Unterschied zwischen jenen, die etwas haben von der Mütterrente II, und jenen, die leer ausgehen, ist durchaus gravierend: Während es für alle, die nur zwei vor 1992 geborene Kinder haben, bei zwei Erziehungsjahren je Kind, also zusammen vier Entgeltpunkten bleibt, sind es bei drei Kindern neun. Ein Entgeltpunkt hat gegenwärtig den Wert von 32,03 Euro im Westen und 30,96 Euro im Osten.

Die Mütterrente II wirke "durchaus armutsvermeidend", schreiben die Autoren der DIW-Studie, Stefan Bach, Hermann Buslei und Michelle Harnisch. Zielgerichtet sei die Reform allerdings nicht, weil sie trotzdem auch wohlhabende Rentnerinnen mit drei und mehr Kindern begünstige, während ärmere Rentnerinnen mit bis zu zwei Kindern leer ausgingen und noch durch verringerte Rentenerhöhungen belastet würden. Auf die Grundsicherung im Alter wird die Mütterrente zudem angerechnet. Profitieren allerdings würden Frauen, die zwar einen Anspruch auf Grundsicherung hätten - die Sozialleistung aber aus Scham oder Unwissenheit nicht beantragen.

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