Silicon Valley:"Bei den Partys geht es viel mehr um Macht als um Sex"

Vanity Fair New Establishment Summit - Day 2

Emily Chang auf der Vanity Fair's Founders Fair in Beverly Hills

(Foto: AFP)

Die Journalistin Emily Chang hat im Silicon Valley brisante Geschichten über Sexismus, Belästigung und Macht gesammelt.

Von Kathrin Werner, New York

Emily Chang hat sich ihr Thema nicht ausgesucht, es hat sie ausgesucht. Immer wieder begegneten der Bloomberg-Fernsehjournalistin Geschichten zu Sex und Sexismus im Silicon Valley - aber bis zu diesem einen Tag fielen die besten Zitate nie vor laufender Kamera.

Sie fielen beim Abendessen mit Kontakten, im Kreis von Freundinnen, in Vorgesprächen mit Interviewpartnern. Bis zu diesem einen Tag, an dem sie Mike Moritz für ein Interview im Studio hatte. Das Gespräch sollte sich um sein neues Management-Buch "Leading" und seine lange Karriere drehen. Mike Moritz zählt zu den prominentesten Risikokapitalgebern der Welt, er ist Chairman der Venture-Capital-Firma Sequoia Capital, Ex-Aufsichtsrat bei Google und Milliardär.

Zum Zeitpunkt des Interviews hatte Sequoia keine einzige Frau unter den Investoren in den USA, ausschließlich Männer entschieden, welche Start-ups Geld von Sequoia bekommen und welche nicht. Also fragte Chang nach, woran das liege, und ließ nicht locker. Moritz wiegelte ab: Ja, natürlich wolle Sequoia in der Theorie Frauen einstellen.

"Wir geben uns große Mühe bei der Einstellung"

"Ich denke, wir sind wirklich blind für Geschlecht und Hautfarbe und wir geben uns große Mühe bei der Einstellung", sagte er und glaubte, dass das Thema damit beendet wäre. Chang hakte nach: "Na ja, suchen Sie wirklich hart genug?" Und da sagte Moritz einen folgenschweren Satz: "Wir suchen sehr genau, aber wir sind nicht bereit, unsere Standards zu senken."

Der Satz verbreitete sich rasant im Silicon Valley und darüber hinaus. Wirklich überrascht war niemand, aber erleichtert, dass endlich mal jemand zugab, wie er über Frauen dachte. Viele Menschen waren empört. Ist es wirklich nur möglich, Frauen einzustellen, wenn man bereit ist, für sie die Standards zu senken? Gibt es einfach keine Frauen, die gut genug sind, für Sequoia zu arbeiten? Oder könnte es doch an den Einstellungskriterien oder an der Firmenkultur liegen, wenn es einem der wichtigsten Geldgeber des Silicon Valley in 44 Jahren nicht gelingt, eine Frau anzuheuern?

Brisante Geschichten

Chang wurde immer klarer, dass sie ein Thema gefunden hatte. Seit Jahren moderiert sie die Fernsehsendung "Bloomberg Technology" und interviewt die Tonangeber des Silicon Valley. Sie wollte endlich die besten Geschichten über Sexismus, Belästigung und Macht, die sie im Geheimen hörte, an die Öffentlichkeit bringen. Nun hat Chang sie zu einem Buch verarbeitet. Es heißt "Brotopia - Breaking Up the Boys's Club of Silicon Valley".

Bei der Recherche hat sie wirklich brisante Geschichten aufgetan. Zum Beispiel die von den Sex-Partys. Fast jedes Wochenende treffen sich die Entscheider des Silicon Valley, die reichen, mächtigen Männer, mit denen, die auf ihre Entscheidung hoffen - und das sind oft Frauen, die glauben, für Investitionen in ihr Start-up alles tun zu müssen, auch die Hüllen fallen zu lassen.

Es fließt Alkohol, es gibt Drogen. Es gibt Orgien und Gruppenkuscheln. Und irgendwo dazwischen wird über Deals entschieden. Im Silicon Valley wisse fast jeder von den Partys, erzählt Chang. Für Frauen seien sie ein Dilemma. "Bei den Partys geht es viel mehr um Macht als um Sex. Die Frauen halten sie für einen Weg, um Zugang zu unglaublich mächtigen Männern zu bekommen", sagt sie.

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