Software-Branche:Microsoft holt Linux ins Boot

Das weltgrößte Software-Haus schließt Frieden mit einem einstigen Erzfeind. Grund dürfte der anhaltende Erfolg der Open-Source-Software sein.

Thorsten Riedl

Mit der Ankündigung leitet Microsoft einen Strategiewechsel ein: Die Vereinbarung zwischen dem weltweit größten Softwarehaus und Novell sieht vor, dass auf Rechnern künftig ohne Schwierigkeiten sowohl das Windows- als auch das Linux-Betriebssystem laufen kann.

Dazu haben beide Unternehmen eine Entwicklungs-, Vertriebs- und Werbepartnerschaft ins Leben gerufen. Zudem haben sie ihren Kunden bis 2012 Rechtssicherheit versprochen, was mögliche Patentstreitigkeiten zwischen beiden Unternehmen angeht.

Laufende Rechtsfälle sind davon nicht betroffen. Die Novell-Papiere notierten am Freitag zeitweise mehr als 16 Prozent im Plus. Microsoft-Aktien blieben unverändert. Die Papiere von Red Hat, dem wichtigsten Novell-Wettbewerber, verloren bis zu vier Prozent.

"Ich erkenne zweifellos an, dass Linux eine wichtige Rolle im Technologie-Mix unserer Kunden spielt", sagte Microsoft-Chef Steve Ballmer auf einer Pressekonferenz in San Francisco.

Linux einst "Krebsgeschwür im Unternehmen"

Das sind völlig neue Töne: Noch vor fünf Jahren verglich er Linux mit einem "Krebsgeschwür", das in Unternehmen wuchere. Im Frühjahr 2003 engagierte sich der Microsoft-Chef persönlich, um die Stadt München davon abzuhalten, das freie Betriebssystem einzusetzen. München war eine der ersten großen Kommunen, die Linux flächendeckend eingeführt hat.

In den vergangenen Jahren hatte Ballmer mehrfach Linux als Konkurrent Nummer eins für die Betriebssysteme aus dem eigenen Haus bezeichnet. "Microsoft gesteht mit dem Pakt ein, dass Linux mehr ist als die Spielwiese von ein paar Technikfreaks", erklärt Christian Glas, Softwareanalyst beim Beratungshaus PAC.

Microsoft reagiert mit dem Novell-Bündnis auch auf den Erfolg von Linux. Nach den jüngsten Zahlen des Marktforschungsinstitutes IDC stiegen die Umsätze mit Linux-Software für Netzrechner im zweiten Quartal um 6,1 Prozent auf 1,5 Milliarden Dollar.

Bereits zwölf Prozent aller Firmen setzen das freie Betriebssystem auf ihren Servern ein. Die entsprechende Software von Microsoft verzeichnete ein Plus von 3,1 Prozent auf 4,2 Milliarden Dollar und einen Marktanteil von 34,2 Prozent.

Auf Position Nummer eins lag nach wie vor das System Unix mit einem Marktanteil von 35 Prozent. Die Umsätze schrumpften jedoch mit einem Minus von 1,6 Prozent auf 4,3 Milliarden Dollar. Bei Arbeitsplatzrechnern und tragbaren Computern jedoch hat das Windows-Betriebssystem von Microsoft einen Marktanteil von mehr als 95 Prozent.

Der Wunsch nach einer besseren Zusammenarbeit der konkurrierenden Betriebssysteme sei auch von Kundenseite gekommen, sagte Volker Smid, Geschäftsführer von Novell in Zentraleuropa, der Süddeutschen Zeitung. "Wir respektieren, dass viele Kunden beide Systeme im Einsatz haben."

Bereits im April hätten die ersten Gespräche zwischen Microsoft und Novell stattgefunden, sagte Novell-Chef Ron Hovsepian auf einer Pressekonferenz.

Besondere Bedeutung kommt der Einigung von Microsoft und Novell bei Softwarepatenten zu. "Wir haben durch die Vereinbarung mit Novell einen rechtlichen Rahmen gefunden, wie wir mit einem Anbieter von offenen Betriebssystemen kooperieren können", sagte Michael Grözinger, der neue Technikchef von Microsoft Deutschland, der SZ.

Mit Novell habe ein wichtiger Vertreter der Branche erkannt, "dass in Linux Patente von Microsoft verletzt werden". In der Vergangenheit hatte Microsoft häufig damit gedroht, gegen den Missbrauch eigener Ideen in Opensource-Produkten zu klagen.

Zugleich betonte der Konzern dann immer, dass eigene Kunden Rechtssicherheit in diesem Punkt hätten. Für die jeweils von dem anderen Unternehmen genutzten Patente haben Microsoft und Novell gegenseitige Zahlungen in nicht genannter Höhe vereinbart. Dabei werde für Microsoft eine höhere Summe fällig, hieß es, weil das Unternehmen mehr Software als der kleinere Rivale verkauft.

Verlierer Red Hat

Der klare Verlierer des Bündnisses zwischen Microsoft und Novell ist Red Hat. Das nordamerikanische Unternehmen teilt sich den Markt mit Novell und kommt auf einen Anteil von 61 Prozent.

Erst kürzlich hatte der Datenbankanbieter Oracle angekündigt, Linux-Produkte von Red Hat deutlich günstiger zu warten, als dies dem Unternehmen selbst im Moment möglich ist.

Branchenexperten sehen Red Hat daher in einer Position der Schwäche, schließen aber künftig ein eigenes Bündnis des Marktführers mit Microsoft nicht aus.

Ohne Red Hat zu nennen, sagte Grözinger von Microsoft, sein Haus sei offen für die Opensource-Branche: "Wir laden ein, mit uns zu sprechen". Experten gehen davon aus, dass Microsoft zunächst Erfahrungen aus der Novell-Partnerschaft sammle und bei Red Hat auf Zeit spielt.

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