Skandal um Vatikanbank:Glaubensverrat unterm religiösen Mäntelchen

Eine christliche Bank? Sie sollte ein Instrument der Gerechtigkeit sein und könnte in Sonnenenergie investieren oder peruanische Kleinbauern unterstützen. Die Vatikanbank aber hat ihren moralischen Kredit restlos verspielt. Bei allem Willen zur Reform: Sie ist in einem unchristlichen System verhaftet. Nur die Methoden wurden verfeinert.

Ein Kommentar von Matthias Drobinski

Braucht der Vatikan eine Bank? Natürlich erlauben es auch die Maßstäbe der katholischen Kirche, die Geldgeschäfte von Bistümern, Orden und Einzelpersonen über ein kircheneigenes Institut abzuwickeln. Eine Bank, die ihr Geschäft nicht nur nach ökonomischen, sondern nach christlichen Grundsätzen betreibt, wäre sogar ein Gewinn für den Vatikan. Sie könnte zeigen, dass Wirtschaft und Moral zueinander passen. Sie könnte in Sonnenenergie investieren und in peruanische Kleinbauerninitiativen, sie könnte ein Instrument der Gerechtigkeit und des guten Umgangs mit dem Geld sein. Eine Bank aber wie das gegenwärtige IOR, das Istituto per le Opere di Religione - das braucht der Vatikan nicht.

Er braucht solch eine Bank nicht mehr, weil die historischen Gründe ihrer Existenz weg sind: Der Vatikan muss nicht mehr die Überbleibsel eines untergegangenen Kirchenstaates sammeln wie 1887, als Papst Leo XIII. den Vorläufer des IOR gründete. Er muss auch nicht mehr fürchten, dass die Nazis das Kirchenvermögen stehlen, wie 1942, als die Vatikanbank weitgehend ihre heutige Gestalt erhielt.

Die Zentrale der katholischen Kirche braucht aber vor allem deshalb diese Bank nicht mehr, weil die restlos ihren moralischen Kredit verspielt hat - wie ein Börsenzocker seine Optionsscheine. Sie war die Bank des Kalten Krieges, die zu den Zeiten des kriminellen Erzbischofs Paul Marcinkus im Namen des Kampfes gegen den Kommunismus Mafiageld wusch und Bestechungen von Politikern abwickelte.

Ihr war alles recht, was Geld brachte, auch Waffen und Antibabypillen; sie war die Inkarnation jenes gewissenlosen Kapitalismus, den die Päpste in allen Sozialenzykliken geißelten. Sie war eine Offshore-Bank mitten in Europa, geschützt und gedeckt durchs religiöse Mäntelchen.

Das Problem liegt tief im System

Die Vatikanbank bemüht sich seit einiger Zeit um Reformen. Doch der Fall des Ex-Chefbuchhalters Nunzio Scarano, der nun wegen Korruption, Betrug und Verleumdung in Haft sitzt, zeigt: Das alte, unchristliche System lebt bis heute weiter. Es hat lediglich seine Methoden verfeinert.

Offenbar sind so viele der krummen Deals des Prälaten über das IOR abgewickelt worden, dass die Verantwortlichen unmöglich nichts davon gewusst haben können. Folglich sind nun Generaldirektor Paolo Cipriani und sein Vize Massimo Tulli zurückgetreten; Cipriani war schon vor dem Fall Scarano im Visier der italienischen Ermittler. Das Problem des IOR ist nicht der einzelne Schurke, der die Vatikanbank missbraucht. Das Problem liegt tief im System.

Es spricht für den Mut und die Tatkraft des neuen, noch von Benedikt XVI. ausgesuchten Vatikanbank-Chefs Ernst von Freyberg, dass er die beiden Spitzenmanager sofort abgesägt hat; dass er dies mit der Rückendeckung von Papst Franziskus getan hat, das kann man annehmen. Der kann ja nicht von einer bescheidenen Kirche an der Seite der Armen predigen und zugleich eine Bank im Vatikan haben, deren Geschäftspolitik der Predigt spottet. Der Erfolg seines Pontifikats wird auch davon abhängen, ob es ihm gelingt, den Anspruch der katholischen Kirche und das Handeln des IOR in Einklang zu bringen. Die hochrangige Arbeitsgruppe, die er zur Reform der Vatikanbank eingesetzt hat, zeigt, dass er sich dessen bewusst ist.

Ein Institut für religiöse Werke - das könnte die katholische Kirche tatsächlich gebrauchen. Die deutsche Ordensbank oder die Bank der Steyler Missionare zum Beispiel haben das erkannt und sich bewusst für eine Konzentration auf ethisches Investment entschieden - warum sollte die Weltkirche nicht ein ähnliches Beispiel sauberen Wirtschaftens geben? Eine Vatikanbank wie die bisherige aber braucht niemand mehr. Sie ist der institutionalisierte Glaubensverrat.

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