Shell-Chef Voser:Leck in der Leitung

Shell steht nach dem jüngsten Ölunfall in der Nordsee und der anhaltenden Ölpest im afrikanischen Nigerdelta schwer in der Kritik. Der Chef des zweitgrößten Energiekonzern der Welt, Peter Voser, sagt, wo die Probleme liegen.

Silvia Liebrich

Shell-Chef Peter Voser geht davon aus, dass die Ölindustrie die wachsenden Gefahren der Rohstoffförderung meistern kann. "Die Risiken sind tragbar. Auch wenn man Unfälle nie ganz ausschließen kann", sagte der 53-Jährige in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

Die Erschließung neuer Vorkommen in schwierigen Gebieten wie der Arktis oder der Tiefsee sei unvermeidbar. "Die Welt braucht alle Energie, die man bereitstellen kann." Bei Shell geht man davon aus, dass fossile Brennstoffe und Atomkraft bis 2050 weiterhin 65 bis 70 Prozent der weltweit genutzen Energie liefern werden.

"Wir müssen Technologien so weiter entwickeln, dass wir damit in Gebiete vorstoßen können, in denen noch große Vorkommen liegen. Das gilt für die Arktis, die Tiefsee aber auch Schiefergasvorkommen", ergänzte er.

Der zweitgrößte Energiekonzern der Welt steht nach dem jüngsten Ölunfall in der Nordsee und der anhaltenden Ölpest im afrikanischen Nigerdelta in der Kritik. Shell musste vor wenigen Wochen einen Defekt an der Bohrinsel Gannet Alpha in der Nordsee einräumen, bei dem schätzungsweise 200 Tonnen Öl ins Meer liefen. Dies war der schwerste Unfall in der Nordsee seit zehn Jahren.

Ursache war nach Informationen des Konzerns ein Leck in einer Pipeline. "Wir untersuchen noch, wie es dazu kam", erklärte Voser. Kritiker hatten dem Unternehmen vorgeworfen, dass die Anlagen des Konzerns in der Nordsee völlig überaltert seien. Der Shell-Chef wies dies zurück. "Seit 2004 haben wir 1,2 Milliarden Dollar in die Modernisierung unserer Nordseeanlagen investiert". Dieses Jahr sollen noch einmal 600 Millionen Dollar dazu kommen.

Zugleich räumte der Mann an der Spitze des zweitgrößten Energiekonzerns der Welt erstmals eine Mitverantwortung des Unternehmens für die wohl größte Ölpest der Geschichte im Nigerdelta ein. Auslaufendes Öl verschmutzt dort seit mehr als zwei Jahrzehnten die Region.

Lange Zeit hatte der Konzern eine Mitschuld von sich gewiesen. "Wir werden helfen, wo immer wir können. Shell ist bereit, jegliche Verschmutzung in Nigeria zu beseitigen, unabhängig davon, ob sie durch uns oder durch Sabotage oder Vandalismus entstanden sind", sicherte Voser zu.

Nach Schätzung von Umweltschützern sind in den vergangen Jahrzehnten mindestens zwei Milliarden Liter Öl unkontrolliert ins Nigerdelta geflossen - mehr als doppelt so viel wie bei der Ölpest im Golf von Mexiko vor einem Jahr. Voser sieht jedoch auch die nigerianische Regierung in der Pflicht, illegale Raffinierien im Land zu schließen. "Sie zapfen ihr Öl aus unseren Pipelines, beschädigen sie, so dass Öl ausläuft." 55 Prozent des Gemeinschaftsunternehmens, das in Nigeria Öl fördert, gehören der staatlichen nigerianischen Ölgesellschaft. 30 Prozent hält Shell, weitere 15 Prozent Agip und Total zusammen.

Der Schweizer Peter Voser steht seit 2009 an der Spitze von Shell. Noch bevor er sein Amt antrat, kündigte er Kosteneinsparungen und Stellenstreichungen an. Insgesamt wurden nach seinen Angaben 7000 Stellen im Konzern gestrichen. Für 2010 meldete Shell eine Umsatz von 368 Milliarden Dollar, der Gewinn lag bei knapp 21 Milliarden Dollar. Weltweit beschäftigt das Unternehmen 93.000 Menschen.

Das Interview wird in der Süddeutschen Zeitung vom 26.09.2011 veröffentlicht.

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