Siemens: Heinrich von Pierer:Großer Skandal - kleine Buße

Lesezeit: 2 min

Es geht auch ohne Showdown vor Gericht: Für Heinrich von Pierer endet der wohl größte Korruptionsfall in der bundesdeutschen Wirtschaftsgeschichte glimpflich - er zahlt.

K. Ott

Die vergangenen Jahre waren ziemlich turbulent für Heinrich von Pierer, den einstigen "Mr. Siemens". Der Schmiergeldskandal in dem lange von ihm geleiteten Industriekonzern brachte jede Menge Ärger. Doch jetzt endet der wohl größte Korruptionsfall in der bundesdeutschen Wirtschaftsgeschichte für den ehemaligen Vorstands- und Aufsichtsratschef ziemlich glimpflich, zumindest bei der Justiz.

Dem gelernten Juristen bleibt ein Gerichtsverfahren erspart. Die Münchner Staatsanwaltschaft hat einen Bußgeldbescheid erlassen, den der Ex-Konzernchef nach Angaben der Ermittlungsbehörde akzeptiert.

Pierer könnte Widerspruch einlegen, darüber würde dann das Amtsgericht München verhandeln, aber das will sich der inzwischen 69-Jährige offenbar nicht antun. Wozu auch? Er hat keine Straftat begangen, sondern lediglich eine Ordnungswidrigkeit, weil er seine interne Aufsichtspflichten bei Siemens fahrlässig verletzt habe. So lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft.

Pierer habe während seiner Amtszeit von ungerechtfertigten Zahlungen Kenntnis erhalten und es versäumt, eine Untersuchung einzuleiten, sagt Oberstaatsanwältin Barbara Stockinger. Kein Vorsatz also. Maximal 500.000 Euro beträgt dafür die Geldbuße. Berücksichtigt wird zu seinen Gunsten, dass der ehemalige Vorstandschef fünf Millionen Euro an Siemens überweist, die das Unternehmen als Schadenersatz für die Korruptionsaffäre fordert. Insofern dürfte Pierer allenfalls die Hälfte des Höchstsatzes zahlen, und damit kann er finanziell gut leben - im Vergleich zu dem bei Siemens fälligen Betrag. Diese Millionenzahlung sei kein Schuldeingeständnis, betont der einstige Top-Manager.

Und wo sind die Weggefährten?

1,4 Milliarden Euro sind bei dem Industriekonzern allein von 2000 bis 2006 in dunklen Kanälen verschwunden. Über weltweite Schmiergeldsysteme waren jahrzehntelang Aufträge für Kraftwerksbauten und andere Projekte besorgt worden, bis die Münchner Staatsanwaltschaft Ende 2006 zuschlug und anschließend gegen mehr als 300 Beschuldigte aus dem Konzern ermittelte. Zu denen gehörte Pierer nie, gegen ihn wurde nur ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet.

Viel härter dürfte den früheren Herrscher der Deutschland AG getroffen haben, dass sich langjährige Weggefährten von ihm abwandten, allen voran Gerhard Cromme, einst Chef von ThyssenKrupp. Cromme übernahm von Pierer schließlich den Aufsichtsratsvorsitz bei Siemens und betrieb die Schadenersatzforderungen gegen die früheren Vorstandsmitglieder, weil die nicht genau genug hingeschaut hätten, was im Unternehmen vor sich ging. Cromme sehe sich in seinem Vorgehen durch das nun verhängte Bußgeld bestätigt, heißt es aus Siemens-Kreisen.

Zu seiner Zeit bei Siemens hat Pierer davor gewarnt, im Wirtschaftsleben die Moral zu vernachlässigen. Das müsse in der Praxis auch durchgesetzt werden. In einem Aufsatz notierte er, Papier sei bekanntlich geduldig. Die Staatsanwaltschaft schrieb später in einem Bußgeldbescheid für den Konzern, der Vorstand habe intern "nicht ausreichend klar gemacht", dass auf Schmiergeldgeschäfte verzichtet werden müsse.

© SZ vom 04.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: