Siemens-Prozess:Milde für Mut zur Offenheit

Ohne Mitarbeiter wie Reinhard Siekaczek würde Ex-Siemenschef Heinrich von Pierer noch immer von einigen wenigen Irregeführten sprechen können.

Marc Beise

Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, sagt der Volksmund. Für den ehemaligen Siemens-Direktor Reinhard Siekaczek gilt das gewiss - ihm hilft das schreckliche Ende des Korruptionssystems in seiner Firma.

Reinhard Siekaczek (Foto: Foto: dpa)

Zwei Jahre auf Bewährung und nur 108.000 Euro Strafe statt der von der Staatsanwaltschaft geforderten 180.000 Euro sind ein mildes Urteil für einen, der über Jahre viele Millionen Euro in schwarze Kassen abgezweigt und so Schmiergeldzahlungen ermöglicht hat. Immerhin hat der Angeklagte ausgepackt und damit den großen Zugriff der Strafverfolger erst ermöglicht.

Gesetz des Schweigens

Der Prozess in München hat tiefe Einblicke in eine jahrelange verwerfliche Praxis gewährt. Ohne Siekaczek würden der ehemalige Vorstandschef Heinrich von Pierer und seine Vertrauten noch immer von einigen wenigen Irregeführten sprechen können, die der stolzen Siemens-Familie bedauerlicherweise Schaden zugefügt hätten - obwohl sich das Geschwür der Korruption durch beinahe die gesamte Organisation gefressen hatte.

Ob aus Not, Enttäuschung oder Rachsucht: Nur wenn einer wie Siekaczek sich offenbart, kann das Gesetz des Schweigens gebrochen werden. Dies und nur dies rechtfertigt ein mildes Urteil.

Interessanter als der Kassenwart aber sind seine Vorgesetzten. Sie, die in guten Zeiten Millionen verdienen, lassen in schlechten Zeiten Größe vermissen. Es blieb dem Richter vorbehalten zu erklären, er hätte es "gut gefunden, wenn die Verantwortlichen auch Verantwortung gezeigt" und ausgesagt hätten.

Doch die Herren geben immer nur zu, was sich so gar nicht mehr abstreiten lässt. So gesehen bleibt der Schrecken der Siemens-Affäre vorerst ohne Ende.

© SZ vom 29.07.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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