Solidaritätszuschlag:Widersinnige Sonderabgabe

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Der markierte Schriftzug "Solidaritätszuschlag" auf einer Lohnabrechnung. (Foto: dpa)

Kaum eine staatliche Abgabe ist so widersinnig wie der "Soli", der ursprünglich nur für ein Jahr gelten sollte. Nun endlich scheint der Gesetzgeber Vernunft anzunehmen - vielleicht.

Kommentar von Marc Beise

Es sieht so aus, als habe in der deutschen Wirtschafts- und Finanzpolitik die kollektive Vernunft Einzug gehalten. In der Koalition ist tatsächlich die Idee gewachsen, man könnte den "Soli" abschaffen, diese Zusatzsteuer für Bürger und Unternehmen in Höhe von 5,5 Prozent, die Politiker immer gerne unerwähnt lassen, wenn sie die Tarife für Einkommen-, Körperschaft- und Kapitalsteuer benennen.

Kaum ein gesetzliches Instrumentarium ist so widersinnig wie der Solidaritätszuschlag, der helfen sollte, nach der Wiedervereinigung den Aufbau Ost zu finanzieren. In grauer Vorzeit, 1991, hat der Einheitskanzler Helmut Kohl diese Ergänzungsabgabe eingeführt, sie auf 3,75 Prozent der sonstigen Steuerschuld beziffert und übrigens auf ein Jahr befristet. Heute liegt der Aufschlag deutlich höher, und von Befristung ist schon lange keine Rede mehr - ein Lehrstück in Sachen Politik.

Für einen Soli ist kein Platz mehr

Dieses Sonder-Steuerrecht ist überaus problematisch - nicht etwa deshalb, weil im Osten alles gut wäre, das sicher nicht. Aber die Unterschiede der Lebensbedingungen können nicht mehr anhand der ehemaligen Zonengrenze kategorisiert werden.

Es gibt reiche und arme Regionen, und das hat viele Gründe, nicht nur Geschichte und Geld, sondern auch Tun oder Unterlassen von Politik. Nicht von ungefähr wird deshalb der Solidarpakt II mit seinen Osthilfen zum Jahr 2020 auslaufen - und wie auch immer die Finanzströme zwischen Bund und Ländern dann organisiert werden: Für einen Soli ist kein Platz mehr, da wäre schon das Verfassungsgericht vor.

Längst sind die Belastungen für den Mittelstand überzogen

Aber man kann die Einnahmen natürlich einfach in die anderen Steuern einhegen und diese entsprechend erhöhen. Das ist der Weg, den Kanzlerin Angela Merkel vor der Bundestagswahl verfolgt hat und den die SPD auch jetzt einfordert; fast so, als sei die Welt noch dieselbe wie die von 1989/91.

Aber heute erlebt der Staat das unverhoffte Glück einer europäischen Sonderkonjunktur. Der Fiskus profitiert atemberaubend stark vom europäischen Drama, die Exportwirtschaft boomt, die Steuereinnahmen sind auf Rekordniveau, die Zinslasten locker zu schultern. Und die Finanzämter kassieren immer weiter, als wäre nicht die Summe der Belastungen für den Mittelstand schon weit überzogen.

Die Gefahr wächst, dass am Ende eine große Chance vergeben wird

In guten Zeiten muss der Staat sparen, in schlechten drauflegen. Das Gebot der Stunde wäre der konsequente Abbau des Soli, während gleichzeitig Staatsausgaben gekürzt werden - in raschen Stufen, unter Bevorzugung der einkommensschwächeren Schichten. Stattdessen will die SPD nur umverteilen, und auch die Union denkt über einen Zeitraum bis 2030 nach, vier neue Wahlperioden sind das - als ob der Steuerzahler sich bis dahin auf irgendetwas verlassen könnte.

Noch ist ja nichts verloren, die Debatte beginnt erst. Aber die Gefahr wächst bereits, dass am Ende eine große Chance vergeben wird, die Bürger und Unternehmen leistungsfähiger und das Land gerechter zu machen. Und da ist sie wieder hin, die politische Vernunft.

© SZ vom 05.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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