Skandale um die Formel 1:Mercedes droht Ecclestone mit Revolte

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Tarnfirmen, Machtspiele, Machenschaften: Daimler hat genug davon und will saubere Verhältnisse im Motorsport. Sollte Bernie Ecclestone wegen Bestechnung angeklagt werden, will der Stuttgarter Autohersteller die Absetzung des Formel-1-Chefs erzwingen. Für den allmächtigen Promoter wird es eng.

Klaus Ott

Im Visier der Medien und der Justiz: Formel-1-Boss Bernie Ecclestone. (Foto: Paul Gilham/Getty Images)

Die Saison verläuft schlecht für die Silberpfeile, wie die Formel-1-Boliden von Mercedes genannt werden. Die Rennautos des Teams aus dem Daimler-Konzerns, gefahren von Michael Schumacher und Nico Rosberg, landen meist auf den hinteren Plätzen oder fallen aus.

Demnächst aber könnte Mercedes ganz vorne sein, angetrieben von der Konzernspitze bei Daimler um Vorstandschef Dieter Zetsche. Sollte Formel-1-Chef Bernie Ecclestone, wie zu erwarten, wegen Bestechung angeklagt werden, dann will Daimler eine Debatte über ein vorzeitiges Ausscheiden des Briten anzetteln. Zusammen mit den anderen Teams und den Sponsoren soll dann diskutiert werden, ob der 81-Jährige unter diesen Umständen noch Renn-Boss bleiben könne.

In der Konzernspitze von Daimler in Stuttgart hat man gründlich besprochen, was bei einer Anklage gegen Ecclestone zu tun sei. Das Ergebnis: "Wir werden keinen monatelangen Prozess abwarten, sondern etwas unternehmen." Zu dubios sind die Umstände, unter denen der Renn-Boss vor Jahren dem damaligen Spitzerbanker Gerhard Gribkowsky heimlich 44 Millionen Dollar hat zukommen lassen (von denen der Brite etwa die Hälfte selbst zahlte).

Tarnfirmen, Machtspiele, Machenschaften

Das viele Geld floss über Tarnfirmen in der Karibik und im Indischen Ozean; über Mittelsmänner wie den italienischen Industriellen und Sportmanager Flavio Briatore, der wegen unsauberer Machenschaften vorübergehend aus der Formel 1 verbannt worden war. Und es wurde gezahlt für nichtssagende, wertlose Beraterverträge.

Gribkowsky war Vorstand bei der BayernLB, der damals rund die Hälfte der Formel-1-Aktien gehörte und die mit Ecclestone um die Vorherrschaft im Rennsport kämpfte. Schmierte der Brite, um seine Macht zu sichern, den Banker Gribkowsky? Die Münchner Staatsanwaltschaft vermutet das und will Ecclestone anklagen. Der bestreitet das und sagt, er sei von Gribkowsky erpresst worden.

Der Deutsche sitzt bereits im Gefängnis. Muss auch der Brite dorthin? Was wahr ist und was nicht, könnte in einem Prozess in München erörtert werden. Spätestens bei einer Verurteilung wäre Ecclestone weg aus dem Rennsport. Dafür hat die Daimler AG im neuen Vertrag ihrer Tochtergesellschaft Mercedes mit der Formel 1 Vorsorge getroffen.

Das Abkommen gilt ab dem nächsten Jahr und enthält erstmals sogenannte Compliance-Regeln, wie sie auch bei Daimler gelten. Compliance steht für die Abwehr von unsauberen Geschäften. Nach Angaben aus Daimler-Kreisen hat sich Mercedes eine Reihe von Rechten ausbedungen.

Umfassende Information, Einsicht in Unterlagen. Und vor allem: Mercedes kann personelle Konsequenzen verlangen, falls ein Formel-1-Manager wegen Gesetzesverstößen verurteilt wird. Sollte dieser Manager trotzdem an der Macht bleiben, dann hat Mercedes ein Sonderkündigungsrecht. Das zielt auf Ecclestone. Silberne Pfeile auf den Formel-1-Chef. Er oder wir, lautet die Parole in Stuttgart.

Daimler will, nachdem man in den vergangenen Jahren eine eigene Schmiergeldaffäre überstanden und eine hohe Strafe in den USA gezahlt hat, nichts mehr zu tun haben mit solchen Methoden. Und nichts mehr zu tun haben mit Leuten, die sich solcher Methoden bedient haben (könnten). "Daimler duldet keine unmoralischen oder korrupten Praktiken durch Mitarbeiter oder seitens der Geschäftspartner", steht in den Konzernvorschriften. Für Ecclestone gibt es da keine Ausnahme von der Regel. "Wir wollen, dass die Formel 1 ein sauberer Laden ist."

Es wird eng für den Renn-Boss. Die Münchner Staatsanwaltschaft ist offenbar fest zu einer Anklage entschlossen. Es sei denn, Ecclestones Anwälte Sven Thomas und Norbert Scharf hätten in einem Anfang Oktober eingereichten Schriftsatz das berühmte Kaninchen aus dem Haus gezaubert und etwas vorlegt, das den berühmten Mandanten stark entlastet.

Die Verteidiger haben Widersprüche des bereits verurteilten Gribkowsky herausgearbeitet, aus dem inzwischen ein Zeuge der Anklage geworden ist. Außerdem haben die Verteidiger weitere Ermittlungen gefordert. Das könnte die Staatsanwaltschaft einiges an Zeit kosten. Und es könnte Ecclestone helfen, die aktuelle Formel-1-Saison zu überstehen, die im November endet. Das wäre aber nur ein Nebeneffekt. Die Verteidiger wollen nichts verzögern; sie wollen, dass die Vorwürfe gegen ihren Mandanten fallen gelassen werden.

Was sind Gribkowskys Aussagen wert?

Thomas und Scharf haben schon viele Bosse herausgehauen hat, bis hin zum früheren Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer. Dem Vernehmen nach bezweifeln Ecclestones Verteidiger, dass Gribkowsky Zeugenaussagen bei der Staatsanwaltschaft überhaupt etwas wert seien.

Gribkowskys Anwälte sollen zuvor angefragt haben, ob im Gegenzug eine Hafterleichterung oder gar vorübergehende Haftverschonung denkbar wäre. Die Staatsanwaltschaft hat sich darauf nicht eingelassen, aber das bietet natürlich Angriffspunkte für Ecclestone. Um vorzeitig freizukommen, sage der Deutsche alles, vermutet der Brite.

Fünf Rennen stehen diese Saison noch auf dem Programm, das letzte am 25. November in Brasilien. Ob Ecclestone dann gleich dort bleibt? Der 81-Jährige hat im Sommer wieder einmal geheiratet, seine brasilianische Freundin, Mitte 30 und sehr schön.

Das südamerikanische Land würde Ecclestone wohl (im Gegensatz zu Großbritannien) nicht ausliefern, falls ihm in München der Prozess gemacht werden soll. Deshalb wird bereits spekuliert, der Formel-1-Chef wolle seinen Lebensabend lieber in Brasilien als im Gefängnis verbringen. "Blödsinn", sagt ein Vertrauter Ecclestones. Der Brite werde nach dem Rennen in Sao Paulo nach Europa zurückkehren.

© SZ vom 13.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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