Sofortüberweisungen:Italienischer Augenblick

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Kaufhaus in Rom: Künftig soll es auch möglich sein, mit Jiffy in Geschäften zu bezahlen. (Foto: Alessia Pierdomenico/Bloomberg)

Mit einer App für Sofortüberweisungen wollen Italiens Banken Angreifern aus dem Internet Paroli bieten. Das Angebot könnte es bald europaweit geben.

Von Ulrike Sauer, Rom

Da die Idee in Italien geboren wurde, kam sie nicht in einer Kneipe auf dem sprichwörtlichen Bierdeckel zur Welt. Vielmehr saßen im Januar 2014 zwei Finanzexperten in einer Mailänder Trattoria zusammen. Sie entwarfen Jiffy, Europas ersten Chat für Instant-Kontoüberweisungen, auf einer Papiertischdecke.

Die App, die zwischen Brotkrümeln und Soßenflecken Gestalt annahm, ist kein Produkt, wie es junge Fintech-Firmen gegenwärtig in vielen Ländern auf den Markt bringen. Jiffy ist auch kein Start-up, das von Nerds in den Zwanzigern gegründet wurde. "Bei Jiffy waren die 50-Jährigen am Zug", sagt Massimo Arrighetti mit Ironie. Denn Jiffy ist eine Gegenoffensive etablierter Banken, die auf die Angriffe aus der digitalen Welt reagieren. Arrighetti, selbst Jahrgang 1957, ist seit fünf Jahren Chef des Mailänder Finanzdienstleisters SIA und ein alter Hase der italienischen Bankszene. SIA ist schon seit den Siebzigerjahren im Zahlungsverkehr tätig, inzwischen mit mehr als 1500 Mitarbeitern auch außerhalb Italiens. Der Mechanismus, den ein SIA-Mitarbeiter zusammen mit einem Kunden aus einem italienischen Geldinstitut auf der Tischdecke skizziert hat, überzeugte Arrighetti auf Anhieb. Die Idee verbinde das Simple, Unkomplizierte und Schnelle des mobilen Internets mit der Zuverlässigkeit traditioneller Bankkonzerne, wirbt er für seine Entwicklung.

Jiffy ist englisch und bedeutet "augenblicklich". Der Name steht für die große Neuheit des Produkts: Überweisungen werden in Echtzeit auf dem Konto des Empfängers gutgeschrieben. "Das können nur wir", grenzt sich der SIA-Chef von Dienstleistern wie Paypal, Kartenanbietern und jungen Start-ups ab. Sogar Facebook kam im Juli in den USA mit einem digitalen Bezahlsystem auf den Markt. Die Beträge seien zwar ruckzuck überwiesen, jedoch erst nach einigen Tagen tatsächlich auf dem Konto verfügbar.

Die Mailänder App kommt ziemlich anwenderfreundlich daher. Jiffy funktioniert wie der Telefon-Chat Whatsapp. In der persönlichen Rubrik des Nutzers sind Personen gekennzeichnet, die bei Jiffy registriert sind. Der Geldabsender klickt den gewünschten Kontakt an, trägt eine Summe und gegebenenfalls einen Verwendungszweck ein und schickt den Betrag mit einem Fingertipp los. Alles, was er dazu benötigt, ist die Telefonnummer des Empfängers. Weitere Infos zu dessen Bankverbindung oder gar die Iban-Nummer des Kontoinhabers sind überflüssig. Die Verknüpfung zwischen Telefonnummer und Girokonto stellt Jiffy her.

Typische Situationen, in denen sich der Einsatz des blitzschnellen Zahlungsmittels anbietet: Im Büro wird für das Hochzeitsgeschenk an eine Kollegin gesammelt, das Volleyteam schmeißt zusammen, um den Bus für einen Ausflug zu chartern, und wer die Restaurantrechnung beglichen hat, bekommt den Anteil der anderen Mitstreiter zurück, oder Eltern zahlen das Taschengeld an ihre Kinder aus.

Mehrere Großbanken testen das System bereits seit einigen Wochen

Die Vorreiterin Ubi Banca aus Bergamo startete Anfang dieses Jahres den Praxistest mit SIA. Im Sommer zogen nun die Großbanken BNL, Banca Intesa und Unicredit nach. Der römische Geldkonzern Postbank stößt im September hinzu. Bis zum Jahresende will Arrighetti 45 italienische Banken dabeihaben. Dann können 80 Prozent der Kontoinhaber auf der Apenninen-Halbinsel den Ad-hoc-Geldtransfer benutzen. Noch richtet sich das Angebot an Privatpersonen, die untereinander Geld transferieren. In einigen Monaten soll auch der Einkauf in Geschäften und im Internet mit Jiffy möglich sein.

Den großen Sprung nach vorn will die Smartphone-App aber mit dem Sprung über die Alpen machen. "Jiffy war von Anfang an als ein europäisches Netzwerk gedacht", erzählt Arrighetti. Sie stützt sich auf das Modell der Sepa-Überweisungen und ist damit für alle europäischen Banken unverzüglich einsetzbar. Das Potenzial einer grenzüberschreitenden Expansion ist enorm: Theoretisch kann Jiffy 400 Millionen Kontoinhaber in Europa erreichen. Die Italiener wollen sich bis zum Jahresende allen Finanzinstituten in Europa vorstellen. Bei der Bundesbank in Frankfurt und einzelnen deutschen Kreditinstituten hat SIA bereits für Jiffy geworben.

Interessant ist die Initiative aus Italien, weil sonst konkurrierende Banken nun gemeinsame Sache machen. Kleine und große Geldhäuser aus der Offline-Welt rüsten sich für den Wettbewerb mit den großen aggressiven Internetkonzernen. Den traditionellen Geldinstituten wachsen im Zahlungsverkehr starke Rivalen heran. Unternehmen wie Paypal, Ebay, Apple, Amazon oder Alibaba, aber auch immer mehr kleine Start-up-Firmen fordern die alte Geldgilde heraus. Mit Jiffy versuchen die Banken nun, ihre Vorteile wie Erfahrung, Vertrauenswürdigkeit und lange Kundenbeziehungen auszuspielen und ein innovatives, schnelles und einfaches Produkt anzubieten.

Offenbar haben die italienischen Banken aus dem Debakel der Telekomanbieter gelernt, denen Skype, Whatsapp und Co. Umsätze und Gewinne stehlen. Erklärtes Ziel ist es, neue Marktanteile in der digitalen Welt zu erobern. "Wir stehen erst am Beginn einer neuen Ära des Geldaustauschs", warnt Arrighetti. Noch rückt er keine Zahlen heraus, da bis Anfang Juli nur eine einzige Bank mit Jiffy zusammengearbeitet hat. Doch die ersten Erfahrungen zeigten: Jiffy erhöhe die Zahl der Überweisungen und ersetze das Bargeld.

© SZ vom 13.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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