Soziale Projekte:Der Yunus-Virus

Entwicklungshilfe einmal anders: Wie Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus Unternehmen zu Projekten animiert - von denen auch sie profitieren.

Tobias Engelmeier

In dem kleinen Dorf Golamari in Bangladesch, 100 Kilometer östlich der Hauptstadt Dhaka, ragt ein unscheinbares Bambusrohr mit einer blauen Kapuze aus der fest gestampften Erde. Muhammad Yunus, spätestens seit der Verleihung des Friedensnobelpreises der berühmteste Bürger seines Landes, legt eine Hand auf das Rohr und lacht. Neben ihm steht der Franzose Patrick Rousseau ernst und mit Zigarette zwischen den Lippen - und lässt sich dann doch zu einem Lächeln hinreißen. Ein paar Meter entfernt beobachtet eine Gruppe deutscher Manager das Geschehen. In einigem Abstand scharen sich die Männer und Frauen des Dorfes in ihren einfachen, bunten Kleidern - neugierig abwartend.

Soziale Projekte: Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus.

Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus.

(Foto: Foto: Reuters)

Dass die Menschen in Bangladesch vorsichtig sind, wundert nicht. Sie haben Katastrophen erlebt - und Helfer, die bald wieder weg waren, ohne dass sich die Lage entscheidend gebessert hätte. Regelmäßig vernichten Dürrezeiten die Ernte, oder es gibt Überschwemmungen. Das war schon immer so, die globale Klimaveränderung hat es nur verschlimmert. Es ist nicht das einzige Problem: Auch das Grundwasser ist an vielen Stellen arsenkontaminiert, jenes an der Oberfläche durch Industrieabfälle verschmutzt.

Genau diesen Missstand wollen Yunus und Rousseau, der für Südasien zuständige Manager des französischen Wasserspezialisten Veolia, beheben. Deshalb haben Veolia und Yunus' Grameen Organisation das Joint Venture GrameenVeolia gegründet. Die erste kleine Aufbereitungsanlage ist fast fertig. Das Bambusrohr ist ein Platzhalter für einen von 14 Wasserhähnen, die nun in der Gegend installiert werden sollen, um 25.000 Menschen mit Trinkwasser zu versorgen.

Ausprobieren im Kleinen

Yunus nennt solche Projekte Social Business. Weder Grameen noch Veolia werden etwas damit verdienen. Aber es ist ein kostendeckendes und somit nachhaltiges Geschäftsmodell: Die Bauern zahlen für das saubere Wasser. Veolia hat es geschafft, in diesem schwer zugänglichen Terrain eine kleine Aufbereitungsanlage zu bauen, das Oberflächenwasser zu reinigen und es zu einem Preis anzubieten, den die Dorfbewohner sich leisten können.

"Als Veolia mich gefragt hat, ob wir eine Kooperation starten können, habe ich gesagt: Wenn sie das Wasser für einen Taka, also einen Eurocent, pro zehn Liter anbieten können, dann gerne. Wenn nicht, dann nicht", sagt Yunus. "Denn mehr Geld können die Menschen hier nicht für ihr Trinkwasser ausgeben." Für Veolia war das eine harte Vorgabe. Rousseau gibt zu: "Wir haben mit diesem Projekt Neuland betreten." Wenn es funktioniert, sollen weitere Anlagen folgen.

So beginnt Yunus immer. Ein neues Geschäftsmodell probiert er im Kleinen aus, so lange, bis es sich selbst trägt. Dann wird es verbreitet. So hat er die Mikrokredit-Revolution in Gang gesetzt, Mitte der 70er Jahre. In einem Dorf sah er damals eine junge Frau, die aus Bambus Stühle fertigte. Er fragte: Gehört der Bambus Ihnen? - Ja. - Wie viel kostet er? - 5 Taka. Das reicht für einen Tag. - Woher haben Sie das Geld? - Ich leihe es mir von einem Geldverleiher. - Und was verlangt er dafür? - Am Ende des Tages muss ich ihm meine Stühle verkaufen. - Für wie viel? - Für 5 Taka und 50 Paise. "50 Paise! Das ist kaum genug um zu überleben. Das ist nichts anderes als Leibeigenschaft."

Lesen Sie auf der zweiten Seite, warum Muhammad Yunus ausgenutzt werden möchte - und was die Unternehmen bei diesen sozialen Projekten lernen.

Der Yunus-Virus

Der Rest der Geschichte ist bekannt. Yunus hat dann die Grameen Bank gegründet, um Mikrokredite zu vergeben. Beim ersten Mal hat er 27 Dollar verliehen. Heute sind es monatlich mehr als 80 Millionen Dollar und die Bank betreut 7,5 Millionen Menschen landesweit - fast ausschließlich Frauen. Sie haben sich als sehr zuverlässige Kreditnehmer erwiesen. Die Rückzahlquote liegt bei 98 Prozent. "Da ist es doch erstaunlich", sagt Yunus, "dass viele Banken sich immer noch nicht trauen, einer armen Frau 100 Dollar zu leihen, während sie gleichzeitig Milliarden aus spekulativen Geschäften abschreiben."

Soziale Projekte: Hier soll bald sauberes Wasser aus einem Hahn tropfen, das die Menschen in dem Dorf Golamari in Bangladesch auch bezahlen können.

Hier soll bald sauberes Wasser aus einem Hahn tropfen, das die Menschen in dem Dorf Golamari in Bangladesch auch bezahlen können.

(Foto: Foto: Engelmeier)

Yunus will die Armut besiegen - und dazu braucht er Verbündete. Immer häufiger findet er dafür große Konzerne. Yunus sagt dazu: "Ich bin hier, um ausgenutzt zu werden." Den Anfang machte Danone. 2007 entwickelte der französische Lebensmittelkonzern einen Joghurt für Arme, baute eine kleine Fabrik und fand lokale Verkäuferinnen. Zum Projektstart kam neben Konzernchef Franck Riboud auch der Fußballstar Zinedine Zidane - und das Land stand Kopf. Doch eine Sache stört Yunus noch: Der Joghurtbecher ist Wegwerfware. "Er müsste aber nutzbringend sein. Die Armen bezahlen schließlich dafür. Vielleicht können wir ihn essbar machen?" Wieder lacht er. Aber er meint es ernst.

Auch deutsche Unternehmen zeigen sich interessiert an einer Zusammenarbeit. Und damit sind wir wieder bei den Managern am Bambusrohr. Sie haben sich in vier Tagen alles genau angesehen, die Projekte, die Grameen Organisation, Land und Leute, und sie arbeiten schon an konkreten Geschäftsideen: Dabei geht es um Nahrungsmittelergänzung, um den Kampf gegen Malaria, um nachhaltige Fortbewegung und Landwirtschaft und um erschwingliche, funktionale Kleidung. Ein holländischer Investor ist auch dabei. Er überlegt, wie man einen Social Business Fund aufsetzen kann, um Projekte anzuschieben.

Motivationsschub durch gute Tat

Ohne den Einsatz des deutschen Unternehmers Hans Reitz wäre dieses Treffen rund um das Bambusrohr nicht zustande gekommen. Der umtriebige Mann hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Geist von Grameen zu fördern, Unternehmer, aber auch Studenten zu Projekten zu animieren. Er nennt das, den "Yunus-Virus" verbreiten. Reitz ist inzwischen persönlicher Berater von Yunus, in Deutschland hat er unter anderem das Grameen Creative Lab gegründet. Im November soll es ein großes Event mit Yunus in Berlin geben: ein World Social Business Forum für alle, die helfen wollen.

Aus der Sicht der Unternehmen ist eine Zusammenarbeit mit Grameen durchaus interessant. Natürlich ist es eine gute Gelegenheit, soziales Engagement zu zeigen.

Aber es gibt auch andere Gründe. Bei Danone etwa wurde festgestellt, dass das Joint Venture bei den Mitarbeitern im Konzern einen enormen Motivationsschub auslöst. Auch kommen die Joint Venture Partner mit einem ganz neuen Markt in Berührung, der nach anderen Regeln funktioniert. "Das ist Entwicklungshilfe von Bangladesch für Deutschland", sagt einer der Manager. Für Yunus ist nur eines wichtig: dass das Joint Venture den Armen hilft und die Richtlinie - kein Gewinn aus Geschäften mit den Armen - eingehalten wird.

Der Autor ist Managing Director der Beratung Bridge to India in Neu Delhi.

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