Sicherheit im Netz:China möchte das Internet regieren

Chinese President speech at 3rd World Internet Conference in Wuzh

Klingt irre, ist aber ernst gemeint: Chinas Führung möchte in Wuzhen die wichtigste Internetkonferenz der Welt abhalten. Obwohl es seine Bürger systematisch abschirmt.

(Foto: Chloe Zhang/dpa)

Ein Gesetz verlangt, dass Daten künftig im Inland gespeichert werden müssen. Zu der World Internet Conference reisen trotzdem alle Großen der Branche an.

Von Christoph Giesen

Wo sonst Touristen durch die Gassen bummeln und Reisegruppen von chinesischen Gondolieri durch die Kanäle gestakt werden, haben Polizisten in Zivil Stellung bezogen. Niemand sitzt in den sonst so gut gefüllten Restaurants und Teehäusern. Wuzhen, dieses malerische Wasserstädtchen zwei Autostunden westlich von Shanghai, ist wie ausgestorben. Der Grund: Chinas Führung veranstaltet hier zum dritten Mal die World Internet Conference, und die Mehrzahl der 1600 Besucher hat sich mit Golfwägelchen in die neu errichte Kongresshalle chauffieren lassen, um sich anzuhören, wie sich die chinesische Führung das Internet der Zukunft vorstellt.

Was wie ein Paradoxon klingt, ist auch eins, das Land, das seine Bürger am systematischsten abschirmt und die Great Firewall errichtet hat, möchte nicht weniger als die wichtigste Internetkonferenz der Welt veranstalten. Die Liste der Besucher ist lang. Gekommen ist zum Beispiel Robin Li, der Gründer von Baidu, der chinesischen Suchmaschine. Oder Ma Huateng von Tencent, dessen App Wechat auf fast jedem chinesischen Smartphone läuft. Dazu die Chefs von Foxconn und Xiaomi. Allesamt sind sie Milliardäre, das Internet hat sie reich gemacht.

Auch die großen amerikanischen Firmen haben ihre Vertreter geschickt: Facebook, Microsoft, Intel. Der offensichtliche Grund: Sie wollen nach China vordringen, denn viele Webseiten und Dienste sind in der Volksrepublik gesperrt; in Wuzhen sind sie willkommen. Der prominenteste Besucher aus dem Silicon Valley ist Linked-In-Gründer Reid Hoffman. Für sein Unternehmen ist Microsoft bereit, 26,2 Milliarden Dollar zu zahlen.

Und dann sind da natürlich noch die chinesischen Politiker. Etliche Vize-Minister, ein paar Minister, der ranghöchste in Wuzhen ist diesmal Liu Yunshan, Chinas Propagandachef, die Nummer fünf in der Parteihierarchie. Der mächtigste Mann des Landes, Staatschef Xi Jinping, erscheint auf der Videoleinwand. Und seine Botschaft ist klar: Im Netz der Zukunft soll viel gehandelt werden, es soll allen Spaß machen, aber in ganz klar abgesteckten Bahnen. Internet governance, nennt er das. China möchte das Internet regieren.

Wie man sich das in Peking vorstellt, kann man inzwischen als Gesetzestext nachlesen. Wenige Tage vor der Veranstaltung hat Chinas Führung ein Cybersicherheitsgesetz erlassen, es sieht vor, dass Daten künftig innerhalb von Chinas Grenzen gespeichert werden müssen. Bis zuletzt hatten ausländische Wirtschaftsverbände dagegen gekämpft, Stellungnahmen verfasst und offene Briefe geschrieben, durchreisende Politiker hatten bei den zuständigen Ministern vorgesprochen. Vergeblich.

Ausländische Unternehmen befürchten, dass die Gefahr der Industriespionage und des Diebstahls des geistigen Eigentums wächst, wenn ihre Daten auf chinesischen Servern liegen. Zum Beispiel bei der digitalisierten Produktion, der Industrie 4.0. Im Idealfall sollen in naher Zukunft Maschinen über Landesgrenzen hinweg miteinander kommunizieren. Das kann jedoch nur funktionieren, wenn der Datenverkehr dabei gesichert ist, damit kein Wettbewerber oder Geheimdienst Produktion zugreifen kann. In China ist das jedoch nicht mehr gesichert. Der deutsche Botschafter in Peking Michael Clauss sagt dazu: "Beim Cybersicherheitsgesetz haben wir die Sorge, dass zwischen Sicherheitserwägungen und die für Innovation notwendige Offenheit und der freie Fluss von Informationen keine ausreichende Balance gefunden wird." Doch das neue Gesetz ist kein Thema auf den Podien in Wuzhen.

Die Zensoren können jederzeit nach Belieben eingreifen

Immer wieder geht es stattdessen um das Thema Vertrauen im Internet. Ein gewaltiges Problem in einem Land, in dem es keine unabhängige Presse gibt. Die chinesische Lösung ist pragmatisch. Facebook und Twitter sind in China gesperrt. Die chinesischen Pendants haben ihre Server in der Volksrepublik, die Zensoren können nach Belieben eingreifen. Doch nicht nur das: Wird ein von den Behörden als Gerücht eingestufter Social-Media-Beitrag von mehr als 5000 Internetnutzern gelesen, kann der Verfasser belangt werden. Mittendrin in dieser Runde: Linked-In-Boss Hoffman, der sich bemüht zu erklären, weshalb sein Netzwerk-Portal Vertrauen schaffen könne. Doch sein Vortrag wirkt aus dem Rahmen gefallen. Denn nach ihm werben die Online-Chefin des Staatssenders CCTV und ihr Kollege von der Volkszeitung gemeinsam mit dem Informationsminister aus Simbabwe für glaubwürdigen Journalismus. Und auch die chinesische Internetbranche stimmt mit ein.

Da ist zum Beispiel Yu Weimin, Vizepräsident beim Onlinehändler Alibaba, er sagt, dass sein Unternehmen ganz selbstverständlich mit den chinesischen Behörden zusammenarbeite und Daten zur Verfügung stelle. 3000 Mitarbeiter habe die Sicherheitsabteilung von Alibaba bereits. "Mit all dieser Technologie können wir den Krieg gegen den Terrorismus zu gewinnen", sagt Yu.

Wie dehnbar dabei der Begriff Terrorismus ist, zeigt der Vortrag von Kam Chow Wong, der an der amerikanischen Xavier University lehrt. Er erklärt die friedlichen Proteste 2014 in Hongkong kurzerhand zu Ausschreitungen. Die Jugend sei durch das Internet und den Westen angestachelt worden. "Was wird morgen geschehen?", fragt er seine Zuhörer. "Ich mache mir ernsthafte Sorgen über Terrorismus", sagt er. Dafür bekommt er hier Applaus.

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