Snacks:Nehmt mir die Chipstüte weg

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Nur die halbe Packung zu essen, das schafft kaum einer. Deshalb muss Deutschland über ein Verbot diskutieren.

Kommentar von Bastian Brinkmann

Auf den ersten Blick ist das eine ziemliche Überraschung. Mehrere multinationale Lebensmittelkonzerne schließen sich zusammen und wollen, dass ihre zuckrigen und fettigen Produkte eine Ampel tragen. Sie leuchtet rot, wenn zu viel Fett und Zucker drin ist. Sonst ist alles im grünen Bereich. Das verwundert, denn es geht um Limonaden und Süßigkeiten; die Idee stammt von Coca-Cola, Pepsi, Mars, Mondelez (bekannt etwa für die Oreo-Kekse), Nestlé (Kitkat und mehr), Unilever (Lipton-Eistee und Ähnliches). Klingt alles lecker, aber alles auch ziemlich nach roter Ampel.

Dahinter steckt natürlich ein Trick. Bewertet werden soll nicht, wie viel Zucker und Fett tatsächlich in den Packungen ist, sondern wie viel Zucker und Fett in einer kleinen Portion ist. Wie groß diese Portion ist, definieren die Konzerne. Damit ist diese Ampel nutzlos. Denn schon jetzt veröffentlichen Unternehmen Portionsgrößen, die nichts mit der Realität zu tun haben.

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Der Vorschlag hat jedoch auch eine positive Seite. Denn die Fett-und-Süß-Konzerne haben unfreiwillig ins Spiel gebracht, in Portionen zu denken. Hier sollte die Gesellschaft die Firmen beim Wort nehmen - und die gängigen Packungsgrößen verbieten.

Es ist doch so: Wer eine Tüte Chips öffnet, isst sie auch auf. Punkt. Wer etwas anderes sagt, flunkert oder hat sich so sehr unter Kontrolle, dass er auch Marathon läuft (Glückwunsch an dieser Stelle an die Betroffenen). Der durchschnittliche Mensch ist nicht in der Lage, nur eine Konzern-Portion zu essen, wenn die Packung viel größer ist. Eine Tüte Chips enthält beispielsweise 250 Gramm. Funny Frisch definiert eine "Portion" als 30 Gramm. Also etwas mehr als ein Zehntel der Packung. Wer schafft es schon, aus der Chipstüte nur eine Hand zu nehmen und sie dann wieder in den Vorratsschrank zu räumen? Das ist doch nicht ganz knusper.

Snacks sind eine schöne Sache, Unternehmen sollen sie bitte, bitte verkaufen und damit Geld verdienen. Nur eben in Snack-Größen. Plötzlich klingen 30 Gramm ganz vernünftig. Danke, Coca-Cola, danke, Mars! In einer portionierten Welt können auch Menschen, die nicht Marathon laufen, eine Chips-Packung öffnen und eine halbwegs gesunde Menge essen.

Das ist natürlich ein extrem paternalistisches Gedankenexperiment, klar. Keiner will einen Staat, der den Bürgern jede Freiheit nimmt. Nur weil ein paar Menschen sich danebenbenehmen, muss nicht gleich alles verboten werden. Aber manche Eingriffe sind auch nötig. Und Zucker und Fett sind gesundheitspolitisch wichtig, wie Zigaretten. Hier hat der Staat die Gewerbe- und Genussfreiheit schon stark eingeschränkt. Zigaretten sind teuer und hässlich geworden. Wer raucht, ist schon lange nicht mehr cool. Die Verbote, auch wenn Verbote erst mal uncool sind, haben dazu beigetragen.

Zugestanden: Kleine Größen können den Einstieg erleichtern

New York hat schon einmal probiert, die Serviergröße von Limonaden zu beschränken. Die Stadt wollte verbieten, mehr als 16 Unzen Cola oder Orangenlimo auszuschenken, das sind weniger als 500 Milliliter. Wenn man dann noch diese Zahl aus dem amerikanischen Gigantismus in europäische Kleingeistigkeit übersetzt, geht es übersetzt um eine Serviergröße von 200 Millilitern. Das wäre eine passable Größe.

Es gibt gute Argumente gegen kleine Packungen. Drogenberater wissen, dass kleine Portionen den Einstieg erleichtern. Das könnte auch für Zucker gelten. Es könnte auch zu mehr Müll führen. Aber ein Verbotsvorschlag von den bisherigen Standardgrößen kann eine Inspiration sein. Oder wenigstens ein Quell für Willensstärke, am Wochenende doch mal nur die halbe Chips-Packung aufzuessen.

© SZ vom 11.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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