Soziale Netzwerke:Klicken statt klingeln

Soziale Netzwerke: Bauboom bei Düsseldorf: Äcker und Wiesen müssen Einfamilienhäusern und Doppelhaushälften weichen.

Bauboom bei Düsseldorf: Äcker und Wiesen müssen Einfamilienhäusern und Doppelhaushälften weichen.

(Foto: mauritius images / Westend61 / Guntmar Fritz)

Internetportale wollen Nachbarn zusammenbringen. Bislang hat sich kein Anbieter wirklich durchgesetzt, jetzt kommt Konkurrenz aus den USA.

Von Felicitas Wilke

Dieses Geschäftsmodell führt Menschen zusammen. Und es ist gleichzeitig absurd. Auf Nachbarschaftsportalen im Internet können sich Bewohner des gleichen Straßenzugs miteinander vernetzen - oder überhaupt erst kennenlernen. Dabei organisieren die Portale über das Internet etwas, das auch klappen würde, wenn die Menschen einfach an der nächsten Tür klingeln würden: sich sonntags Mehl für den Pfannkuchen leihen oder nach schönen Badeseen fragen. Damit auch das Start-up hinter dem Portal etwas von der Nachbarschaftshilfe hat, soll es Geld durch Anzeigen verdienen - von Läden aus der Gegend, natürlich. Jetzt drängt ein neuer Anbieter auf den deutschen Markt der Nachbarschafsportale: Der amerikanische Anbieter Nextdoor ist nach eigenen Angaben das "weltweit führende private soziale Netzwerk für Nachbarschaften". Das 2011 gegründete Unternehmen gibt an, in den USA 144 000 Nachbarschaften abzudecken. Dabei gilt: Sobald zehn Haushalte in der Gegend sich registrieren, wird die reale Nachbarschaft auch online besiegelt. Man wolle nun erreichen, dass auch die Menschen hierzulande ihre Nachbarn besser kennenlernen, heißt es auf der Webseite von Nextdoor.

Marcus Riecke, einst Vorstandschef des sozialen Netzwerks StudiVZ, wird den deutschen Ableger von Nextdoor führen. Als die amerikanische Plattform Facebook vor knapp zehn Jahren immer mehr Nutzer in Deutschland hinzugewonnen hatte, verlor StudiVZ enorm an Bedeutung. Wiederholt sich die Geschichte jetzt bei den Nachbarnetzwerken? Bislang hat sich in Deutschland keines der Portale so richtig durchsetzen können; es konkurrieren verschiedene Anbieter darum, Nachbarn miteinander bekannt zu machen. Nebenan.de ist mit einer knappen halben Million aktiver Nutzer in 3200 Nachbarschaften der bislang größte Anbieter. Gerade erst hat das Unternehmen bekannt gegeben, den Wettbewerber Wir Nachbarn übernommen zu haben - womöglich in weiser Voraussicht, dass bald Konkurrenz aus den USA drohen wird.

Fraglich ist, ob es überhaupt ein Anbieter schaffen wird, genügend Cliquen von seinem Konzept zu begeistern - geschweige denn, auf lange Sicht Geld damit zu verdienen. Denn viele Menschen scheinen gut damit leben zu können, ihre Nebenleute nicht zu kennen: Eine Studie der Universität Darmstadt zeigt, dass sich nur ein gutes Drittel der Befragten mehr Kontakt wünscht. Und: Wenn der Leidensdruck hoch ist, weil der Pfannkuchen ohne Mehl zu misslingen droht, trauen sich viele doch, einfach mal nebenan zu klingeln - um bei der Gelegenheit vielleicht ganz analog einen netten Nachbarn kennenzulernen.

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