Ausbau des US-Geschäfts:Siemens verpflichtet umstrittenen Ex-General

Siemens holt sich den Afghanistan-Kommandeur McChrystal des US-Militärs ins Haus, um die Geschäfte mit der US-Regierung anzukurbeln. Präsident Obama hatte den General vergangenes Jahr allerdings publikumswirksam gefeuert.

Karl-Heinz Büschemann und Moritz Koch

Der Mann mit der hageren Statur ist ein Arbeitstier. Er behauptet von sich, jeden Tag nur vier Stunden zu schlafen. Es heißt, er jogge täglich mehr als zehn Kilometer und stecke voller Energie. Aber ist es eine gute Idee, diesen Mann zu Siemens zu holen? Ist es sinnvoll, zur Unterstützung des Geschäfts mit der US-Regierung den früheren Vier-Sterne-General Stanley McChrystal, 57, anzuheuern, den der Präsident der USA vor der gesamten Weltöffentlichkeit gefeuert hat?

General McChrystal Travels To Kandahar

Der frühere General Stanley McChrystal hat einen Job bei Siemens gefunden.

(Foto: Getty Images)

Peter Löscher, der Vorstandsvorsitzende der Siemens AG, hält diese Wahl für richtig. Er will in Amerika mehr Umsatz mit der Regierung in Washington machen. Derzeit beträgt der Umsatz der Münchner mit dem amerikanischen Staat nur etwa eine Milliarde Dollar pro Jahr. Die Zahl soll sich bis 2015 verdoppeln. "Das wird nicht ganz einfach", räumt ein Siemens-Vertreter in München ein. Die USA sind der wichtigste Auslandsmarkt für den Technologiekonzern. Im vergangenen Geschäftsjahr erwirtschaftete die US-Tochter einen Jahresumsatz von fast 20 Milliarden Dollar.

Große Aufmerksamkeit

Doch gerade bei der Vergabe öffentlicher Aufträge stehen die Deutschen immer wieder im Schatten. Einheimische Firmen werden in der Regel vorgezogen. So hat der größte Siemens-Konkurrent General Electric meist die Nase vorn. Gerade zieht Siemens in Washington eine Gesellschaft auf, die als eigenständige, lokale Firma verstärkt Aufträge von der Regierung holen soll. Dieser Firma mit Namen Siemens Government Technologies soll der frühere Afghanistan General McChrystal als Vorsitzender des Verwaltungsrates dienen.

Mit dieser Wahl zieht der Siemens-Konzern große Aufmerksamkeit auf sich. Üblicherweise werden Industriejobs an ehemalige Regierungsmitglieder oder Militärs im Stillen vergeben. Zu nahe liegt der Gedanke, dass ausgemusterte Staatsvertreter als Lobbyisten und Türöffner dienen sollen, um Aufträge heranzuziehen. Doch McChrystal ist ein Militärvertreter, den selbst politische oder militärische Laien kennen. Von 2003 bis 2008 leitete er eine berüchtigte Spezialtruppe, die im Irak nach Medienberichten für ihre rüden Methoden bekannt war und vor Folter nicht zurückschreckte. Nach dem Skandal um Misshandlungen im irakischen Gefängnis von Abu Ghraib wurden 34 seiner Leute bestraft.

Im vergangenen Jahr hatte General McChrystal als Chef der Truppen in Afghanistan seinem Präsidenten und Oberbefehlshaber Barack Obama spektakulär widersprochen. Amerika sei unvorbereitet in den Krieg in Afghanistan gegangen. "Wir wussten nicht genug und wissen noch immer nicht genug", hatte der General in kleiner Runde gesagt. Nach zehn Jahren Krieg in Afghanistan hätte Amerika nicht einmal die Hälfte seiner Ziele erreicht. Diese Äußerungen landeten in dem amerikanischen Popkulturmagazin Rolling Stone und McChrystal wurde abberufen. Später wurden die Vorwürfe gegen ihn zurückgezogen.

Ex-Pressesprecherin der First Lady arbeitet auch für Siemens

Der General ist aber nicht die erste Personalie, mit der der Konzern sein Amerika-Geschäft ankurbeln will. Im vergangenen Jahr sicherte sich Siemens die Dienste von Camille Johnston, die bis dahin Pressesprecherin der First Lady Michelle Obama war. Besonders umgarnt der Münchner Konzern ehemalige Militärs. Die Deutschen haben in den vergangenen Monaten 300 ihrer 3000 offenen Stellen mit Veteranen besetzt, im kommenden Jahr soll es 150 weitere Einstellungen geben.

Ein Grund für diese Vorliebe zu Ex-Soldaten könnte im großen Bedarf des Verteidigungsministeriums nach Technologie zur Energieersparnis liegen. Die US-Streitkräfte sind der größte Abnehmer des Landes für Strom und Treibstoff. Moderne Technologie zum Einsparen von Energie sind daher gefragt. Aber auch das Ministerium für Kriegsveteranen ist ein wichtiger Kunde

Die Deutschen wollen Medizintechnik an Militärhospitäler liefern und im ganzen Land Kasernen modernisieren. 500 Mitarbeiter kümmern sich um die Akquisition von Regierungsaufträgen. Die Sparte wird von Judy Marks geleitet, einer früheren Managerin des Rüstungskonzerns Lockheed Martin.

Siemens weist diese Vermutungen zurück. Die Berufung von General McChrystal habe nichts mit Lobbyismus zu tun. McChrystal sei geholt worden, um die Möglichkeiten für Siemens zu eruieren, neue Aufträge hereinzuholen.

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