Sinnlose Produkte:Pinguine für den Teebeutel

Nicht rational nachvollziehbar: Überflüssige Produkte halten sich hartnäckig auf dem Markt - weil wir uns mit ihnen angeblich wohler fühlen. Doch was der eine für essenziell hält, ist für den anderen nur Plunder.

Alina Fichter

Die Frage füllt so manches Internetforum: "Gibt es wirklich Menschen, die so etwas kaufen?", schreibt eine Frau und verweist auf einen Tisch-Springbrunnen, der Schokolade spuckt: die Fondue-Fontäne. "Das darf nicht wahr sein", sagt ein anderer.

Teepinguin, Küchenprofi

Der Schnabel des Teepinguins zieht nach ein paar Minuten automatisch den Teebeutel aus dem heißen Wasser.

(Foto: Foto: Küchenprofi)

Ihm fällt ein noch sinnloseres Produkt ein: Ein bunter Plastikpinguin, groß wie ein Tischpapierkorb, dessen Schnabel nach ein paar Minuten von selbst nach oben rattert und dabei den Teebeutel aus dem heißen Wasser fischt. Die Frage, die sich durch die Foren zieht, ist: Leute, mal ehrlich, wer braucht solchen Plunder?

"Natürlich benötigt niemand diese Spaßartikel wirklich", sagt Andreas Steinle, Experte für Konsumtrends am Zukunftsinstitut Kelkheim. Trotzdem erfüllten sie eine wichtige Funktion: "Wir wollen emotional berührt werden, auch beim Einkaufen." Tatsächlich besitzen die meisten Menschen alles, was sie zum Leben brauchen.

Die Basisbedürfnisse sind längst befriedigt

Ein Topf, ein Brett und Geschirr in der Küche würden zum Überleben ausreichen. Aber seit die Basisbedürfnisse befriedigt seien, würden andere Begehren immer wichtiger, so der Forscher: "Wir wollen zum Lachen gebracht werden, uns entspannen oder uns unterhalten fühlen." Wenn Produkte das schafften, seien sie nicht unnütz.

Irgendetwas muss dran sein, sonst würden Unternehmen nicht jedes Jahr wieder verrückte Artikel auf den Markt werfen, die eigentlich niemand braucht. Es gibt sogar eine Internetseite, die sich darauf spezialisiert: www.echt-wahnsinn.de. Dort gibt es batteriebetriebene Plastikeier, die mit den Frühstückseiern in den Topf kommen. Sind diese fertig, kräht das Plastikding: "Ich wollt', ich wär ein Huhn."

Solche Gagprodukte seien als Geschenke der Renner, sagt der Betreiber der Seite. Denn kaum einer wisse, was er Geburtstagkindern oder Hochzeitspaaren mitbringen solle.

Auch bei der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin, die am Freitag startet, werden verrückte Produkte vorgestellt: Ein Kissen, das dem Besitzer den Nacken massiert, per Fernbedienung kann man es wie einen Gebirgsbach plätschern oder auch zwitschern lassen. Auf den ersten Blick absurd, trifft es doch einen Nerv: "Wellnessprodukte boomen im Moment wie nie zuvor", sagt Birgit Gebhardt, Geschäftsführerin des Trendbüros in Hamburg.

Das Büro hat es sich auf die Fahnen geschrieben, die Bedürfnisse zu ergründen, die "aus den Sehnsüchten der Gesellschaft resultieren", wie Gebhardt sagt. Sie ist überzeugt, dass jeder das Gefühl kenne, es sich nach einem anstrengenden Arbeitstag wirklich verdient zu haben, nun verwöhnt zu werden. "Fast egal zu welchem Preis", sagt sie.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, wieso die Einschätzung überflüssiger Produkte bei vielen Verbrauchern differiert.

Hochgradig individuell

Bei knapp 15 Millionen Single-Haushalten in Deutschland steht zudem vielen kein Partner alias Privatmasseur zur Verfügung. Da seien Nackenkissen und Co. für viele Bürohengste eine willkommene Alternative, das "Heute-tu-ich-mir-was-Gutes-Bedürfnis" ohne großen Aufwand zu befriedigen, so Gebhardt.

Ein Spektakel für das Auge bietet der Regenbogen-Wasserkocher. Auch den gibt es bei der IFA. Je nach Wassertemperatur verändert er seine Farbe: Grün bei kaltem, blau-lila-pink bei warmem und knallrot bei heißem Wasser. 66 Euro kotet er, doppelt so viel wie der durchschnittliche Wasserkocher. Ist das Farbspektakel nicht überflüssig? Ganz und gar nicht, sagt Konsumexperte Steinle. "Das erhellt den grauen Alltag gleich am Morgen."

Für jeden bedeutet nutzlos etwas anderes

Nicht alle Menschen wollen aber von einem blinkenden Wasserkocher geweckt werden, sagt der Konsumforscher: "Die Bewertung dessen, was nutzlos und was nützlich ist, ist hochgradig individuell", so Steinle. Der Kunde entscheidet, ob er sich von bunten Wasserkochern oder von massierenden Gebirgsbächen verzaubern lassen möchte oder nicht. "Das sind Bauchentscheidungen, sie sind nicht rational nachvollziehbar."

Das macht es auch so schwer für die Entwicklungsabteilungen der Firmen, den Erfolg neuer Spaßprodukte abzuschätzen. "Was zu einem Trend wird und was nicht, ist oft kaum vorhersehbar", sagt ein Sprecher der Firma Küchenprofi, die den Teepinguin erfand.

Messen wie die IFA seien da ein willkommener Probedurchlauf, um zu testen, wie die Spaßartikel ankämen, so Roland Stehle von der Gesellschaft für Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik (GFU). Der Teepinguin jedenfalls war ein Verkaufsschlager, die Schokofondue-Fontäne ein Ladenhüter.

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