Smart home:Willkommen zu Hause

Vorschau zur Luminale 2016 (PR Material)

Mensch und Raum sind miteinander verbunden. Das Bild zeigt eine Installation, die auf der diesjährigen Luminale zu sehen sein wird.

(Foto: Jeongmoon Choi/PR)

Alle möglichen Geräte sollen künftig lernen, miteinander zu kommunizieren. Für die Industrie ist das Internet der Dinge eines der wichtigsten Zukunftsthemen.

Von Helmut Martin-Jung

Pling - auf dem Handy ist eine neue Nachricht eingegangen. "Die Alarmanlage wurde deaktiviert", heißt es in der SMS. Die Szene stammt aus einem TV-Krimi, könnte sich aber durchaus so zugetragen haben. Aber wer schreibt so etwas? Kein Mensch, und das ist ganz wörtlich gemeint. Denn das Haus in dem Krimi ist, was neudeutsch gerne als Smart Home bezeichnet wird, ein Haus also, in dem viele Gegenstände miteinander vernetzt und über eine Schnittstelle auch mit dem Internet verbunden sind. Deshalb erhielt der Hausbesitzer im Krimi die SMS. Es reichte, dass jemand ins Haus kam und den korrekten Code eingab, und schon wurde in einem automatischen Prozess die SMS losgeschickt. Neugierig geworden, lässt sich der Hausbesitzer die Videos aus den ebenfalls eingebauten Überwachungskameras vorspielen. Und bringt so die Ermittlungen der Polizei einen Schritt weiter.

Die kleine Szene steht sozusagen als pars pro toto für Segen und Fluch der Vernetzung. Sosehr es ein Segen sein kann, wenn durch Kameras wie in diesem Fall ein Verbrechen geklärt werden kann, so sehr es hilft, wenn man bei einem intelligenten Haus auch aus der Ferne noch überprüfen kann, ob der Herd wirklich ausgestellt wurde - es ist eben auch keine Technik ohne Schattenseiten.

Sehr eindrücklich - und auch ein bisschen übertrieben - hat sie der britische Autor Philip Kerr in seinem schon in den 1990ern erschienenen Buch "Game over" beschrieben. Ein vollcomputerisiertes Hochhaus in Los Angeles wendet sich gegen seine Besucher und geht dabei äußerst fantasievoll zu Werke.

Die realen Gefahren stecken zumindest derzeit eher woanders. Die Vernetzung ist bei vielen Geräten nicht von Anfang an mitgedacht worden, sondern eher am Ende oben draufgesetzt worden. Und meistens sind die Hersteller zwar Experten etwa für Heizungen, nicht aber für Vernetzung. Das führt dann zum Beispiel dazu, dass Heizungsanlagen sich zwar aus der Ferne steuern lassen - was schön ist, wenn man aus einem längerem Urlaub zurückkehrt und nicht ins kalte Haus kommen will. Doch leider kann das jeder, denn der Online-Zugang wurde nur stümperhaft abgesichert.

Was für die Heizungen gilt, gilt auch für andere Gerätschaften, die alle plötzlich lernen sollen, untereinander zu kommunizieren. Das Dumme daran: Ein Netz ist immer nur so stark abgesichert wie sein schwächstes Glied. Eine schlecht gesicherte Waschmaschine, ein Drucker, der einfach offen im Netz steht, kann es Kriminellen leicht machen, in ein Netz einzudringen.

Und es kommt noch ein Problem hinzu: Anders als bei Computern oder Smartphones ist es bei vernetzten Alltagsgegenständen weder besonders einfach, noch die Regel, Updates einzuspielen. Auch wenn also ein Hersteller sich überhaupt die Mühe macht, entdeckte Sicherheitslücken zu schließen, ist keineswegs sicher, dass der Endkunde davon erfährt und dass er es auch schafft, das Update vorzunehmen. In den meisten Fällen ist es ohnehin so, dass die Hersteller sich nicht mehr um ihre Geräte kümmern, wenn sie erst einmal das Lager verlassen haben.

Dass die ganze Sache mit der Vernetzerei einschläft, ist trotzdem nicht zu erwarten. In der Industrie, auf allen wichtigen Technikmessen, ist das Internet der Dinge beherrschende Thema. "Es gibt einen riesigen Bedarf auf dem Markt, Dinge zu verbinden", sagt zum Beispiel Enrico Salvatori, der Europa-Chef des Chipherstellers Qualcomm. Salvatori hat einen wichtigen Job im Konzern, denn Europa ist ein wichtiger Markt: Ein Viertel aller vernetzten Geräte, so prognostiziert es das Unternehmen, werden hier eingesetzt werden. Bis 2020, also in weniger als vier Jahren, soll es bereits vier Milliarden davon geben. Einen wichtigen Bereich bilden dabei auch vernetzte Geräte, die am Körper getragen werden, die Branche nennt das Wearable Technologies, kurz Wearables. Hinzu kommen Dinge wie Lieferdrohnen, vernetzte Audio-Geräte - "da draußen", sagt Anthony Murray, bei Qualcomm fürs Internet der Dinge zuständig, "ist noch ein ganzer unerforschter Ozean." Firmen wie Qualcomm liefern die winzigen Chips für solche Anwendungen, auf denen etwa die vielen Sensoren einer Drohne in einem einzigen Stück Silizium zusammengefasst werden - was Gewicht und Strom spart.

Immerhin machen sich solche Firmen auch Gedanken darum, dass mit all den neuen Möglichkeiten nicht alles gleich sofort auch einfacher wird. Schon ein Fernseher mit angeschlossener Settopbox und Spielkonsole überfordert heute manchen Nutzer. "Die Drahtlos-Technik ist heute ein Alphabet-Zoo", sagt der Netzwerk-Experte Rahul Patel und spielt damit auf die zahllosen Abkürzungen der Technikwelt an, mit denen immer weniger Menschen etwas anfangen können. Er arbeitet deshalb daran, die verschiedenen Techniken zu verbinden, ohne dass die Nutzer sich kümmern müssen. Dazu gehören auch drahtlose leistungsfähige Übertragungstechniken, die das Gefummel mit verschiedenen Kabeln überflüssig machen.

Wie umfassend die Vernetzung bereits gedacht wird, davon bekommt man auf Messen wie dem Mobile World Congress in Barcelona einen Eindruck. Der Chiphersteller Intel etwa hat in Kooperation mit einem BMX-Fahrer Technik für ein solches Fahrrad entwickelt. Ähnlich wie es in der Formel 1 schon üblich ist, erfasst diese über eine Vielzahl von Sensoren permanent wichtige Daten, wie Bob Herrero von Intel erklärt: "Wie schnell war ich in der Kurve, welchen Winkel hatte ich beim Absprung?" Mit den Daten wollen die Sportler unter anderem das Risiko senken, wenn sie neue Tricks ausprobieren, sagt Herrero. Das System werde bereits von vielen Sportlern eingesetzt, zum Beispiel von Snowboard-Fahrern.

Bei aller Begeisterung über sinnvolle Anwendungen, die es durchaus gibt, bleibt vor allem in Sachen Smart Home eine Frage oft deutlich unterbelichtet. Die nämlich, wie groß der Bedarf nach dem vollvernetzten Heim tatsächlich ist. Noch gibt es ja nicht einmal Standards, die wirklich über viele Geräte hinweg für eine problemlose Verbindung sorgen. Noch ist es eher ein Experimentierfeld für early adopters, Leute also, die gerne neue Technik ausprobieren. Doch ob die Masse der Menschen für ein bisschen Bequemlichkeit sich auf relativ komplizierte Technik einlassen wollen, dazu noch Sicherheitsrisiken und die mögliche Überwachung in Kauf nehmen, das wird sich zeigen müssen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: