Software:Warum Microsoft den Fortschritt bremst

Softwareriese Microsoft hat eine Macht, wie sie nie zuvor ein Konzern besessen hat. Höchste Zeit, dass sich das ändert.

Karl-Heinz Büschemann

Man stelle sich vor, es gebe auf der Welt nur einen Autohersteller, der zugleich alle Tankstellen kontrolliert. Der den Motor zum Auto nur liefert, wenn der Kunde auch eine Garage mitbestellt, einen Wohnanhänger, Winterreifen und einen Dachgepäckträger, selbst wenn er solches Zubehör nicht braucht. Neue Modelle gäbe es nur unregelmäßig.

Die Käufer könnten aber nie sicher sein, ob die neue Autogeneration auch zuverlässig funktioniert, und alle paar Jahre wird die Qualität des Monopol-Treibstoffs so geändert, dass älterere Modelle auf den Schrott müssen. Eine absurde Welt, natürlich unrealistisch.

Aber es gibt einen Markt, auf dem es so ähnlich zugeht. Das ist der Weltmarkt der Software für Büro- oder Laptop-Computer, den der amerikanische Konzern Microsoft zu über 90 Prozent beherrscht.

Der hat mit seinem Basis-Betriebssystem "Windows'' eine solche Marktmacht, dass er Anwenderprogramme verkaufen kann, die Fachleute für mittelmäßig und viel zu teuer halten. Vor allem müssen seine Kunden auch Programme bezahlen, die sie gar nicht brauchen.

So wurde Unternehmensgründer Bill Gates zum reichsten Mann der Welt und Microsoft mit einem Börsenwert von etwa 200 Milliarden Euro zu einem der teuersten Unternehmen.

Europa kann stolz sein auf das Microsoft-Urteil

Endlich hat in dieser Woche der Europäische Gerichtshof dem Unternehmen nach fast zehnjährigem Rechtsstreit einen Dämpfer verpasst. Es habe seine Marktstellung missbraucht, urteilte der Gerichtshof. Das Unternehmen müsse seine Praxis ändern und eine Strafe von 500 Millionen Euro zahlen.

Europa kann stolz auf sich sein. Es ist einem Riesen entgegengetreten, der von den Kartellbehörden im eigenen Land bisher fast völlig verschont blieb. Bill Gates, der mit seinen 52 Jahren noch immer jungenhaft wirkt wie ein Student, gehört zu den meistbewunderten Persönlichkeiten der USA.

Doch man müsste ihm entgegenhalten, dass er seinen persönlichen Wohlstand und den Aufstieg von Microsoft dadurch erreichte, dass er die ganze Welt quasi als Geisel nahm. Die Kunden mussten mit dem zufrieden sein, was Microsoft ihnen gnädigerweise anbot.

Bill Gates und Microsoft haben eine globale Machtstellung erreicht, die zuvor kein Unternehmen hatte. Im Software-Sektor versagen sowohl die regulierenden Kräfte des Marktes wie die politischen und juristischen Kontrollen, die eine marktbeherrschende Stellung dieser Größenordnung verhindern müssten.

Selbst den Ölmagnaten David Rockefeller, dessen Standard Oil im Jahr 1911 von der amerikanischen Regierung in 34 Einzelfirmen zerschlagen wurde, stellt Bill Gates leicht in den Schatten.

Warum Microsoft den Fortschritt bremst

Der Aufstieg des Hightech-Unternehmens Microsoft beruht in erster Linie auf dem systematischen Ausgrenzen der Konkurrenz. Doch wer zielstrebig den Wettbewerb behindert, trägt nicht zur Steigerung des allgemeinen Wohlstands bei, sondern zu seiner Minderung. Er bereichert sich zu Lasten anderer. So steht es in jedem Wirtschaftslehrbuch.

Der Aufstieg begann Anfang der achtziger Jahre. Der kluge Student und Computerfan Bill Gates hatte schon früh ein Gespür fürs Geschäft und verstand es, die Dummheit anderer zu nutzen.

Er kaufte mit Kumpels billig ein primitives Betriebssystem für kleine Computer und drehte es für viel Geld auf Lizenzbasis dem IBM-Konzern an, der nicht in der Lage war, etwas Ähnliches für den aufblühenden PC-Markt auf die Beine zu stellen.

Jeder Computerhersteller durfte gegen eine Nutzungsgebühr seine simple Basis-Software einsetzen. Das war nicht verboten. Aber so schaffte es Bill Gates im Laufe weniger Jahre, mit seiner Software in praktisch jedem Personalcomputer der Welt vertreten zu sein.

Konkurrenten mit weit besseren Programmen rutschten ins Abseits.Bill Gates gibt bis heute den Konkurrenten die Basis-Informationen nicht, die sie brauchen, um für seine Windows-Rechner Programme schreiben zu können. Nur die Software aus dem eigenen Haus soll auf den PCs und Laptops laufen.

Rettung in letzter Minute

Immer wieder geriet Gates in die Mühlen der US-Kartellbehörden und Gerichte. In den Akten ist von Patentverletzungen die Rede und von wiederholten Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht. Oft konnte sich das Unternehmen nur durch Vergleiche in letzter Minute vor einer Verurteilung retten.

Im Jahr 2000 bescheinigt ein US-Bundesgericht dem Unternehmen sogar "räuberische Taktiken'' und ordnet seine Zerschlagung an. Da springt die Regierung rettend ein. Das Justizministerium unterbindet die Zerlegung, die dem Wettbewerb hätte helfen können.

Bill Gates ist nicht nur Schurke, er ist auch Held. Er ist der wichtigste Unternehmer der Vereinigten Staaten seit Henry Ford, er stiftet jedes Jahr eine Milliarde Dollar für gute Zwecke und gilt in den USA als Heiliger. Sein persönliches Ansehen in der Gesellschaft ist größer als deren Respekt vor den Gesetzen des Marktes und des Wettbewerbs.

Als die europäischen Richter Anfang dieser Woche festgestellt hatten, Microsoft habe die Regeln des internationalen Wettbewerbs verletzt, reagierte Amerika beleidigt. Der Spruch des Gerichts sei eine neue Form des europäischen Protektionismus, hieß es auf dem Kapitol. Das Justizministerium in Washington maulte, mit dem Urteil werde Innovation behindert.

Das ist blanker Unsinn. Die Amerikaner hätten dem Gericht danken und die US-Behörden auffordern müssen, dem Treiben des Windows-Konzerns auch im eigenen Land ein Ende zu setzen. Man muss annehmen, dass Microsoft eine der größten Technologie- und Fortschrittsbremsen dieser Zeit ist. Das zu ändern liegt im Interesse aller.

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