Siemens:Aufsichtsräte fordern von Pierers Rücktritt

Im Siemens-Kontrollgremium wächst der Druck auf Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer. Ein Wunschkandidat für seine Nachfolge steht schon fest.

Markus Balser

Mehrere Aufsichtsräte wollen Pierer in persönlichen Gesprächen zur Aufgabe seines Amtes bewegen. Ziel der Initiative sei ein personeller Neuanfang bei dem seit Monaten von einem Korruptionsskandal belasteten Technologiekonzern, heißt es aus Aufsichtsratskreisen. Wunschkandidat für die Nachfolge: Thyssen-Krupp Aufsichtsratschef Gerhard Cromme.

Aufsichtsräte fordern von Pierers Rücktritt, AP

Aufsichtsräte fordern von Pierers Rücktritt.

(Foto: Foto: AP)

Nach Pierers Osterurlaub wollten Vertreter der Arbeitnehmer- und der Arbeitgeberseite das persönliche Gespräch mit Pierer suchen, hieß es weiter. Eine Wiederwahl Pierers bei den Neuwahlen im Januar gelte im Aufsichtsrat als unwahrscheinlich. Ob das Gremium bereits bei seiner nächsten Sitzung am 25. April über einen Wechsel an der Spitze des Kontrollorgans entscheiden könne, sei allerdings offen.

Als Nachfolger Pierers favorisieren mehrere Aufsichtsräte Gerhard Cromme, der dem Gremium seit 2003 angehört und den für die Aufklärung der Affäre entscheidenden Prüfungsausschuss im Aufsichtsrat leitet. Pierer war in die Kritik geraten, weil die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im Korruptionsskandal bei Siemens zum Großteil in seine Amtszeit fallen. Er war nach über zwölf Jahren als Vorstandschef von Siemens im Januar 2005 an die Spitze des Aufsichtsrates gewechselt.

,,Fälle in unseren Reihen''

Der Gesamtbetriebsrat hält es in der Affäre um mögliche Schmiergeldzahlungen auch für möglich, dass es bei der IG Metall schwarze Schafe gibt. ,,Wir gehen davon aus, dass auch in unseren Reihen Fälle hochkommen werden'', sagte Siemens-Gesamtbetriebsratschef Ralf Heckmann der Zeitung Euro am Sonntag.

,,Ich möchte nicht für alle der mehr als hundert IG-Metall-Betriebsratsvorsitzenden bei Siemens die Hand ins Feuer legen.'' In einer am Freitag verbreiteten Pressemitteilung zufolge relativierte Heckmann allerdings: ,,Weder kenne ich einen IG-Metall-Betriebsrat bei Siemens, auf den Begünstigungsvorwürfe zutreffen würden, noch habe ich Indizien dafür.''

Heckmann ist IG-Metall-Mitglied und stellvertretender Aufsichtsratschef bei dem Münchener Konzern. Die IG Metall wirft Siemens vor, die AUB gesetzeswidrig als alternative Arbeitnehmervertretung gefördert zu haben. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth erklärte, ihre Ermittlungen konzentrierten sich derzeit auf die AUB.

Heckmann rechnet damit, dass die Staatsanwaltschaft nach einer Strafanzeige der IG Metall rasch aktiv werden und dabei auch das Büro des Gesamtbetriebsrats durchsuchen könnte. Siemens-Aufsichtsrat Dieter Scheitor von der IG Metall geht allerdings nicht davon aus, dass bei den Ermittlungen unzulässige Begünstigung mit Beteiligung von IG-Metall-Betriebsräten ans Licht kommen.

Unter den Siemens-Kontrolleuren wächst derweil die Kritik an der internen Aufklärung der AUB-Affäre. Bei der offiziellen Sitzung im Januar sei der Aufsichtsrat nicht über Untersuchungen zu dubiosen Zahlungen an den Chef der Organisation, Wilhelm Schelsky, informiert worden, hieß es. Nun müsse Siemens auf der nächsten Sitzung Ende April lückenlos alle Erkenntnisse auf den Tisch legen.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt in dem Fall wegen des Verdachts der Untreue. Schelsky und seine Firmen sollen von Siemens etwa 34 Millionen Euro erhalten haben.

Gesamtbetriebsratschef Heckmann schlüsselte am Donnerstag zudem seine eigene Einkommenssituation auf. Demnach erhält Heckmann als außertariflich bezahlter Mitarbeiter monatlich 8000 bis 9000 Euro Grundgehalt. Hinzu komme eine erfolgsabhängige Sonderzahlung von bis zu 50 Prozent des Grundgehalts. Als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des Konzerns erhalte Heckmann außerdem jährliche Bezüge von 169 000 Euro, die er fast vollständig an die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung abführen müsse.

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