Silicon Valley:Die Kraftprotze von der Westküste

Trotz Finanzkrise und Rezession verbreiten Unternehmen im Silicon Valley weiter Optimismus - immer bereit, Neues zu entdecken, das gute Gewinne bringt.

M. Zydra

Es tut gut, in diesen schweren Zeiten mit Robert Okunski zu sprechen, einem Menschen, der auch jetzt noch Optimismus verbreitet. Er sagt Sätze wie: "Unsere Gewinne werden weiter steigen" oder "Wir wollen unsere Angestelltenzahl von 5000 verdoppeln".

Silicon Valley: Sunpower ist eine Erfolgsgeschichte der US-Westküste

Sunpower ist eine Erfolgsgeschichte der US-Westküste

(Foto: Foto: Bloomberg)

Der Mann mit den militärisch kurz geschnittenen Haaren und einer randlosen Brille ist ein begnadeter Redner und kaum zu bremsen. Er ist Abteilungsdirektor "Investor Relations" bei dem amerikanischen Solarzellenhersteller Sunpower. Okunski soll die Unternehmensstory an Investoren gut verkaufen.

Seine Aussagen sind interessengeleitet, doch die Unwahrheit darf er nicht sagen. Deshalb wirkt der überschwengliche Optimismus zumindest im Kern glaubwürdig. Ja, es gibt Konzerne, die auch in der globalen Krise noch mehr Geschäft erwarten, hier im Silicon Valley.

Peter Anderson lächelt auch dann noch, wenn er vom Untergang spricht. Das tut er gerade im 30. Stock des Embarcadero Center, direkt neben dem früheren Hafenterminal von San Francisco.

"Wir haben in den USA vier Quartale mit einer Rezession vor uns", sagt Anderson und schaut fröhlich in die Runde. Seine beneidenswerte Gelassenheit mag dem Alter von 66 Jahren geschuldet sein - er hat wohl schon viel erlebt.

Anderson ist US-Chef-Investmentstratege von RCM, der Aktienplattform von Allianz Global Investors. "Die amerikanischen Verbraucher kaufen weniger, die Unternehmen investieren nicht, der Staat hat geringere Steuereinnahmen, was die Ausgaben begrenzt, und unsere Exporte gehen zurück in einer schrumpfenden Weltwirtschaft", sagt der Mann mit dem lichten hellen Haar, das zur Seite gescheitelt ist.

Und nun erfährt man auch, warum er so zufrieden dreinschaut - die schlechte Lage ist Basis für seinen Optimismus. "2010 wird sich die US-Wirtschaft wieder erholen, im Jahr 2009 dürften die Aktien deshalb steigen", glaubt er und verweist auf eine vergleichbare Situation in den Jahren 1972 bis 1974.

Sunpower und RCM - zwei Akteure, die symbiotisch ticken und stellvertretend die beiden grundlegenden Interessen an den Finanzmärkten beschreiben. Der eine sucht Investoren, der andere Investitionen.

Sunpower ist eine Erfolgsgeschichte der US-Westküste. Aufsichtsratschef Thurman John Rodgers hat das Unternehmen in den achtziger Jahren gegründet. Der Stanford-Absolvent investierte damals 750.000 Dollar. An der Börse wird der Konzern derzeit mit 1,5 Milliarden Dollar gehandelt.

Das ist viel, doch noch vor einem Jahr waren es rund sechs Milliarden Dollar. Die schlechte Stimmung an den Finanzmärkten hat den Aktienkurs geviertelt, starke Währungsschwankungen zwischen Dollar und Euro, die nicht abgesichert waren, haben Anfang November zu einer Gewinnwarnung geführt. Doch Okunski bleibt gelassen. Die Leute, so meint er, wollten Solardächer, weil es langfristig Geld spart.

Gründergeist unter Palmen

"Durch Steuersubventionen hat sich eine 30.000-Dollar-Investition für einen Privathaushalt in sieben Jahren amortisiert", sagt Okunski im schlichten Konferenzraum des Unternehmens.

Der ovale Tisch hat viele Macken, die Konzernzentrale ähnelt von außen einer Fabrikhalle - Gründergeist unter Palmen mit sauber ausgewiesenen Parkplatzflächen. Ein Sandwich-Bus versorgt die Beschäftigten zur Essenszeit am Mittag.

Das Silicon Valley hat schon eine ökonomische Revolution ausgelöst, mit Mikrochips, Computern und dem Internet. Geblieben ist die universitäre Lässigkeit. Schlipse sind verpönt. Auch Okunski hält sich daran, das blaue Hemd in eine weiße Bundfaltenhose gestopft.

Nun beschäftigen sich viele Firmen mit der Umwelttechnik. Die USA hinken Europa und Deutschland wohl noch hinterher, aber das wird im Gefühl der eigenen Stärke ignoriert.

Okunski will auf Nachfrage kein deutsches Konkurrenzunternehmen aus dem Solarbereich einfallen - dabei hat Sunpower ein Büro in Frankfurt. Warum auf dem Dach des Sunpower-Hauptgebäudes nur wenige Sonnenkollektoren installiert sind, das beantwortet eine Mitarbeiterin sehr griffig. "Wir ziehen womöglich bald um in etwas Größeres." Furcht vor der Rezession buchstabiert sich anders.

"Amerikaner kennen keine Probleme, für sie ist alles eine Herausforderung", beschreibt RCM-Chef Udo Frank das positive Grundrauschen im Land. San Francisco steht wirtschaftlich noch relativ gut da, neben dem Finanz- und Gesundheitssektor gibt es einen breiten Mittelstand. "Die Häuserpreise in den Vorstädten haben sich halbiert, nur hier im Zentrum ist man bislang davon noch unberührt", sagt Frank und blickt hinunter auf das ehemalige Hafenterminal.

Die Stadt hat sich in diesem einst heruntergekommenen Viertel stark verändert. Nach dem Erdbeben 1989 wurde die alte Autobahn am Pier abgerissen. Es entstand ein prächtiger Boulevard entlang des Ufers. Der RCM-Chef sieht für Investoren ein entscheidendes Problem. "Investitionen in Einzelfirmen sind schwieriger geworden", sagt er. "Das Unternehmen selbst mag in Ordnung sein, doch die Kunden des Konzerns haben vielleicht Zahlungsschwierigkeiten, was dann durchschlägt."

Diese Malaise der Wall Street schwappt nun über das ganze Land. In Detroit liegt die Automobilindustrie darnieder, die Arbeitslosenzahl in den Vereinigten Staaten notiert auf Rekordniveau. Der designierte Präsident Barack Obama könne es richten, hört man oft. Gerade in Kalifornien hat er viele Anhänger, was das positive Denken hier womöglich stärkt.

Scharfe Bilder aus Zürich

Der Concierge von Cisco sitzt an seinem Tisch und winkt dem Besucher freundlich mit einer Hand zu. Joe, so heißt der Concierge, ist aber nur auf einem Bildschirm präsent. Er ist da - und doch nicht da. "Tele-Presence" nennt sich das. Damit will der Technologiekonzern, einer der ältesten im Silicon Valley, in der Krise Geld verdienen.

Firmenchef John Chambers warnte Anfang des Monats vor einem Umsatzeinbruch, doch der Aktienkurs hielt sich ganz gut. "Eine sehr große Effizienzquelle bietet sich hier", sagt Michael Ganser.

Er ist Geschäftsführer von Cisco Deutschland und winkt in die Zentrale von San Jose lebensgroß und gestochen scharf aus Zürich zu. Tele-Präsenz eben: Geschäftstreffen, ohne zu reisen. Bislang waren Video-Konferenzen wegen schlechter Qualität verpönt.

"Wir haben 150 Millionen Dollar Reisekosten eingespart", sagt Ganser. Selbst innerhalb der Cisco-Konzernzentrale wird meist über Bildschirme kommuniziert, das macht die Flure leer und die Atmosphäre etwas steril. Auch deshalb stellt sich die Frage, warum Joe, der Concierge, der im Erdgeschoss nur auf dem Bildschirm zu sehen ist, im ersten Stock sitzt und nicht unten am Empfang.

Joe zuckt die Schultern, er wirkt ein wenig desillusioniert, weil Leute ihm immer wieder zuwinken. "Ich soll die Vorteile der Tele-Presence verdeutlichen", sagt er. Es tut gut, in diesen schweren Zeiten mit einem aufrichtigen Mann wie Joe zu sprechen.

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