Smartphones:Die Alten können's noch

Anbieter von Mittelklasse-Smartphones drängen mit Marken von gestern in die hart umkämpfte Branche. So kommt es, dass plötzlich wieder Geräte von Nokia oder Motorola auf dem Markt sind.

Von Helmut Martin-Jung

Apple, Samsung? Oder doch ein Flagship-Killer, ein Anbieter also, der den beiden Marktführern Paroli bieten kann? In der öffentlichen Wahrnehmung geht es bei Smartphones hauptsächlich um den Kampf an der Spitze der Entwicklung. Doch der ist inzwischen deutlich weniger relevant als früher, weil heute auch günstigere Smartphones (fast) alles können, was von ihnen verlangt wird. Und so gerät dadurch ein sehr großer und damit wichtiger Teil des Angebotes aus dem Blickfeld: Der Markt der Mittelklasse-Smartphones, der immerhin um die 40 Prozent ausmacht.

Doch für die Anbieter, die in diesem Segment Erfolg haben wollen, ist das nicht leicht. Als Betriebssystem kommt nur Android in Frage, darüber kann man sich also kaum vom Wettbewerb unterscheiden. Wie können sie sich von der Masse der Angebote abheben, die sich auch äußerlich gleichen wie ein Haar dem anderen? Im wesentlichen gibt es dafür drei Ansätze:

1. Der Preis. Anbieter, die man (noch) nicht kennt, versuchen oft, mit Kampfpreisen ihren Bekanntheitsgrad in einem Markt zu steigern, wenn sie ihn schon nicht erobern können. Doch da der Markt ohnehin sehr preisgetrieben ist und die Margen umso kleiner werden je günstiger die Smartphones sind, ist das keine Dauerlösung. Außerdem brauchen die Unternehmen dafür auch ausreichend finanzielle Reserven.

Der Klassiker Nokia 3210 ist neu aufgelegt zum Verkaufsrenner geworden

2. Die Marke. Bei Siemens ist es wohl endgültig zu lange her. Doch Marken wie Motorola - die Älteren erinnern sich womöglich noch an das für damalige Zeiten unglaublich flache Klapphandy Razr V3 - oder auch Nokia ziehen immer noch. Wie sehr, das lässt sich gerade am Erfolg des neu aufgelegten Klassikers Nokia 3210 beobachten. Mag das Gerät auch in Wahrheit ein ziemlich gewöhnliches Billighandy im nostalgischen Gewand sein, allein die Erinnerung an das superrobuste, wenn auch featuretechnisch äußerst beschränkte Original reichte aus, um es zum Verkaufsrenner werden zu lassen. Hersteller HMD global kann im Moment gar nicht so viele Geräte fertigen, wie er verkaufen könnte.

Smartphones: Auf der Messe Mobile World Congress stellte HMD global, Inhaber der Markenrechte an Nokia, erstmals seine neuen Smartphones vor.

Auf der Messe Mobile World Congress stellte HMD global, Inhaber der Markenrechte an Nokia, erstmals seine neuen Smartphones vor.

(Foto: Josep Lago/AFP)

Auch Lenovo, das chinesische Unternehmen, das von Google die Motorola-Mobilfunksparte gekauft hat, setzt nun wieder auf die altbekannte Marke. Davor hatte man es mit Lenovo versucht - immerhin in der PC-Welt eine Größe -, doch das funktionierte nicht so gut wie erhofft. Lenovo aber wendet - mit mehr Erfolg - auch noch eine weitere Methode an.

3. Besonderheiten. Mit der Reihe der Moto Z-Smartphones hat Lenovo das wesentlich besser gemacht, was Google (Project Ara) und auch LG (G 5) mit krachendem Misserfolg versucht hatten: Das Moto Z lässt sich sehr leicht mit sogenannten Mods erweitern. Mods, das sind Zusatzgeräte, die sich durch einfaches magnetisches Andocken an der Rückseite mit dem Smartphone verbinden lassen. Das neue Moto Z2 ist gerade neu auf dem Markt, und wie von Lenovo versprochen, gibt es dazu auch einige neue Mods (siehe unten).

Diese Idee, die viel Entwicklungsarbeit mit sich brachte und viel Überzeugungsarbeit bei den potenziellen Partnern für neue Mods benötigte, hat Lenovo einen guten Start verschafft. Glaubt man Lars-Christian Weisswange, Geschäftsführer Motorola Mobility Germany, lagen die Verkaufszahlen von etwa drei Millionen Stück über den eigenen Erwartungen. Für eine Firma, die nahezu tot war, kein schlechtes Comeback.

Die Handys der Finnen galten in ihrer Hochzeit als nahezu unverwüstlich

Ähnliches erhofft man sich auch bei Nokia. Florian Seiche, der Chef von HMD global, war früher mal bei Siemens in der Mobilsparte, dann bei Nokia. Er und einige andere Ex-Nokia-Leute haben mit Hilfe von Wagniskapital HMD global gegründet und für zehn Jahre die Rechte an der Marke Nokia gekauft, weil sie glauben, dass mit der Marke noch viel zu holen ist. Man achte ganz besonders darauf, sagt Seiche, die Geräte robust zu bauen, weil viele potenzielle Kunden gerade das noch immer mit Nokia verbinden. Die Handys der Finnen galten schließlich zu ihrer Hochzeit als nahezu unverwüstlich.

HMD global ist aber auch ein interessantes Unternehmen, denn es trägt den Namenszusatz "global" zu Recht. Die Firma, in Finnland gegründet, hat mehrere Standorte, der Chef etwa sitzt in London. Und ein wichtiger Partner ist das große Fertigungsunternehmen Foxconn. Die Firma baut nicht nur Apples iPhones zusammen, sondern auch die Geräte vieler anderer Hersteller. Und Foxconn liefert mittlerweile auch eine Reihe wichtiger Komponenten, die aus der Übernahme der japanischen Firma Sharp stammen, darunter vor allem Bildschirme, aber auch andere Bauteile. HMD global bringt jetzt die Android-Smartphones auf den Markt, die man auf dem Mobile World Congress im Februar angekündigt hatte, allerdings etwas im Schatten des Hypes um das Retromodell 3210.

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