Siemens: Nach der Korruptionsaffäre:Pierer soll sechs Millionen zahlen

Der frühere Siemens-Chef Pierer soll nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wegen des Korruptionsskandals sechs Millionen Euro Schadenersatz zahlen.

Klaus Ott

Nicht nur vom langjährigen Konzernchef und späteren Aufsichtsratsvorsitzenden Heinrich von Pierer, sondern auch von zehn weiteren ehemaligen Vorstandsmitgliedern fordert der Münchner Konzern jeweils zwischen einer Million und fünf Millionen Euro, darunter auch von Pierers Nachfolger Klaus Kleinfeld.

Siemens: Nach der Korruptionsaffäre - Pierer soll sechs Millionen zahlen

Heinrich von Pierer war erst Siemens-Chef, dann Vorsitzender des Siemens-Aufsichtsrats - jetzt soll er mehrere Millionen an das Unternehmen zahlen.

(Foto: Foto: dpa)

Der Aufsichtsrat der Siemens AG wirft den ehemaligen Vorständen vor, ihre Dienstpflichten verletzt und durch mangelnde interne Kontrollen das lange Zeit praktizierte Schmiergeldsystem ermöglicht zu haben. Versagt hat nach Ansicht der neuen Konzernspitze auch Pierer, der von 1992 bis 2005 Vorstandschef war und anschließend bis 2007 den Aufsichtsrat leitete.

Pierer galt im Unternehmen als "Mr. Siemens" und genoss hohes Ansehen in der Belegschaft sowie in Wirtschaftskreisen und in der Politik.

Der heute 67-Jährige zählte zu den Beratern der Bundeskanzler Helmut Kohl und Gerhard Schröder wie auch der heutigen Regierungschefin Angela Merkel, die seine Dienste seit dem vergangenen Jahr allerdings nicht mehr in Anspruch nimmt. Pierer und sein Anwalt wollten auf Anfrage keine Stellung zu den Forderungen von Siemens nehmen.

Bestechung über Jahrzehnte

Pierer ist der bislang prominenteste Topmanager in Deutschland, von dem ein Konzern Schadenersatz verlangt. In anderen Unternehmen kam es bereits zu höheren Forderungen gegen Vorstände, aber einen Fall dieser Tragweite hat es in der Bundesrepublik noch nicht gegeben. Siemens hat nach Erkenntnissen der Münchner Staatsanwaltschaft und von US-Behörden jahrzehntelang und weltweit Geschäftspartner, Behörden und Regierungen bestochen, um lukrative Aufträge für Kraftwerke, Telefonnetze und andere Projekte zu erhalten.

In Deutschland und den USA musste der Konzern inzwischen Geldstrafen in Höhe von insgesamt 1,2 Milliarden Euro zahlen. Zusammen mit weiteren Kosten beträgt der Schaden inzwischen fast zwei Milliarden Euro. Von den elf ehemaligen Vorständen will Siemens insgesamt weniger als 50 Millionen Euro kassieren. Man wolle die früheren Topmanager "nicht ruinieren", heißt es aus der Konzernspitze. Offiziell äußert sich das Unternehmen nicht zu den Schadenersatzforderungen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Von wem Siemens das meiste Geld verlangt.

Pierer soll sechs Millionen zahlen

Pierer hat sämtliche Vorwürfe wiederholt zurückgewiesen, zuletzt vor einem Monat. Im Dezember hatte der frühere Vorstandschef erklärt, er sei den von Siemens erhobenen Vorwürfen, soweit sie ihm bekannt geworden seien, stets "ausführlich entgegengetreten". Er habe die Vorwürfe, sofern es überhaupt einen "konkreten, nachvollziehbaren Sachvortrag" durch Siemens gegeben habe, "mit Nachdruck zurückgewiesen". Auch Pierers Nachfolger Kleinfeld hat wiederholt erklärt, ihn treffe keine Schuld am Korruptionsskandal. Kleinfeld war nur zweieinhalb Jahre Vorstandschef und soll nach dem Willen von Siemens offenbar glimpflicher davonkommen als Pierer. Das meiste Geld verlangt Siemens von Pierer.

Siemens: Nach der Korruptionsaffäre: Dunkle Wolken: Der Korruptionsskandal hat Siemens massiv belastet.

Dunkle Wolken: Der Korruptionsskandal hat Siemens massiv belastet.

(Foto: Foto: ddp)

Der Aufsichtsrat hat bereits vor einem halben Jahr beschlossen, Schadenersatz von den elf Ex-Vorständen zu verlangen. Damals wurden aber noch keine Beträge festgelegt. In den vergangenen Wochen hat der Konzern dann erstmals die Forderungen konkret beziffert und den Ex-Vorständen mitgeteilt, wie viel sie zahlen sollen. Aus Unternehmenskreisen heißt es, man sei zuversichtlich, sich im Verlauf des Jahres mit der Mehrzahl der elf Ex-Vorstände einigen zu können. Siemens wolle Gerichtsverfahren vermeiden, da der Korruptionsskandal den Konzern sonst jahrelang weiter belasten würde.

"Alles hinter sich bringen"

Die neue Konzernspitze um Vorstandschef Peter Löscher und der Aufsichtsrat mit dem Stahlmanager Gerhard Cromme (Thyssen-Krupp) an der Spitze wollen das dunkelste Kapitel in der mehr als 160-jährigen Unternehmensgeschichte rasch abschließen und sich wieder auf das Geschäft konzentrieren. Aus Siemens-Kreisen ist weiter zu hören, es könnte auch im Interesse der elf Ex-Vorstände sein, dieses Kapitel ohne großes Aufsehen "hinter sich zu bringen".

Bislang hat offenbar keiner der elf früheren Vorstände gegenüber Siemens eingeräumt, seine Dienstpflichten vernachlässigt zu haben. Allerdings hat der ehemalige Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger schon vor zwei Jahren gegenüber der Staatsanwaltschaft zugegeben, Hinweisen auf Korruptionsdelikte in Nigeria nicht nachgegangen zu sein. Der ehemalige Zentralvorstand Thomas Ganswindt hat sogar eingestanden, allgemein von Schmiergeldzahlungen gewusst zu haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Neubürger, Ganswindt und zwei weitere Exvorstände wegen Gesetzesverstößen. Gegen Pierer, Kleinfeld und andere Exvorstände laufen Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Verletzung der Aufsichtspflichten im Unternehmen. Diese Verfahren können Geldbußen bis zu einer Million Euro nach sich ziehen.

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