Siemens:Größter Börsengang seit der Telekom steht bevor

Siemens Workers Protest Layoffs

Die Ausgliederung der Medizintechnik-Sparte könnte der größte deutsche Börsengang seit der Telekom werden.

(Foto: Getty Images)
  • Siemens plant den Börsengang seiner Medizintechnik-Sparte. Es könnte der größte deutsche Börsenstart seit der Telekom werden.
  • In Görlitz protestieren derweil Tausende Mitarbeiter gegen die geplanten Stellenstreichungen.

Von Thomas Fromm und Jan Schmidbauer

Es sind seltsame Zeiten bei Siemens. Auf der einen Seite protestieren Tausende gegen den drohenden Stellenabbau in der Kraftwerkssparte. Auf der anderen Seite plant der Konzern schon wieder die Zukunft - und zwar in großem Stil: Siemens will seine Medizintechniksparte in Frankfurt an die Börse bringen. Das beschloss der Aufsichtsrat des Unternehmens am Mittwochabend. Der Börsengang soll demnach für die erste Hälfte des kommenden Jahres vorbereitet werden.

Ursprünglich hatten der für das Medizintechnikgeschäft zuständige Siemens-Vorstand Michael Sen und seine Finanzstrategen für ihren Börsengang einen ganz anderen Ort im Sinn. In der Chefetage des Konzerns schielte man nach New York City. Dort, wo wichtige Wettbewerber der Siemens-Medizintechniksparte wie General Electric gelistet sind, wäre ihrer Meinung nach auch der richtige Platz, wenn der Münchner Konzern bis zu einem Viertel der Anteile seiner Medizintechniksparte an Aktionäre verkauft.

Dass die Entscheidung nun doch zugunsten des deutschen Handelsplatzes fiel, sorgte beim Betriebsrat und der Gewerkschaft IG-Metall für Erleichterung. "An der Wall Street wäre die Mitbestimmung auf Unternehmensebene gekippt worden", sagte Aufsichtsrat und IG-Metall-Mitglied Reinhard Hahn. Der Börsengang der Medizinsparte zeige, dass sich wirtschaftliche Weichenstellungen und die Interessen der Beschäftigten "durchaus unter einen Hut bringen lassen - wenn das Management offen für einen konstruktiven Austausch ist". Die Bedenken der Arbeitnehmer dürften denn auch der Hauptgrund dafür sein, dass Siemens nun doch von einem Börsengang in Übersee absieht. London fiel wegen des Brexits von vornherein aus, blieb also nur noch Frankfurt.

Die Stadt sei "eines der weltweit größten Wertpapierhandelszentren, dessen Bedeutung vor dem Hintergrund des Brexit weiter zunehmen wird", sagte Siemens-Vorstand Sen nach der Gremiensitzung. Insidern zufolge könnte die Auslagerung der Medizintechnik-Anteile einer der größten Börsengänge an der Deutschen Börse seit der Deutschen Telekom werden, die im Jahr 1996 an den Aktienmarkt ging.

Bis zu zehn Milliarden Euro könnte Siemens in einem ersten Schritt einspielen, heißt es. "Healthineers", so der offizielle Name der Sparte, könnte später dann sogar ein Dax-Titel werden. Die Zukunft, sie verheißt für Siemens also Positives.

Zeitgleich muss sich der Konzern aber auch mit der Gegenwart beschäftigen. Und da ist vielen gar nicht nach Feiern zumute. Die Beschäftigten sind wütend über die Sparpläne des Konzerns, der weltweit rund 6900 Stellen streichen will. Während in München der Aufsichtsrat tagte, protestierten im sächsischen Görlitz etwa 2500 Menschen gegen die Schließung des dortigen Siemens-Standortes sowie gegen geplante Stellenstreichungen beim Zug-Hersteller Bombardier. "Es geht hier nicht mehr um einzelne Betriebe, sondern um das Schicksal einer ganzen Region", sagte Gewerkschaftsfunktionär Philipp Singer. Der Görlitzer Oberbürgermeister Siegfried Deinege warnte vor einem Ausbluten der Stadt. Siemens ist gemeinsam mit Bombardier der wichtigste Arbeitgeber in der strukturschwachen Region.

Dass die Kritik an den Plänen von Siemens nicht abreißen will, hängt auch mit der ansonsten guten Finanzlage des Konzerns zusammen. 6,2 Milliarden Euro Gewinn erwirtschaftete Siemens im vergangenen Jahr. Dass der Konzern gleichzeitig Tausende Stellen streichen will, die Hälfte davon in Deutschland, passt für viele einfach nicht zusammen. Eine weitere Meldung vom Mittwoch dürfte die Stimmung ebenfalls nicht zum Positiven wenden. Mit der Veröffentlichung des Geschäftsberichts gab Siemens das Gehalt seines Vorstandsvorsitzenden Joe Kaser bekannt: 6,9 Millionen Euro bekam der Manager im abgelaufenen Geschäftsjahr. Beinahe genauso viel wie im Vorjahr (7,06 Millionen Euro).

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