Siemens-Prozess:"Was soll das schon wieder?"

Er sollte Korruption bei Siemens verhindern - doch der Ex-Vorstand sei für seine Warnungen taub gewesen, klagt Albrecht Schäfer im Siemens-Prozess.

Führende ehemalige Mitglieder des Siemens-Vorstands waren nach Aussage des ehemals obersten Korruptionsbekämpfers des Technologiekonzerns für seine Warnungen wenig empfänglich. Sowohl der frühere Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger als auch Personalchef Jürgen Radomski und Spartenvorstand Thomas Ganswindt hätten auf Berichte und Warnungen nicht reagiert, sagte Albrecht Schäfer am Donnerstag als Zeuge vor dem Landgericht München.

Siemens-Prozess: Albrecht Schäfer

Albrecht Schäfer

(Foto: Foto: AP)

"Bitte keine Papiere mehr"

Schäfer sagte, er habe die Spitzenmanager einzeln und in Vorstandssitzungen über auffällige Vorgänge, dubiose Konten und Schmiergeld-Ermittlungen der Behörden in der Schweiz und IN Liechtenstein informiert. Er habe mehrfach gewarnt, die Behörden könnten deshalb auch Siemens-Standorte durchsuchen. Neubürgers Anwalt war nicht zu erreichen, der ehemalige Finanzchef erklärt stets, er äußere sich grundsätzlich nicht zu den Vorwürfen.

Trotz der regelmäßigen Berichte und Zwischenmeldungen habe der Vorstand nicht reagiert, sagte der Korruptionsbeauftragte. Radomski habe schließlich auf eine Notiz Schäfers vermerkt: "Was soll das schon wieder? Bitte keine Papiere mehr." Der Anwalt des Personalchefs war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Neubürger, der 2001 über die Anfänge der Strafverfolgung in Nigeria ins Bild gesetzt worden sei, habe von ihm später zusätzliche Angaben über Bartransfers angefordert, über die die Wirtschaftsprüfer der KPMG gestolpert waren. "Wir haben klar gesagt: hier stehen Straftaten im Raum", sagte Schäfer. Die Konzernspitze sei auch über einen Bestechungsfall informiert gewesen, den ein Ermittlungsrichter mit den Worten kommentiert habe: "Korruption ist Bestandteil der Unternehmensstrategie."

Die Wahl zwischen Pest und Cholera

Mit der Information der Vorstände seien seine Kompetenzen als Chief Compliance Officer erschöpft gewesen, sagte Schäfer. Mehrere von im angestoßene Untersuchungen durch die Revision seien mehr oder weniger im Sande verlaufen. Die Revision der Telekommunikationssparte Com sei sogar zum Ergebnis gekommen, die fragwürdigen Beraterverträge seien in Ordnung. Die Bilanz- und Konzernrevision habe keine Konsequenzen gezogen. "Ich habe den Abschlussbericht natürlich gelesen. Aber sonderlich schlau bin ich daraus nicht geworden."

Schäfer sagte, er habe den für Com zuständigen Vorstand Ganswindt aufgefordert, die schwarzen Konten in die offizielle Rechnungslegung aufzunehmen und alle Beraterverträge fristlos zu kündigen. Die Verträge seien aber weitergelaufen. Später habe er auch die Kündigung des Beratervertrages mit dem nun angeklagten Reinhard Siekaczek verlangt. Das sei aber erst viel später geschehen. Ganswindts Anwalt Michael Rosenthal sagte Reuters: "Das ist nach der gesamten Aktenlage und Kenntnisstand so neu, dass es der Überprüfung bedarf."

Ganswindt hat nach Angaben von Staatsanwältin Hildegard Bäumler-Hösl eingeräumt, 2004 als Bereichsvorstand vom System der schwarzen Kassen erfahren zu haben. Siekaczek sei mit einer Liste von Ländern und Bestechungssummen zu ihm gekommen. Daraufhin habe Ganswindt entschieden: "Siekaczek muss raus." Ganswindt habe schon kurz nach seinem Amtsantritt in der Sparte geahnt, dass es dort Korruption gebe.

Allerdings sei er damals primär mit der Sanierung des Com-Geschäfts beschäftigt gewesen, bei der 20.000 Stellen abgebaut wurden. "Da habe ich die Sache schleifen lassen. Ich hatte die Wahl zwischen Pest und Cholera", zitierte ihn die Staatsanwältin aus der Vernehmung. Siekaczek muss sich vor Gericht wegen der Veruntreuung von 53 Millionen Euro verantworten. Ein Urteil wird Ende Juli erwartet.

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