Silicon Wadi:Mehr und dafür weniger

Investoren in Israel sind wählerischer geworden. Junge Start-ups haben es schwerer, Geldgeber zu finden. Das kann auch eine Chance sein.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Das Jahr ist noch jung genug, um einen Blick nach vorn zu wagen und Bilanz zu ziehen. Wenn es um Start-ups geht, dann scheint es in Israel nur ein Motto zu geben: immer mehr. Das gilt für das Geld, das in diesem Bereich investiert wird, und für die Unternehmen, die aus dem Boden gestampft werden.

Die Hightech-Firmen haben im vergangenen Jahr einen Rekord verbucht: 5,24 Milliarden US-Dollar wurden 2017 in israelische Unternehmen investiert. Aber bei einem näheren Blick zeigt sich, dass weniger Deals abgeschlossen wurden - der Rückgang beträgt acht Prozentpunkte im Vergleich zum Jahr 2016. Investoren zeigten sich auch deutlich zurückhaltender, in Start-ups zu investieren, die noch gar nicht gegründet sind. Das trifft auch so genannte Inkubatoren. In dem Bereich betrug der Rückgang sogar 17 Prozentpunkte. Es gab auch weniger Übernahmen von Firmen, deren Gründung noch nicht lange zurückliegt. Diese Entwicklung halte nun schon das zweite Jahr in Folge an, heißt es in einer Studie des IVC Research Center und der Anwaltsfirma ZAG S&W.

Viele haben sich schlicht über den Tisch ziehen lassen - zugeben würde das natürlich niemand

Das bedeutet, dass Investoren mehr Geld in weniger Unternehmen stecken und es junge Start-ups deutlich schwerer haben, Geldgeber zu finden, die ihre Innovation fördern oder ihre Firma übernehmen wollen. Dass Investoren wählerischer geworden sind, kann für beide Seiten Vorteile haben. Manche israelischen Start-ups beginnen schon in einem sehr frühen Stadium, sich und ihre Ideen zu verkaufen - auch wenn ihre Dienstleistungen und Produkte noch nicht ausgereift oder markttauglich sind. Und angesteckt von der auch durch kräftige öffentliche PR geschürten Stimmung, dass man in der "Start-up-Nation Israel" unbedingt mit dabei sein müsse, lassen sich dann Investoren verleiten, Geld in eine Firma zu stecken, deren Produkte nicht halten, was versprochen wurde. Also: zu viel Geld für zu wenig Inhalt. Viele haben sich, durch die vermeintliche Goldgräberstimmung angesteckt, schlicht über den Tisch ziehen lassen - zugeben würde das natürlich niemand. Freuen können sich die vielen jungen Millionäre. Nur wenige suchen einen Teilhaber, die meisten wollen ihr Unternehmen möglichst rasch an den Bestbieter verkaufen.

Dass sich immer mehr ausländische Investoren für Entwicklungen in und aus Israel interessieren, hat zu einer verschärften Konkurrenz vor Übernahmen und dazu geführt, dass Unsummen für Unternehmen bezahlt werden, die eine riskante Investition in die Zukunft darstellen. Und nicht alle sind das Geld wert, das investiert wurde - was sich oft erst nach Jahren herausstellt.

Dass insbesondere ausländische Geldgeber bereit sind, in israelische Start-ups immer mehr zu investieren, zeigt sich an den Zahlen der vergangenen Jahre: Eine israelische Firma konnte im Jahr 2013 durchschnittlich 3,6 Millionen US-Dollar an Kapital auftreiben. Im vergangenen Jahr hatte sich der Betrag bereits auf 8,5 Millionen mehr als verdoppelt.

Silicon Wadi: An dieser Stelle schreiben jeden Mittwoch Marc Beise (München), Malte Conradi (San Francisco), Alexandra Föderl-Schmid (Tel Aviv) und Christoph Giesen (Peking) im Wechsel.

An dieser Stelle schreiben jeden Mittwoch Marc Beise (München), Malte Conradi (San Francisco), Alexandra Föderl-Schmid (Tel Aviv) und Christoph Giesen (Peking) im Wechsel.

Aber es ist nicht so, dass man unbesorgt in die Zukunft schaut. Seit Jahrzehnten blicken die Israelis mehr nach Nordamerika, vor allem in die USA, und nicht nach Europa. Sorgen bereitet deshalb vielen die US-Steuerreform. Bisher lag der für Unternehmen relevante Steuersatz in Israel bei 25 Prozent. Nun sinken aber die Ertragssteuern in den USA von 35 auf 21 Prozent und bestimmte Investitionen können sofort steuermindernd abgeschrieben werden.

Deshalb gibt es in Israel nun die Befürchtung, dass Unternehmen abwandern oder gar nicht erst in diesem Land investieren könnten. Die israelische Regierung prüft bereits, ob sie nicht auch an der Steuerschraube drehen soll, um einen befürchteten Exodus zu verhindern.

Vom Wirtschaftsministerium bereits vorgestellt wurde ein Plan, der Firmen ermutigen soll, weg von den Ballungszentren wie Tel Aviv und Jerusalem zu gehen und in der Peripherie des ohnehin kleinen Landes zu investieren. Wer dort ein Unternehmen gründet, das sich mit den Themen Internet der Dinge, Nano- oder Biotechnologie beschäftigt, kann bis zu 30 Prozent des investierten Kapitals aus einem Fonds bekommen und auf eine Reduktion der Steuerlast um sieben Prozentpunkte hoffen. Die Regierung will vier Fonds auflegen mit einem Volumen von jeweils 116 Millionen US-Dollar.

Hinweis

An dieser Stelle schreiben jeden Mittwoch Alexandra Föderl-Schmid (Tel Aviv), Christoph Giesen (Peking) und Ulrich Schäfer (München) im Wechsel.

Ein weiteres Problem - nicht nur für Hightech-Firmen - ist die Stärke der israelischen Währung, des Schekel, gegenüber dem Dollar. Start-ups treiben ihr Kapital in US-Dollar auf, sie verkaufen ihre Produkte und Dienstleistungen auch in dieser Währung. Der Kurs des US-Dollar gegenüber dem Schekel ist derzeit jedoch auf dem niedrigsten Stand seit sieben Jahren. Dazu kommen höhere Personalkosten durch die zunehmende Wettbewerbssituation in Israel und die Lohnentwicklung. Allgemein sind die Aussichten mit einem erwarteten Wirtschaftswachstum von 3,5 Prozent 2018 in Israel positiv.

Auch in diesem Jahr wird Israel weiterhin ein Hotspot für Innovationen im Bereich Fahrzeuge und Transport bleiben. Hier wird sowohl an Innovationen wie hoch entwickelten Prozessoren gearbeitet wie auch an Projekten für das autonome Fahren. Sie stehen im Fokus des Interesses. Ein Trend, der für 2018 zu beobachten ist: Immer mehr Unternehmen beschäftigen sich mit künstlicher Intelligenz und versuchen, diese in ihre Entwicklungen zu integrieren. 430 Start-ups gibt es in Israel bereits, die sich darauf konzentrieren. Das reicht von Robotern und Bots bis zu einer Software, mit deren Hilfe Geräte nicht nur analysieren können, warum und wie ein Text gelesen wird, sondern angeblich auch, was der Leser dabei fühlt.

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