Solar Millennium:Schatten vor der Sonne

Solar Millennium hat Großes vor - der Erlanger Hersteller will das größte Solarkraftwerk der Welt bauen. Doch die Flucht von Ex-Chef Claassen hinterlässt trübe Gerüchte.

Markus Balser und Uwe Ritzer

Seinen ersten Auftritt in neuer Funktion hatte Christoph Wolff noch vor dem offiziellen Amtsantritt. Seit 1.Januar ist der frühere McKinsey-Berater Vorstandsvorsitzender der Solar-Millennium AG. Doch bereits bei der Weihnachtsfeier 2010 trat er zum ersten Mal vor die Mitarbeiter des Erlanger Unternehmens und hielt eine kleine Grundsatzrede.

Wüstenstrom-Projekt

Solaranlage in Spanien: Derzeit versucht der Hersteller Solar Millenium die Finanzierung für das größte Sonnenkraftwerk der Welt in den USA auf die Beine zu stellen.

(Foto: dpa)

Auf drei Dinge komme es ihm ganz besonders an, sagte Wolff: auf Integrität, Transparenz und Begeisterungsfähigkeit. Letztere darf man voraussetzen bei einer Firma mit dem erklärten Selbstverständnis: "Wir entwickeln die Zukunft". Die Punkte Integrität und Transparenz hingegen stehen etwas im Zweifel. Und das hat mit dem Vor-Vorgänger von Christoph Wolff zu tun.

Ganze 74 Tage war Utz Claassen, ehedem Chef des Energieriesen EnBW, Anfang 2010 Vorstandsvorsitzender bei Solar Millennium. Dann warf er abrupt hin. Die Gründe wurden nie öffentlich. Doch seither umwabern das Unternehmen trübe Gerüchte-Wolken, Claassen habe unsauberes Geschäftsgebaren festgestellt und habe lieber rechtzeitig die Flucht ergriffen, als hineingezogen zu werden.

Claassen steht als Abzocker da

Doch auch Claassens Ruf hat seit dem schnellen Abgang gelitten. Er steht als Abzocker da. Neun Millionen Euro Antrittsgeld hat er kassiert. Auf weitere 7,1 Millionen Euro Abfindung hat er Solar Millennium verklagt. Kein schlechtes Salär für drei Monate.

Christoph Wolff möchte sich am liebsten überhaupt nicht zum Thema Claassen äußern. "Alles vor meiner Zeit", sagt er, "über die Absichten von Herrn Claassen will ich nicht spekulieren."

Doch Wolff macht klar, dass sein Unternehmen die Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen will und kündigt entschlossenes Vorgehen im Streit mit Claassen an: "Der Aufsichtsrat wird alles tun, um das Geld zurückzuholen", sagt Wolff. Bei Solar-Millennium sei nie getrickst worden, das Finanzgebaren sei inzwischen mehrfach von renommierten Wirtschaftsprüfern untersucht und als seriös befunden worden, sagt Finanzchef Oliver Blamberger.

Wie schwer die Überzeugungsarbeit sein muss, lässt eine Aussage Blambergers vermuten. Seit Monaten, sagt er, sei der kaufmännische Bereich vor allem damit beschäftigt, Vertrauen am Kapitalmarkt zu werben.

Umsatz schrumpfte um die Hälfte

Die Firma will das Kapitel abschließen. Doch der Prozess um die Abfindung könnte sich monatelang hinziehen und viel Geld kosten. Geld, das für das eigene, ambitionierte Geschäft mit Sonnenenergie-Technik schmerzlich fehlen dürfte.

Schließlich lief das Geschäft alles andere als strahlend. Der Gewinn war im vergangenen Geschäftsjahr von 52 Millionen Euro auf 700.000 Euro eingebrochen. Der Umsatz schrumpfte mit 73 Millionen Euro auf knapp die Hälfte des Vorjahresniveaus. Verzögerungen bei wichtigen Kraftwerksprojekten und die Folgen des Claassen-Abgangs hätten das Unternehmen belastet, sagt Wolff. Der Aktienkurs purzelte und fiel binnen Jahresfrist von knapp 50 auf 17 Euro.

In diesem Jahr will das Unternehmen die Wende schaffen. Spektakuläre Großprojekte sollen sich positiv in der Bilanz bemerkbar machen. Im Sommer will Wolff die Finanzierung für den Bau des größten Solarkraftwerks der Welt in der kalifornischen Mojave-Wüste bei Blythe abgeschlossen haben.

In der Größenordnung von Kernkraftwerken

Für die ersten beiden Anlagen des insgesamt sechs Milliarden Euro teuren Prestigeprojekts müssen 600 Millionen Dollar Eigenkapital zusammenkommen. Die Chancen stünden gut, sagt Wolff. Es gebe mehr Interessenten als Anteile. Derzeit arbeitet Solar Millennium daran, für die Bankenfinanzierung Kreditgarantien der US-Regierung zu bekommen. Ab Sommer soll der Bau vorangetrieben werden. Das Unternehmen rechnet mit einer Bauzeit von 24 bis 30 Monaten. 2013 soll der erste Strom fließen.

Das Sonnenkraftwerk soll in seiner letzten Ausbaustufe genug Strom für rund eine halbe Million US-Haushalte produzieren. Damit dringt die Solarthermie in Größenordnungen vor, die bislang Kernkraftwerken vorbehalten war.

Solar Millennium gilt als Pionier dieser Technik. Solarthermie ist eine Variante von Sonnenstrom, die sich auch für Großkraftwerke eignet und Strom speicherbar macht - anders als die in Deutschland verbreitete Photovoltaik auf Hausdächern.

Das Gründungsmitglied des Wüstenstromprojekts Desertec ist als letzter deutsche Bieter im Rennen für den Bau des ersten Solarkraftwerks in Nordafrika. "Wir sind in der Endausscheidung eines von vier Bieterkonsortien", sagt Wolff. Noch 2011 soll die Entscheidung fallen. Wachsendes Interesse am Bau der Kraftwerke gebe es auch in China, Indien und Südafrika.

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