Solarthermie:Heizung: Die Sonne kommt an Öl und Gas nicht vorbei

Solarthermie: Auch Start-ups helfen Mittelständlern und Hausbesitzern, eine neue Solaranlage oder eine Wärmepumpe zu finanzieren.

Auch Start-ups helfen Mittelständlern und Hausbesitzern, eine neue Solaranlage oder eine Wärmepumpe zu finanzieren.

(Foto: Rainer Weisflog/imago)

Bei der Wärmeversorgung ließe sich sehr viel Kohlendioxid einsparen. Doch der Umstieg auf Solarthermie verläuft schleppend.

Von Johanna Pfund

Das Ziel ist den Zahlen nach fast erreicht: Die Bundesregierung wollte den Anteil der erneuerbaren Energien an der Wärmeversorgung bis zum Jahr 2020 auf 14 Prozent erhöhen. 2015 lag er laut Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) bereits bei 13,2 Prozent. Damit wäre dieses ursprünglich angekündigte Ziel fast erreicht. Aber es genügt nicht, will die Bundesregierung den Kohlendioxidausstoß bis wie geplant bis 2020 um insgesamt 40 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 reduzieren. Denn nach den aktuellen Prognosen kommt Deutschland nur auf 33 Prozent Einsparung, eine Lücke tut sich hier auf. Viele Experten weisen daher immer wieder darauf hin, dass sich auf dem Wärmesektor am meisten Kohlendioxidausstoß vermeiden ließe.

Denn mehr als die Hälfte der in Deutschland benötigten Energie ist dem Wärme- und Kältesektor zuzurechnen. Die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (AGEB) errechnete, dass im Jahr 2014 etwa 27 Prozent der Energie für Raumwärme verbraucht wurden, weitere fünf Prozent entfielen auf Warmwasser, 22 Prozent auf Prozesswärme. Dabei setzt man überwiegend auf fossile Energieträger. Mehr als zwei Drittel der Wärme werden mit Erdgas und Heizöl erzeugt. Unter den erneuerbaren Energieträgern spielt Biomasse zusammen mit biogenem Abfall mit einem Anteil von fast 88 Prozent die wichtigste Rolle als erneuerbare Wärmequelle; insgesamt 136 Milliarden Kilowattstunden Wärme sind der Biomasse zu verdanken. Doch all die großen Zahlen täuschen: Die Begeisterung für Wärme aus erneuerbaren Quellen ist abgeflaut. Der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) stellte fest, dass der Markt für Erneuerbare im Jahr 2014 deutlich schrumpfte. Feste Biomasse (Scheitholz, Hackschnitzel oder Pellets) wurde weniger nachgefragt als im Vorjahr, ebenso stieg zwar die Zahl der Solarthermieanlagen, doch die neu installierte Fläche war geringer als die des Vorjahres. Im ersten Quartal 2016 zog der Markt für Solarthermie zwar wieder an. Nach Kehrtwende sieht es aber noch nicht aus.

Das monieren die Verbände schon lange Zeit. Der Bundesverband der Deutschen Energie-und Wasserwirtschaft (BDEW) nannte den Wärmemarkt vor Jahren einen schlafenden Riesen. Ähnlich formuliert es der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE). Dieser fordert eine steuerliche Förderung von energetischen Sanierungen zusätzlich zum bestehenden Marktanreizprogramm (MAP). Dies würde den Bund nach der Rechnung des BEE kaum etwas kosten - wenn alle Faktoren wie die Mehrwertsteuer berücksichtigt würden, die natürlich wieder mehr Geld in die Bundeskasse spült, sobald mehr investiert wird. Die Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) geht pragmatisch vor: Erst im Juni veröffentlichte sie die Planungshilfe "Ein Netzwerk für die Wärmewende". Es soll eine strategische Handreichung für Kommunen und Bürger sein, die in ihrem lokalen Wirkungsbereich künftig auf regenerative Wärmeversorgung umsteigen wollen.

All diese Bemühungen zeigen, dass die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC (PricewaterhouseCoopers) gar nicht so falsch lag mit ihrem herben Urteil über die Energiepolitik der Bundesregierung. In einer 2015 veröffentlichen Studie erklärte PwC, die Ziele der Bundesregierung auf dem Wärmesektor seien nicht erreichbar. Und die Sanierungsmaßnahmen an Gebäuden seien unzureichend, falls tatsächlich bis 2050 so viel Kohlendioxid eingespart werden sollte, wie es sich die Bundesregierung vorgenommen hat.

Auch die Forscher des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) kommen in ihrer Studie "Was kostet die Energiewende?" 2015 zu dem Schluss, dass ein solarthermischer Ausbau auf 159 Gigawatt bis ins Jahr 2050 notwendig sei, um die CO₂-Emissionen wie angekündigt um 85 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Dafür müsste man allerdings die aktuell in Deutschland installierte Kollektorfläche um das Zehnfache steigern.

Die Gesetzeslage bei der Förderung erneuerbarer Energien für den Wärmeeinsatz ist aber nicht einfach. Das ist auch der Bundesregierung bewusst, die im Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz angekündigt hat, dass die beiden Hebel Erneuerbare-Energien-Wärme-Gesetz (EEWärmeG) und Energieeinsparverordnung (EnEV) besser aufeinander abgestimmt werden sollen. Verfahren sollten vereinheitlicht und vereinfacht werden.

Wie schwer die Energiewende zu regeln ist, zeigt auch die derzeitige Diskussion um das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Das Bundeskabinett hat im Juni die von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel vorgelegte Reform beschlossen. Unter anderem soll sich die Förderhöhe für Strom aus erneuerbaren Quellen an der Marktwirtschaft orientieren.

Professorin Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin kritisiert die Neuerung scharf und weist einmal mehr darauf hin, dass die grundlegenden Probleme bei der Energieversorgung außer Acht bleiben, nämlich Wärme und Straßenverkehr: "Die eigentlichen Herausforderungen werden gar nicht angegangen - wie eine effiziente und erneuerbare Wärmeversorgung und Mobilität sowie eine Verbesserung der Versorgungssicherheit erneuerbarer Energien durch mehr Energiemanagement und mittelfristig mehr Speicher."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: