Siemens-Chef:Kaeser will doch am Bahngeschäft festhalten

Siemens AG Announces Strategic Restructuring

Siemens-Chef Joe Kaeser sorgt nicht nur mit seinen Übernahmeplänen für Unruhe bei den Mitarbeitern.

(Foto: Getty Images)

In der Hauszeitung trommelt Siemens-Chef Joe Kaeser für den Übernahmekampf um den französischen Industriekonzern Alstom, das Geschäft mit den Zügen will er nun aber doch weiterführen - "egal in welcher Konstellation".

Von Christoph Giesen, Istanbul

Es war eine Lektion in Ignoranz, die Jeffrey Immelt, der Konzernchef von General Electric (GE), dem Mitbewerber aus Deutschland erteilte: Fast eine Stunde lang sprach er Ende April in einer Telefonschalte mit Analysten, er ließ sich beglückwünschen zu seinem Angebot für Alstom, und er beantwortete jede Frage der doch recht detailverliebten Analysten.

Eines aber, das tat er nicht: Mit keinem Wort erwähnte er Siemens, den Wettbewerber aus München, der sich ebenfalls anschickt, im Übernahmekampf um den französischen Industriekonzern ein Angebot vorzulegen und damit GE womöglich zwingen könnte nachzubessern. Der Name Siemens, den scheint es in Immelts Wortschatz nicht zu geben.

Das ist in München anders. In der neuen Ausgabe der Mitarbeiterzeitung Siemens-Welt steht der Name des großen Konkurrenten aus Amerika gleich auf der ersten Seite. Die PR-Abteilung des Konzerns hat ein Interview mit Vorstandschef Joe Kaeser geführt. Nach ein paar lauwarmen Fragen dann diese hier: "Siemens mischt mit bei der Zukunft von Alstom. Ist das eine Kampfansage an GE?" Und Kaeser? Der antwortet selbstbewusst. Er spricht zwar nicht explizit von GE, doch es ist klar, dass er nur die Amerikaner gemeint haben kann: "Wenn irgendein Wettbewerber gedacht hat, wir wären gerade so sehr mit uns selbst beschäftigt, dass wir nicht jederzeit und überall handlungsfähig sind, dann war das ein ziemlicher Irrtum."

Strategisch ein kluges Angebot

Und rasch gehandelt, das haben Kaeser und seine Mannen tatsächlich. Es war ein Donnerstag Ende April, als die ersten Gerüchte aufkamen, dass GE Interesse an Alstom habe. Bereits am Samstag, zwei Tage später, hatte Kaeser seinen Vorstand zusammengerufen und ein erstes unverbindliches Angebot an den Alstom-Verwaltungsrat geschickt: zwei Seiten und das auf Englisch. Unter Vorgänger Peter Löscher, sagen Eingeweihte, wäre eine so rasche Antwort kaum möglich gewesen.

Dem ersten Brief folgte ein zweiter, mit relativ präzisen Vorstellungen: Siemens beabsichtigt, die Bahnsparte abzugeben, um im Gegenzug das Energiegeschäft der Franzosen zu übernehmen. Strategisch ein kluges Angebot, schließlich kann Kaeser so die französische Politik für sich gewinnen, die unbedingt einen europäischen Marktführer mit Pariser Zentrale behalten möchte. Bei den Gewerkschaften in Deutschland regt sich jedoch allmählich Skepsis.

Nicht nur die Übernahmepläne machen den Mitarbeitern Sorgen

Aus Sorge um die Arbeitsplätze veranstaltet die IG Metall an diesem Freitag einen bundesweiten Aktionstag bei Siemens. Vor allem in Krefeld und München, wo Siemens Züge und Bahntechnik fertigen lässt, sollen die Mitarbeiter zusammengetrommelt werden. "Wir wollen ein Personalkonzept mit sicheren Stammarbeitsplätzen und einem festen Beschäftigungsvolumen. Und wir wollen, dass in unruhiges Fahrwasser geratene Geschäfte und Bereiche nicht reflexartig abgestoßen, sondern aus eigener Kraft innerhalb der Siemens AG wieder flottgemacht werden", forderte Jürgen Wechsler, er ist der Chef der IG-Metall in Bayern.

Im Siemens-Welt-Interview bemüht sich Kaeser nun, diplomatisch zu sein: Das Bahngeschäft habe sich in jüngster Zeit "merklich verbessert", lobte er. "Wenn wir aber im harten globalen Wettbewerb gemeinsam europäisch stärker werden können, sollte man solche Optionen prüfen. Das gilt sowohl für das Energie- wie das Bahngeschäft." Den Mitarbeitern versicherte er, dass Siemens langfristig im Bahngeschäft engagiert bleiben wolle - "egal in welcher Konstellation". Eine denkbare Variante hatte Siemens bereits im zweiten Brief an Alstom skizziert: Im Falle eines Spartentauschs werde sich Siemens mit knapp 20 Prozent an Alstom beteiligen.

Bis es so weit ist, muss Siemens zunächst einmal ein verbindliches Angebot vorlegen, derzeit prüft eine Delegation die Daten der Franzosen. Und das scheint nicht immer leicht zu sein. Dem Vernehmen nach hat Siemens zwar alle Zahlen einsehen können, Schwierigkeiten soll es aber bei Gesprächen mit hochrangigen Alstom-Mitarbeitern gegeben haben. Diese sollten eigentlich Auskunft geben über Geschäftsentwicklungen, die noch nicht mit einer Zahl fixiert sind.

Und während man bei Siemens prüft, verlängert GE das Angebot - die Frist werde vom 2. bis 23. Juni ausgedehnt, um die Beratungen mit der Regierung in Paris "zu erleichtern", teilte der Konzern am Donnerstag mit. Es sind nicht nur die Übernahmepläne, die die Arbeitnehmerseite von Siemens umtreibt. Auch Kaesers eigene Umbauten haben Unruhe ausgelöst. Am 7. Mai hatte er eine neue Konzernstruktur vorgestellt. Die vier Sektoren, auf die das Geschäft bisher aufgeteilt ist, werden zerschlagen, die Zentrale steuert nun die Geschäfte. Bis Herbst 2016 soll eine Milliarde eingespart werden. Es dürften zwar vor allem Jobs im Management gefährdet sein, aber die IG-Metall ist wachsam. "Eine Verschlankung der Strukturen und Prozesse auf Kosten der Standorte, der Beschäftigten und ihrer Arbeitsplätze werden wir nicht zulassen", warnt IG-Metall-Mann Wechsler.

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