Siemens/AUB-Verfahren:Kopien im Tresor

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Erstaunliche Dokumente fanden die Ermittler im Siemens/AUB-Verfahren. Allerdings nicht bei Siemens, sondern in Privathäusern.

Uwe Ritzer

"Streng vertraulich" stand über dem internen Vermerk der Zentralen Finanzverwaltung von Siemens am 9.Juli 2002 an den Zentralvorstand. Darin ging es um ein 8,9-Millionen-Euro-Darlehen an eine Firma namens Schema.

Wilhelm Schelsky schweigt bislang vor Gericht. (Foto: Foto: ddp)

Sie gehörte zu 85 Prozent dem Unternehmensberater Wilhelm Schelsky. Den Kredit, so rieten die Finanzleute, sollte man unbedingt bewilligen. Schelsky sei schließlich Vorsitzender der Betriebsräteorganisation AUB. So bestünden "erhebliche Einflussmöglichkeiten auf die Betriebsratsarbeit bei NSG".

NSG war damals eine von Siemens ausgelagerte Sparte im IT-Sektor, an der Schelsky Anteile hatte. Steuerfahnder glauben, dass er diese "nur treuhänderisch für die Siemens AG hielt", wie einer von ihnen als Zeuge beim Prozess gegen Schelsky und Ex-Konzernvorstand Johannes Feldmayer vor dem Nürnberger Landgericht aussagte.

In dem Verfahren geht es um die heimlich über Schelskys Firmen abgewickelte finanzielle Unterstützung der AUB durch Siemens. Daraus leitet die Staatsanwaltschaft jene Untreue-, Betrugs- und Steuerdelikte ab, deretwegen sie Schelsky und Feldmayer angeklagt hat.

Verdacht der Vertuschung

Außer Feldmayer behaupten alle Siemens-Zentralvorstände der vergangenen Jahre, sie hätten nichts von der AUB-Finanzierung gewusst. Das interne Schreiben vom 9. Juli 2002 widerlegt dies nicht; wohl aber ist es ein weiteres Indiz dafür, dass Wilhelm Schelsky in der Siemens-Spitze zumindest als feste, managementfreundliche Größe bekannt war und ihm auch schon mal geholfen wurde.

Das Dokument ist nur eines von vielen, welche Nürnberger Ermittler in den vergangenen 20 Monaten zusammentrugen. Die brisantesten Papiere fanden sie dabei erstaunlicherweise nicht bei Siemens. Was den Verdacht aufkommen lässt, dass dort Akten rechtzeitig gesäubert wurden, um Verwicklungen zu vertuschen.

So wunderte sich der am Donnerstag vom Landgericht vernommene Steuerfahnder nach eigener Aussage über Lücken in Schelskys Siemens-Personalakte.

1990 war der Ex-AUB-Chef beim Konzern ausgeschieden. Dieser zahlte ihm fortan nicht nur viel Geld für die AUB, sondern gewährte ihm auch ein großzügiges Rückkehrrecht, Pensionsansprüche, Versicherungsschutz und einiges mehr. Die erste Vereinbarung darüber aus 1990 lag in der Personalakte, aber nur unvollständig. Ausgerechnet die Seite mit den Unterschriften der Ex-Vorstände Hermann Franz und Günter Wilhelm fehlte.

Das vollständige Papier fanden die Ermittlungsbeamten schließlich kopiert in den Tresoren in den Privathäusern von Franz und Schelsky. Genauso wie andere Dokumente, die eigentlich auch bei Siemens hätten vorhanden sein müssen, dort aber bei den Durchsuchungen Anfang 2007 verschwunden waren.

"Was tut die Akte da?"

Andere Papiere fand man in Abteilungen des Konzerns, in denen sie eigentlich nie hätten landen dürfen. So lag beispielsweise die Personalakte eines bereits vor Jahren verstorbenen Ex-Betriebsrates, der zu Lebzeiten auffällige Zuwendungen vom Konzern erhalten hatte, im Schreibtisch eines Vertreters der leitenden Angestellten bei Siemens. "Das war schon ungewöhnlich", sagte der Steuerfahnder im Zeugenstand, "was tut die Akte da?"

Wilhelm Schelsky selbst schweigt bislang vor Gericht. Sein Verteidiger Jürgen Lubojanski versicherte aber, am nächsten Dienstag werde er sich äußern. Am zweiten Prozesstag wirkte der Ex-AUB-Chef angeschlagen. Fast teilnahmslos verfolgte er, wie Lubojanski zunächst vergeblich beantragte, einen Teil des Belastungsmaterials gegen seinen Mandanten nicht als Beweismittel zuzulassen. Denn ein Steuerprüfer habe vergessen, Schelsky zu belehren, dass er Unterlagen aus einer Betriebsprüfung an die Steuerfahndung weitergegeben hatte und Schelsky sich durch weitere Angaben dazu selbst belasten könnte.

© SZ vom 26.9.2008/kim/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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