Siemens:Der Zehn-Prozent-Mann

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Für Joe Kaeser steht in diesem Jahr viel auf dem Spiel: Er will unbedingt eine Marge von zehn Prozent erreichen. Doch die Experten sagen: Schafft er nicht.

Von Christoph Giesen

Wenn Siemens an diesem Donnerstag die Bilanz für das Geschäftsjahr 2015 vorlegt, dann dürfte die Spannung groß sein. Denn hinter den Zahlen steht die Frage, ob Siemens-Chef Joe Kaeser seine Versprechen hält oder aber eine empfindliche Niederlage erlebt. Die Zahl, auf die es ankommt, ist die industrielle Marge, also der Vorsteuergewinn im Verhältnis zum Umsatz.

Analysten und Aktionären hatte der Siemens-Chef im vergangenen Jahr versprochen, irgendwo zwischen zehn und elf Prozent zu landen. Nach den ersten drei Quartalen lag der Konzern jedoch nur bei 9,6 Prozent. Im Schlussquartal muss Siemens also deutlich über elf Prozent liegen, um die Schwäche in den vergangenen neun Monaten wettzumachen. Viele Analysten haben daran jedoch erhebliche Zweifel. Das zeigt auch eine Auswertung von 22 Analysten-Reports, die die Investor-Relations-Abteilung von Siemens vor einigen Wochen ins Netz gestellt hat. Der Mittelwert der professionellen Beobachter liegt bei 9,75 Prozent, also knapp daneben. Für Kaeser wäre das verheerend. Schließlich war er vor zweieinhalb Jahren angetreten, nachdem sein Vorgänger Peter Löscher just an einem Margenziel gescheitert war. Damals ging es um zwölf Prozent.

Im Vorstand ließ Kaeser deshalb die Frage diskutieren, wie Siemens der alljährlichen Margenfrage entkommen kann. Die Lösung: Anstatt auf die Marge zu schauen, sollte künftig nur noch der Gewinn pro Aktie als Messgröße dienen. Das gilt teilweise schon für dieses Geschäftsjahr. Eine Gewinnsteigerung von 15 Prozent pro Aktie hat Kaeser für dieses Jahr in Aussicht gestellt, und das wird er locker erreichen. Der Grund ist simpel: Verkauft Siemens einen Unternehmenszweig, wie zuletzt die Haushaltsgerätesparte, verbucht der Konzern hohe einmalige Gewinne. Ebenfalls hilfreich ist das Aktienrückkaufprogramm, das Kaeser bei seinem Amtsantritt gestartet hat, notfalls könnte Siemens so die Anzahl der Papiere verknappen. Noch aber gilt, das Margenziel: "Wir sind so ziemlich die Einzigen in unserer Peer Group, die ihre ursprüngliche Jahresprognose nicht zurückgenommen haben", sagte Kaeser gerade erst der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Würde jemand so reden, wenn er wenige Tage später sein Waterloo selbst verkünden müsste? Wohl kaum.

© SZ vom 11.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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