Siemens:Personalspiele

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Werner Wenning, 69, zieht sich im Sommer als Aufsichtsratschef bei Eon zurück. Ein Indiz, dass er im Januar 2018 Gerhard Cromme als Siemens-Chefaufseher beerbt? (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Der Siemens-Konzern bereitet sich auf den Rückzug von Gerhard Cromme aus dem Aufsichtsrat vor.

Von Christoph Giesen, München

Es ist wie so oft in der eng verwobenen Deutschland AG: Kaum steht eine Personalie fest, beginnen sie auch schon, die Gedankenspiele, welche Folgen das für andere Unternehmen im Land haben könnte. Jüngstes Beispiel: Ex-Bayer-Chef Werner Wenning. Seitdem nun klar ist, dass er sich im Sommer als Chefaufseher beim Energieversorger Eon zurückziehen wird, schießen die Spekulationen ins Kraut, was das für Siemens bedeutet.

Den Anfang machte die Rheinische Post: Wenning sei als Nachfolger von Gerhard Cromme an der Spitze des Siemens-Aufsichtsrates im Gespräch. "Darüber wird gesprochen", zitierte die Zeitung aus Konzernkreisen. Ein Unternehmenssprecher wollte dies am Donnerstag nicht kommentieren, da es sich um Aufsichtsratsangelegenheiten handele.

Ähnliche Spekulationen gab es bereits vor wenigen Wochen, als auf der Siemens-Hauptversammlung Ende Januar neben Wenning noch zwei weitere Kontrolleure in ihren Ämtern bestätigt wurden. Statt 2018, wie turnusgemäß vorgesehen, erfolgte die Wiederwahl zwei Jahre früher. Der offizielle Grund: So solle sichergestellt werden, dass drei erfahrene Aufsichtsräte die Strategie "Vision 2020" von Konzernchef Joe Kaeser mittragen und über das Jahr 2020 dem Gremium angehören. Der offensichtliche Grund: Wenning ist derzeit 69 Jahre alt. Bei einer regulären Wahl hätte er aufgrund der Altersgrenze von 70 Jahren 2018 nicht mehr antreten können und wäre auch nicht als Nachfolger Crommes infrage gekommen, der in zwei Jahren selbst aus Altersgründen ausscheiden muss. Nun aber ist Wenning bis 2021 gewählt.

Was vor ein paar Wochen noch gegen das Spitzenamt bei Siemens sprach, waren Wennings Mandate. Neben Bayer leitet er auch den Aufsichtsrat von Eon. Drei mal Chefaufseher, das wäre selbst für Wenning zu viel. Nun baut er Eon ab.

Hört man sich in den angeführten Konzernkreisen genauer um, wird sogar bereits über die Nachfolge Wennings (so er denn tatsächlich Cromme beerbt) diskutiert. Bis hoch ins Top-Management wird getuschelt, dass Kaeser selbst an die Spitze des Aufsichtsrats wechseln könnte. Sein Vertrag endet genauso wie Crommes Kontrakt 2018. Üblich ist in der Branche eine Verlängerung ein Jahr vor Ablauf. In Kaesers Fall hieße das, dass im Sommer 2017 über einen neuen Vorstandsvertrag entschieden werden müsste. Anstatt diesen bis 2023 zu erfüllen, heißt es hier und dort, sei es denkbar, dass Kaeser vorzeitig geht. Da der direkte Wechsel vom Vorstandsvorsitz auf den Posten des Chefaufsehers verpönt ist, müsste er jedoch eine Abkühlphase einlegen. Soweit die Gerüchteküche.

Doch um einen solchen Wechsel wirklich unfallfrei hinzubekommen, müssten sich letztlich alle Seiten einig sein - auch die Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat. Und mit der liegt Kaeser derzeit mal wieder im Clinch.

Siemens betreibe die "De-Industrialisierung des Standortes Deutschland", hielt IG-Metall-Bayern-Chef Jürgen Wechsler Kaeser am Donnerstag vor. Am Tag zuvor hatte der Konzern bekanntgegeben, in der Division Prozessindustrie und Antriebe 2500 Jobs abzubauen oder zu verlagern. 2000 Stellen davon sind in Deutschland betroffen. Die Sparte kämpft angesichts des Ölpreisverfalls mit Nachfrageflaute und Überkapazitäten. Der Abbau von Arbeitsplätzen sei dennoch "ideenlos", meinte Wechsler und kündigte Widerstand an. Es gibt also noch dringendere Probleme als die Suche eines Nachfolgers sowie eines Nachfolgers des Nachfolgers an der Spitze des Aufsichtsrats.

© SZ vom 11.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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